Abschnitt 12

Die Beantwortung der Frage, wie in vorkommenden Fällen noch heute die Vorschrift der Polizeiordnung zur Anwendung zu bringen sein möchte, liegt außerhalb unserer Aufgabe; über die historischen Gesichtspunkte, welche sich hierbei geltend machen, glauben wir jedoch Einiges bemerken zu dürfen.

Für die heutige Anwendung tritt die Schwierigkeit entgegen, daß die alten Bauerhufen nirgends mehr vorhanden sind; sie sind mit den wirthschaftlichen Veränderungen, welche mit dem Aufkommen des Großgrundbesitzes Hand in Hand gingen, zu Grunde gegangen, und ist nur von einer geringen Zahl von Gütern der frühere Bestand an bäuerlichen Hufen sicher bekannt. Aber auch wenn diese Zahl bekannt ist, so ist damit noch nichts über Größe und Flächeninhalt entschieden, weil die Hufe nur das Ackerland befaßte, und das Verhältniß zwischen Acker, Wiese, Wald im Laufe der Jahrhunderte hier und da große Veränderungen erlitten hat. Es fragt sich daher, ob für die alten Bauerhufen ein durchschnittliches Größenmaß anzunehmen sei, und ob hiernach Bezeichnungen wie: una quarta mansi usualis - ein Viertel Landes einer gewöhnlichen Hufe (Lisch, Urkunden des Geschlechtes von Oertzen, II, S. 158 und 162, Ao. 1455) zu deuten seien. Wir werden hierauf weiterhin zurückkommen.


In dem von einer deutschen Juristenfacultät unter dem 11. Febr. 1878 in einer meklenburgischen Proceßsache wegen Turbation der Jagdgerechtigkeit abgegebenen Erkenntniß heißt es, unter Bezugnahme auf die Miscell. histor. jurid. Mecklenb. IV, 1749, pag. 86: "Daß die 4 Hufen (der Polizeiordnung von 1572) nicht als Haken- oder Bauerhufen, sondern als Ritter-Hof- oder Landhufen im Sinne der damaligen Bezeichnungen zu nehmen seien, war längst nicht mehr zweifelhaft." Die in den Miscellanea 1. c. abgedruckte Proceßschrift will den Nachweis führen, daß derjenige, welcher nicht 4 Landhufen, die Hufe zu 100 Scheffeln gerechnet, auf einer Feldmark besitzet, keine separirte Schafhütung und Hürdenschlag halten könne.

Ein Blick in jene Proceßschrift und in die dort angezogene Anlage A sub c ergiebt die völlige Werthlosigkeit derselben für die meklenburgischen Verhältnisse, wie solche zur Zeit der Polizeiordnung noch bestanden, und als Grundlage für eine gesetzliche Bestimmung in Bezug genommen werden durften; die sogenannte Landhufe zu 100 Scheffeln 7) gehört einer viel späteren Zeit willkürlicher administrativer Regulirungen an und hat nur für das Domanium vorübergehende Geltung gehabt. Sodann ergiebt die angezogene Anlage A sub c (Miscell. 1. c. pag. 93), daß im Jahre 1681 zu Geifswald erkannt worden, daß Kläger wohl berechtigt auf seinen - 8 wüsten Bauerhufen eine Schäferei anzulegen.

Hieraus wird gefolgert, daß in Meklenburg "8 Bauerhufen, so 4 Landhufen ausmachen", gleichfalls erfordert werden - weil die pommersche Landesgewohnheit mit der Meklenburgischen fast einerlei sei." - Es ist hierbei übersehen, daß in Pommern durch einen Act der Gesetzgebung, zur Beseitigung von Ungewißheiten bei den Steueranlagen, im Jahre 1616 bestimmt wurde, daß 15 Morgen für eine Hakenhufe, 30 Morgen für eine Landhufe, 60 Morgen für eine Hägerhufe gerechnet werden sollen (von Bilow, Abgabenverhältnisse in Pommern, 1843, S. 122), während für die Kurmark Brandenburg um die Mitte des vorigen Jahrhunderts festgesetzt wurde, daß in allen königlichen Aemtern und Domainen nur einerlei Art von Hufengröße zu 30 Morgen à 180 ?Ruthen Magdeburgisch (gegen den pommerschen Morgen à 300 ?Ruthen, der 16füßigen Ruthe!) angenommen werden solle. (Scholz, Provinzialrecht der Kurmark Brandenburg, 1854, Band I, S. 52. 53). Es dürfte hieraus zur Genüge erhellen, daß von den oben gedachten Bestimmungen des pommerschen oder des märkischen Rechtes für Meklenburg kein Gebrauch zu machen; ein Unterschied zwischen Hakenhufen und Landhufen tritt bei uns seit der deutschen Besiedelung nirgends hervor; eine Veränderung in den Größenverhältnissen trat nicht ein, wenn Bauerhufen eingezogen wurden zur cultara propria dominorum; die Unterscheidung zwischen Hofhufen und Bauerhufen ist dader insoweit als eine fehlsame zu bezeichnen. Endlich spricht die Polizeiordnung nur von Bauern im Dorfe und von Hufen auf der Feldmark.

ad 2. Es ist schon oben bemerkt, daß ein Theil der ordentlichen Bede in Korn zu erlegen war, und daß diese Kornabgabe im Laufe des Mittelalters, sowohl in Pommern als in Meklenburg, den Namen Hundekorn, annona canina, frumentum canum, angenommen hat. 8)

Die Untersuchung darüber, wie diese Bezeichnung, welche bei uns später wieder durch den Namen Pachtkorn verdrängt wurde, entstanden sei, darf als völlig geschlossen noch nicht angesehen werden; wir verweisen dieserhalb auf die in Separat-Abdruck erschienenen Gutachten des weiland Staatsarchivars Dr. Klempin in Stettin und des Geheimen Archivraths Dr. Wigger, sowie auf die Einleitung und den Anhang vom Appellationsgerichts-Präsidenten Dr. Kühne, 1879. Uns interessirt nur, daß diese Abgabe sich nach Hufenzahl bestimmte, und daß gewöhnlich von jeder Hufe 6 Scheffel des dreifachen Korns - 2 Roggen, 2 Gerste, 2 Hafer - zu erlegen waren. (U.-B. X, S. 104, Ao. 1347; Schröder, Pap. Meklenburg II, S. 1363, Ao. 1357.)

Dies ist der Betrag der precaria major, welche zu Martini fällig war; daneben wurde in früherer Zeit noch eine precaria minor, in dem halben Betrage der ersteren, zu Walpurgis erhoben. Im Jahre 1303 schenkt Fürst Heinrich von Meklenburg der Johannitercomturei zu Nemerow 8 Hufen zu Staven, oder vielmehr die libertas und proprietas dieser Hufen - was mit der Aufgabe der fürstlichen Rechte gleichbedeutend war -, insbesondere cum precaria majori et minori. (U.-B. V, S. 115.) Die erstere beträgt nach der Urkunde 24 solidi slav. und 6 Scheffel des dreifachen Korns, die letztere die Hälfte, also eine Gesammtabgabe von 2 Mark 4 Solidi und 9 Scheffeln Korn von jeder Hufe. Wenige Jahre später werden die redditus in proventu seu pachto von 8 mansi in Staven, pro Hufe ein brandenburgisch talentum betragend, verkauft. Da für jene Zeit (U. -B. VII, S. 29, Ao. 1322) 1 Schilling brandenburgisch gleich gerechnet wird mit 28 slav. denar., so blieben neben der precaria für Pachtnutzung noch 46 2/3 solid. slav., nahezu 3 Mark; auch hier erreichte die ordentliche Bede in ihrem ursprünglichen Betrage die volle Hälfte des Pachtwerthes.




7) Vgl. die Landmesser-Instruction des Herzogs Friedrich Wilhelm vom 16. Novbr. 1703 bei von Gloeden, politisch prakt. Wochenbl. II, 1847, S. 348,
8) U.-B. X, S. 243, Ao. 1349.