Nachdem nun die deutsche Besiedelung sich befestigt ...

Nachdem nun die deutsche Besiedelung sich befestigt, und auch der zahlreich zurückgebliebenen wendischen Bevölkerung ihren Stempel aufgedrückt hatte, nahmen alle privatrechtlichen und öffentlich rechtlichen Verhältnisse, welche den für die ländliche Bewirtschaftung bestimmten Boden betreffen, ihren Ausgangspunkt von der bäuerlichen Hufe. Fast die gesamte landwirtschaftliche Production ruhte bei uns auf den Schultern des Kleinbauern, der regelmäßig noch mit eigner Hofwehr die Hufe bestellt, oft auch Eigentümer der Gebäude ist. Aus dem Ertrage der Hufe hat er zunächst den jährlich wiederkehrenden Anforderungen der öffentlichen Gewalt, welche als Reallast auf der Hufe ruhen, zu entsprechen; er hat an den Landesherrn die ordentliche Bede, precaria sive petitio solita, auch erbliche Bede in den späteren Urkunden genannt 2), in zwei Terminen, zu Martini und Walpurgis, zu entrichten; die Bede wird von den landesherrlichen Unterbeamten eingefordert und besteht zum größeren Teil in Geld, zum kleineren Teil in dem dreifachen Korn, der annona triplex. Die ordentliche Bede, welche schon in früher Zeit den Charakter eines feststehenden und bevorzugten Canons angenommen hat, erreicht ihrem Betrage nach den Wert von 30 Scheffeln Hartkorn (Roggen und Gerste) für jede Hufe, wenn - für die Mitte des 14. Jahrhunderts - der Scheffel Hartkorn zu 1 Schilling Lübisch oder 1 1/2 Schilling wendisch, und zwei Scheffel Hafer gleich einem Scheffel Hartkorn angenommen werden (U.- B.VIII, p. 177, Nr.1331); je nach Ertragsfähigkeit der Hufe kann sie darunter bleiben, aber auch in einzelnen Fällen diesen Wertbetrag übersteigen. Ihrem Rechtsgrunde nach ist sie aufzufassen als eine für die Aufgabe des unbeschränkten Herrenrechtes der wendischen Landesherren, für die Befreiung vom Kriegsdienst und für die Gewährung des Schutzes, der tuitio, gezahlte Abgabe 3). Die alt hergebrachten Befugnisse des wendischen Landesherrn, der Zuwachs, welchen dieselben durch die deutsche Vogteigewalt erhielten, und die veränderte Kriegs-Verfassung, wonach der Kriegsdienst von den Lehnsleuten geleistet werden musste, haben ohne Zweifel in ihrer Vereinigung zu einer so hohen Belastung der bäuerlichen Hufe geführt. Die ordentliche Bede kann für jene Zeit als der feststehende Beitrag des Grundbesitzes zu den ordentlichen Kosten des Landes-Regiments und zum Unterhalt des fürstlichen Hauses angesehen werden; aber nicht lange Zeit währte es, bis diese bedeutende Einnahmequelle den Händen der Landesherren mehr und mehr entschwand. Zunächst wurde aller landesherrliche und Privatbesitz, der zur Dotierung der Klöster und geistlichen Stiftungen zur Verwendung kam, regelmäßig von der ordentlichen Bede befreit; der Betrag derselben konnte alsdann der Pachtleistung der Bauern zugeschlagen werden. Sodann verleitete der rentenartige Charakter derselben dazu, bei eintretenden Geldverlegenheiten, die sich in steigender Progression für die landesherrlichen Kassen wiederholten, über die Bedeleistung ganzer Ortschaften, oft ganzer Vogteien, durch Verkauf oder Verpfändung zu verfügen. So ist allmählich die alte Geldbede (precaria denariorum) wohl ganz verloren gegangen; von der Kornbede, der annona triplex, gewöhnlich 2 Scheffel Roggen, 2 Scheffel Gerste, 2 Scheffel Hafer von jeder bäuerlichen Hufe, haben sich nicht unerhebliche Reste bis auf die Gegenwart erhalten. In dem Gutachten von Wigger vom Jahre 1875, in Band 29 der baltischen Studien, ist überzeugend nachgewiesen, dass die unter dem Namen Hundekorn vielfach vorkommende Kornabgabe in Pommern, sowie die Kornabgabe von einer Anzahl ritterschaftlicher Güter in Mecklenburg an den landesherrlichen Kornboden, welche bei uns den Namen Pacht angenommen hat, derjenige Teil der alten Bede ist, welchen die Fürsten zum Behufe ihrer Hofwirtschaft in dreierlei Korn erhoben.

Eine weitere feste Belastung ergab sich für die bäuerlichen Hufen aus dem Zehntrecht der Bischöfe. Herzog Heinrich von Sachsen bestimmte in der Dotationsurkunde für das Bistum Ratzeburg, 1158, dass die Slawen im ganzen Bereiche der von ihm gestifteten Bistümer einen Bischofszins in der Höhe von 3 Maß (kuriz) Roggen, 1 Schilling, 1 Topp Flachs und 1 Huhn von jedem Haken erlegen sollten; davon sollte der Pfarrer 2 Pfennige und 1 Maß Korn beziehen; wenn aber erst nach Austreibung der Slawen das ganze Land zehntpflichtig gemacht worden, so sollte der ganze Zehnte dem Bischof gehören, und dieser sich mit dem Grundherrn über die Dotierung der Parochialkirchen dahin vereinbaren, dass eine jede mit 4 mansi cum censu et decima ausgestattet werde. Der Zehntpflicht waren außer den deutschen Colonen auch diejenigen wendischen Bauern, welche zu deutschem Rechte (jure Teutonico) angesetzt wurden, unterworfen. Es wurde unterschieden zwischen dem großen Zehnten, der decima in campo, und der decima minuta, welche von dem Zuwachs des Viehs und vom ländlichen Nebenerwerb zu erlegen war. Im Anschluss an die obige Wertangabe wegen der ordentlichen Bede darf schon hier bemerkt werden, dass nach der Heberolle von Neu-Kloster (Urk.-Buch VI, S. 403, Ao. 1319) sich der durchschnittliche Wert der decima in campo cum minuta, quando redimitur, berechnete auf 25 Scheffel Hartkorn; die Mehrzahl der Hufen in den Klosterdörfern, welchen Ablösung zugestanden ist, zahlt 24 bis 28 Scheffel Hartkorn für den vollen Zehnten. Diese Angaben gestatten einen wichtigen Rückschluss auf den Bruttokörnerertrag der Hufen, wobei freilich der in einem Prozentsatz schwer zu bestimmende Wert der decima minuta - eine Berechnung derselben finden wir bei Woldenhagen (a. a. O. S. 407) angegeben - allemal zurückzurechnen ist. - Der geistliche Zehnte teilte insofern das Schicksal der ordentlichen Bede, als er sehr bald in andere Hände überging, in die Hand der Landesherren und der Grundeigentümer durch Belehnung und sonstige Vereinbarung, in die Hand der Klöster und sonstigen geistlichen Stiftungen durch die Dotationsurkunden. Er konnte sich dann mit der Bede und mit dem restierenden Pachtnutzungs-Äquivalent zu einer einheitlichen Leistung der Bauern an den Grundherrn vereinigen, die dem vollen Nutzungswerte entsprach; nur die klösterlichen Verwaltungen hielten noch lange den Unterschied zwischen dem Zehnten und den sonstigen bäuerlichen Leistungen aufrecht.





2) Boll, Geschichte des Landes Stargard II, p. 394.
3) Vgl. U.-B. IX, p. 518: ea defensione fovere volumus, sicut alios nostre terre incolas, nobis justiciam et annuam pensionem dantes, pacifice tueri tenebimur et servare.