Was nun nach Abzug der ordentlichen Bede und des Zehnten vom Ertragswert der Hufe noch übrig blieb ...

Was nun nach Abzug der ordentlichen Bede und des Zehnten vom Ertragswert der Hufe noch übrig blieb, bildete den Gegenstand der Behandlung und Vereinbarung mit dem Grundherrn zur Feststellung des bäuerlichen Pachtzinses, des census, Zins, auch pactus und pensio genannt. Waren ordentliche Bede und Zehnten abglöst, so konnte der census, welcher bald in Korn, bald in Geld bestimmt wurde, den gesammten Pachtnutzwerth der Hufe zum Ausdruck bringen. Aus den zum Gute gehörigen Forsten und Torfstichen musste das nötige Feuerungsmaterial, aus den Forsten außerdem das zu Reparaturen und Neubauten erforderliche Bauholz dem Bauern verabfolgt werden; gutsherrliche Anweisung war allemal nachzusuchen, wie in der schon angezogenen Heberolle von Neu-Kloster verschiedentlich bemerkt wird. Daß die Wiesennutzung nach Maßgabe ihres Hufenbesitzes den Dorfbewohnern zustand, war selbstverständlich; Jagd und Fischerei (mit Ausnahme etwa der kleinen Uferfischerei) blieben dem Grundherrn vorbehalten, welcher aus der Fischereipacht oft erhebliche Einnahmen zog.

Es ist oben für die Bauerndörfer von Neu-Kloster - 30 und einige an der Zahl - der durchschnittliche Wertbetrag des Zehnten auf 25 Scheffel Hartkorn angegeben; die Zusammenstellung der Dörfer, in welchen pro censu et decima eine einheitliche Abgabe erhoben wird - wenn wir die dazu gehörigen Hagendörfer und die wenigen Dörfer, welche in Geld zahlen, nicht mit zum Ansatz bringen - ergibt nun das überraschende Resultat; einer durchschnittlichen Leistung von 50 Scheffeln Hartkorn für jede Hufe, also das Doppelte des Zehnten; die Mehrzahl der Dörfer bewegt sich mit dem Hufenzins zwischen 45 bis 55 Scheffeln Hartkorn; in einem Falle (Warin) werden nur 24 Scheffel, in einem Falle (Klein-Schwaß bei Rostock) werden 72 Scheffel für die Hufe gegeben.


Deutlich treten in dem mehrgedachten Heberegister die Hagendörfer des Klosters - Techentinerhagen, Arnesse (Arenssee), Brunshaupten - hervor. Hier wird von der Hufe nur ein solidus, offensichtlich in signum recognitionis, pro censu gezahlt; dagegen sind sie dem Zehntzuge unterworfen; die zu Techentinerhagen gaben pro decima, quando redimitur, für jede Hufe 24 Scheffel Hartkorn. Eine Anzahl dieser Hägerbauern hat dem Kloster speciales redditus de mansis eorum - verkauft, bis zu 3 Mark 4 Schilling pro Hufe. Wir haben es hier also mit deutschen Colonisten zu thun, welche den Boden erst urbar gemacht, größtenteils wohl dem Wald abgewonnen haben; sie haben die Dörfer erbaut und mit Hofwehren besetzt; von ihnen erhebt das Kloster nur den vollen geistlichen Zehnten neben einer kleinen Rekognitionsabgabe. In der Rentenzahlung, welche das Kloster von einigen derselben gekauft; hat, dürfen wir das Äquivalent einer Kapitalzuwendung, welche den Pflichtigen für die Zwecke der ersten Einrichtung gemacht ist, und zugleich die Anerkennung eines dinglichen Rechtes derselben an ihren Hufen erkennen.

Zur Vervollständigung des Bildes, welches aus jener Heberolle bezüglich der klösterlichen Bauernstellen entgegentritt, ist nun noch anzuführen, daß das Kloster außer einigen 30 Bauerndörfern auch mehrere Gutshöfe - in Pinnow, Brunshaupten, Dessyn (Groß-Tessin), Knipafh (bei Warin), Warin und Neuhof - besaß, welche es mit eigenem Gesinde bewirtschaftete. Diese Höfe sind zum Theil in derselben Ortschaft, zu welcher eine Bauernschaft gehört, gelegen (Brunshaupten, Gr.-Tessin, Warin); die Bauern sind zu diesen Höfen nicht dienstpflichtig; nur einzelnen kleinen Hausbesitzern und Käthnern liegt neben der Lieferung von Hühnern und einer Zahlung de agro adjacente auch ein biduanum servicium de qualibet domo ob. Aus dem Lohnregister des Klosters etwa vom Jahre 1320 (Urk.-Buch VI, Nr. 4242) entnehmen wir, daß auf den Gutshöfen durchschnittlich 12 bis 16 Knechte, Jungen (juvenes), Schäfer (opiliones), Hirten, und außerdem 2 bis 4 Mägde gehalten wurden; die Sommerlöhnung (pretium estivale) beträgt für dies Personal pro Hof 12 bis 20 Mark wendisch, der Lohn für die Großknechte 26 Schilling wend. Münze bis herunter zu 2 1/2 Schilling für die Pflegerin der Kälber (ancilla vitulorum). Das Speckregister des Klosters vom J. 1320 (Urk.-Buch VI, Nr. 4229) berichtet, daß beim Beginn der Erntezeit (dominica die ante festum beati Jacobi) aus den Vorräten des Klosters an jeden dieser Höfe 5 bis 7 Seiten Speck (latera lardi) für die Leute geliefert wurden.

Der Einblick, welchen wir aus dem Vorstehenden in die ökonomische Lage des Bauernstandes, zunächst in den ausgedehnten klösterlichen Besitzungen, gewinnen, wird weiterhin zu vervollständigen sein, insbesondere durch Vergleichung mit andern Gebieten des Landes und durch eine nähere Betrachtung der bäuerlichen Hufe nach Größe und Bewirtschaftungsweise. Für die Zwecke dieser einleitenden Darstellung haben wir jetzt noch einen Blick auf die Rechtsverhältnisse des Bauernstandes und auf die Beschaffenheit seines Besitzrechtes zu werfen. Dabei scheiden wir zunächst aus die Hägerdörfer und die Bauernschaften im Bistum Ratzeburg.

In keinem Teil des Landes wurde die deutsche Besiedelung in so kurzer Zeit und so planmäßig zur Ausführung gebracht, als im Stiftstande der Bischöfe von Ratzeburg (terra Boitin). Es fehlt zwar an näheren Angaben über den Hergang bei der Besiedelung und über die den ersten Hauswirten (gleichfalls coloni in den Urkunden genannt) bewilligten Bedingungen; die ununterbrochene Continuität, welche für die Ratzeburger Verhältnisse bis in die Neuzeit hinein anzunehmen ist, gestattet jedoch uns hiervon ein deutliches Bild zu machen. Es gab schon im Beginne der Colonisation eine Anzahl von herrschaftlichen Höfen, zu welchen umliegende wendische Bauernschaften dienstpflichtig waren; diese Höfe mit zugehörigem Ackerwerk, 12 bis 15 an der Zahl, sind von nahezu 70 Bauerndörfern umgeben; die weitere Entfernung einzelner Bauernschaften von der curia war in damaliger Zeit kein Hindernis, dieselben zu den Hofediensten - Spann- und Handdiensten - heranzuziehen. Durch die verheerenden Kriege, welche der nova plantatio in diesen Gegenden voraufgegangen, war ein großer Teil der Ortschaften wüst geworden; der Rest der slavischen Bewohner wurde ohne Schwierigkeit ausgetrieben, wie dies schon in der Stiftungsurkunde des Bistums in Aussicht genommen war. Die Neubesetzung der Dorfschaften erfolgte nun durch massenhaften Zuzug aus Westfalen und den Wesergegenden, welche schon das Kriegsgefolge Heinrichs des Löwen gestellt hatten; ohne Zweifel waren hierbei im Auftrage der Bischöfe Unternehmer tätig, welchen die Anwerbung und die Bekanntgebung der Bedingungen oblag.