Einfluss des Militärdienstes auf Tolstoi

Nachdem Tolstoi dann noch an einem jener erwähnten „Vormärsche“ in Feindesgebiet als Freiwilliger teilgenommen und dabei allgemeines Aufsehen erregt hatte durch seinen sorglosen Mut, überredete ihn der Oberkommandierende des kaukasischen Heeres und nachmalige Überwinder des Kaukasus, Fürst Barjatinski, in das kaukasische Heer einzutreten. Den August und September verbrachte Tolstoi noch in Starogladowsk. Im Oktober verzog er dann nach Tiflis, um sich zum Fähnrichsexamen vorzubereiten. Dort wohnte Tolstoi aus ,,Billigkeitsgründen und um gratis die Praxis der deutschen Sprache zu haben“ in der deutschen Vorstadt; er mied dabei alles gesellschaftliche Leben, das ihm wie eine Nachäffung Petersburgs erschien, und gab sich völlig der Lektüre und der Jagd hin. Hier erwachte übrigens auch sein Entschluss zur Schriftstellerei. Er schreibt darüber seiner Tante Jergolsky:

„Entsinnen Sie sich, gute Tante, eines Rates, den Sie mir einst gaben — den Rat, Romane zu schreiben. Nun gut! Ich befolge Ihren Rat, und die Beschäftigung, von der ich Ihnen neulich erzählte, ist eben eine literarische. Ich weiß nicht, ob das, was ich schreibe, jemals in der Öffentlichkeit erscheinen wird. Es ist dies aber eine Tätigkeil, die mir Vergnügen bereitet, und bei der ich bereits seit zu langer Zeit verweile, als dass ich sie wieder aufzugeben vermöchte.“


Die zwei ersten Monate in Tiflis war Tolstoi krank und musste sich kurieren. Damals schrieb er seine erste Novelle „Kindheit“. Sein Dienstantritt verzögerte sich, da er wiederum nicht die in Russland so nötigen Papiere bei sich hatte.

Endlich, im Dezember 1851, wird Tolstoi als Feuerwerker in die vierte Batterie eingereiht und hat nun „den Vorzug Front zu machen und mit den Augen die vorübergehenden Offiziere zu begleiten“. Tolstois Wunsch ist, so bald als möglich zur kriegführenden Armee zugezählt zu werden, um, wie er seinem Bruder schreibt, „nach Maßgabe seiner Kräfte mit Hilfe der Kanonen beizutragen zur Ausrottung der räuberischen und unbotmäßigen Asiaten!“ — (Wir spüren hier bereits den zukünftigen Offizier. Wie weit sind wir noch von dem späteren Friedensapostel!)


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das heutige Russland 1 - Tolstoi