Abschnitt 11

Es bleibt zum Abschluß unserer Arbeit noch übrig, die eben gedachten Beziehungen, soweit sie in der Gegenwart noch erkennbar, vorzuführen und daran einige Bemerkungen über wirthschaftliche und Größenverhältnisse der alten Hufen, sowie über die Feldmaße, nach welchen man rechnete, zu knüpfen.

Als Reste der alten bäuerlichen Hufenverfassung sind zu bezeichnen:


1. die Vorschriften der Polizeiordnung vom 2. luli 1572 im Titel "von Jagen", betreffend die Ausübung der Jagd durch mehrere Mitbesitzer, das sogenannte Vier-Hufen-Recht;

2. die Kornabgabe, welche von einer Anzahl von ritterschaftlichen Gütern in Meklenburg alljährlich an den landesherrlichen Kornboden als sogenanntes Pacht- oder Hundekorn zu erlegen ist;

3. die Meßkornabgabe der Meklenb. Kirchenordnung fol. 141 an die Pfarren von Hufen und Katen;

4. der den Pfarren zu deren Dotation nach Hufen beigelegte Landbesitz;

5. die Antheile, welche einzelne Hauptgüter oder die Großherzogliche Kammer in ritterschaftlichen Gütern besitzen.

Wir bemerken hierzu:

ad 1. Die Polizeiordnung von 1572 enthält eine Reihe von werthvollen Zeugnissen über den früheren Rechtszustand. Aus dem Titel "von Jagen" entnehmen wir zunächst, daß vor den Reversalen von 1621, Art. XIX, ein Jagdfolgerecht in Meklenburg noch nicht zur Anerkennung gelangt war, und daß zur Zeit der Polizeiordnung noch galt, was die Entscheidung des Bischofs Rudolf von Schwerin - zur Schlichtung verschiedener Streitigkeiten zwischen den Grafen von Schwerin und von Danneberg im Jahre 1262 ergangen (U.-B. II, S. 203) - bezeugt: item de venatione taliter ordinamus, quod nullus prosequetur feram iaventam in terra propria ultra disterminationem suam in terminis alterius.

Erwägt man, daß die ältesten Spuren des Jagdfolgerechtes bis in die Zeit der Volksrechte zurückreichen (Entscheidungen des Ober -Appell.-Gerichtes zu Rostock, Band VI, S. 114), und daß der Sachsenspiegel (II, Art. 61, §. 4) dasselbe schon in weiterem Umfange (den Bannforsten gegenüber) anerkennt ats die beinahe 400 Jahre späteren Reversalen, so dürfen wir hierin ein Zeugniß für die Abgeschlossenheit unserer Rechtsbildung im Mittelalter und für den geringen Einfluß der deutschrechtlichen Anschauungen auf unser Landrecht erblicken. Sebst für das Land Stargard, welches im 13. Jahrhundert die colonisirende Thätigkeit der Markgrafen von Brandenburg im reichen Maße erfahren hatte, gilt ein Gleiches. Mit Recht bemerkt Böhlau in seinem Landrecht I, S. 259: "Mit der territorialen Entwickelung des märkischen - auf dem Sachsenspiegel beruhenden - Landrechtes hat das meklenburgische Land Stargard keinen Zusammenhang."

Von größerem Interesse für den Gegenstand unserer Untersuchung ist die auf das Vierhufenrecht bezügliche Vorschrift der Polizeiordnung in demselben Titel.

Wenn auf demselben Gute sich verschiedene domini befinden, so wird wegen der Jagdberechtigung unterschieden, ob mehrere desselben Geschlechtes ein Dorf besitzen, oder verschiedene Geschlechter fast gleiche Antheile haben, oder endlich, ob bei einer Verschiedenheit der besitzenden Geschlechter ein Unterschied in der Art hervortritt, daß einzelne nur einen oder zwei Bauern im Dorfe und weniger als 4 Hufen auf der Feldmark besitzen; in diesem letzteren Falle findet Ausschluß von der Jagdberechtigung, in den beiden ersteren Fällen gemeinschaftliche Ausübung - die Koppeljagd - statt.

Das Bild der Besitzverhältnisse an Grund und Boden, welches aus diesen Bestimmungen entgegentritt, ist bezeichnend für jene Zeit. Man kann wohl sagen, daß, mit Ausnahme des landesherrlichen, des geistlichen und des städtischen Besitzes, die Zersplitterung der Besitzrechte an Grund und Boden in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters und zu Anfang der Neuzeit die Regel bildete. Es werden unausgesetzt aus demselben Gutscomplexe einzelne Bauerhöfe mit allen herrschaftlichen Rechten verkauft, verpfändet, durch Erbtheilung erworben; es sitzen mehrere ritterschaftliche Familien auf verschiedenen Höfen in demselben Gute; jeder Besitzer hat Hufen auf der Feldmark und Bauern im Dorfe; die Zahl der in propria cultura dominorum befindlichen mansi ist noch eine geringe, 4 bis 6, so viel als zur Aufrechterhaltung eines eigenen Haushaltes erforderlich schien; auch giebt es viele domini ohne herrschaftliche curia; zu diesen gehören vielfach städtische Bürger und geistliche Herren und Stiftungen. Das Creditbedürfniß wurde durch Verkauf oder antichretische Verpfändung einzelner Bauerhufen, oder auch der davon zu erlegenden Abgaben an precaria und census befriedigt; auch die bäuerlichen Dienste wurden verkauft und verpfändet. Zweierlei Momente waren es nun, welche ein Auseinanderfallen des Gutes in einzelne Parcelen verhinderten. Zunächst richtete sich der Anspruch des Lehnsherrn auf die gebührenden Lehnsdienste, insbesondere die Stellung des Lehnspferdes, dextrarius, gegen das ganze Gut; bei Theilungen und Abverkäufen mußte dieser Punkt besonders regulirt werden. Sodann - und dies war die Hauptsache - mußte Wald, Wiese, Weide, Torfstich, überhaupt Alles, was außerhalb des Hufenschlages der Dorfschaft lag, gemeinschaftlich bleiben, die gemeinschaftliche Nutzung nach Maßgabe der Hufenzahl wird allemal reservirt und zugestanden (U.-B. XIII, S. 56); also ein eigenthümliches Gemisch von condominium pro diviso und pro indiviso.