Das alte Indien, mit besonderer Rücksicht auf Ägypten. Erster Teil.

Autor: Bohlen, Peter von Dr. (1796-1840) Professor, Orientalist, Erscheinungsjahr: 1830

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Indien — Reisebeschreibung — Die Bajadere — Die Nautch — Auf indischen Bahnen — Indische Frauen — Die Götter Indiens — Die heilige Insel Sadhu Prawanath, der Märtyrer als untaugliches Objekt — Die Engländer als Herren Indiens — Von Fakiren, Yogin, Samnyasi, Gosain und andern Heiligen — Das Herz Indiens — Schlangenanbeter und Schlangenbeschwörer — Pakulwan, die Ringschule an der Ganga — Der lustige Musikant Europa in Indien — Das Land der Zewalior — Die Juden des Ostens — Die Waldmenschen Ceylons — Schweinestechen — Der Kraal von heute — Tote Städte im Dschungel — Wie ich in Ratnapura Edelsteine fand Galle-Face — Ali Baba und die vierzig Räuber — Die Stadt des Nabob — Die Ausgestoßenen
Den Freunden des Altertums übergebe ich hiermit die Archäologie einer Nation, die erst in den letzten vier Dezennien durch die Bemühungen der Britten immer mehr aus dem Dunkel hervorgetreten und seitdem, wenn auch anfänglich mit einigem Widerspruche, einen Platz unter den gebildeten Völkern der Vorzeit sich zu erwerben gewusst hat, den ihr die Zukunft kaum mehr wird streitig machen. Den ersten Antrieb, die Religion, Verfassung, Kunst und Wissenschaft des alten Indiens zum Gegenstande einer, wo möglich aus den besten Quellen geschöpften, Forschung zu machen, verdanke ich zunächst dem Studium des Sanskrit selbst, unter den beiden ausgezeichneten Kennern desselben, denen dieser Versuch geweiht ist. Ich wollte, und war es auch vorläufig nur uns zu eigner Belehrung, die unübertroffene Darstellung von Heeren, wo nicht beglaubigen, so doch zu zeigen versuchen, wie die Kenntnis der Sprache hier vieles ergänzen und manche fruchtreiche Ergebnisse noch gewinnen könne, die dem besonnenen Historiker notwendig hatten entgehen müssen, und es wird meinem Buche zu einer besonderen Zierde gereichen, wenn es auch da, wo es seinen eigenen Weg eingeschlagen oder die Heerenschen Ideen nicht immer genannt hat, mit diesen übereinstimmt und dasselbe Ziel erreicht. Eine andere, gleich mächtige Anregung entsprang aus dem so eben bemerkten Widerspruche gegen das Studium des Indischen Altertums von Seiten geachteter Philologen und Historiker, die zu Zeiten mit großer Bitterkeit wider dasselbe sich ausließen. Mitunter waren freilich die Gegner durch unhaltbare Hypothesen und durch ein gutgemeintes aber grundloses Erheben der Indischen Nation, auf Kosten der zivilisiertesten Völker des Altertums, gereizt worden; bei andern war die Unzugänglichkeit der Quellen eine, wenn gleich nicht zu entschuldigende, Ursache der gänzlichen Nichtbeachtung gewesen, und wiederum sprach bei einigen andern, die eben dann am wenigsten Anspruch gehört zu werden, machen können, der bloße Geist des Verneinens sich aus: im Allgemeinen aber wollte es den Anschein gewinnen, als seien gerade die harten und ungerechten Urteile allemal aus einer Unkunde mit dem alten Indien und mit dem Geiste der Orientalen überhaupt geflossen, und als fehle es an einem Werke, welches die Beweise für und gegen die angeregten Streitpunkte aller Art, mit möglichster Unparteilichkeit vollständig darböte. Ganz besonders vermisste ich eine Untersuchung, welche mit Umsicht und Kritik das im vorigen Jahrhunderte fast allgemein angenommene Vorgeben, welches noch jetzt seine Anhänger zählen mag, nach allen Seiten hin beleuchtete: als habe das alte Ägypten seine Kultur und Weisheit bis nach Indien hin ausgedehnt, und anfänglich war es mein Hauptaugenmerk, nach Kräften auf dasselbe einzugehen. Da indessen die Gründe für diese Meinung bei genauerer Ansicht immer schwächer, ja endlich als völlig unhaltbar sich bewiesen und die neueren Geschichtsforscher jene Hypothese entweder stillschweigend aufgeben, oder gerade das Entgegengesetzte mit einer weit größeren Wahrscheinlichkeit behaupten: so habe ich manches Dahingehörige zurückbehalten und mich im Allgemeinen begnügt, nur, wie der Titel besagt, einige Rücksicht auf das alte Niltal zu nehmen. Bei diesen Blicken nach Ägypten hin war es mir nun in den meisten Fällen genug, negativ zu verfahren und zu zeigen, dass die jüngeren Griechischen Zeugnisse keineswegs das hohe Alter der Ägyptischen Zivilisation in dem Maße beglaubigen, als man angenommen hat; es konnte oft hinreichen, auf die völlig analoge Bildung beider Nationen hinzuweifen und ich durfte eine vollständige Schilderung der Ägyptischen Altertümer, wie unter andern eine genauere Beschreibung der Baudenkmäler um so ruhiger vermeiden, wenn nur auf die ähnliche Grundlage und Struktur des ganzen archäologischen Gebäudes aufmerksam gemacht wurde. Daherkommt es, dass die Anweisungen auf Ägypten in der fortlaufenden Darstellung des alten Indiens fast verschwinden, aber sie werden hinreichend sein, um jene ältere Hypothese völlig zu vernichten und die neuere Ansicht von dem Indischen Einfluss auf Ägypten der Entscheidung um einige Schritte näher zu bringen. Die Hieroglyphen scheinen, auch wenn sie jemals entziffert würden, über diese Streitfrage keine Antwort zu geben, und da man, wie es scheint, noch nicht einmal über die Art des Lesens einig ist, so habe ich zwar die Bemühungen der Gelehrten auf diesem Felde des Scharfsinnes mit warmem Anteil verfolgt, aber von ihren Resultaten keinen Gebrauch gemacht. Wollte man darum sagen, wie es wirklich gesagt worden, dass ohne sie jede komparative Untersuchung über beide Nationen eine unreife Frucht sei, so will ich mit Gleichmut erwarten, dass sie als solche vor der Zeit abfalle, da mein Streben einzig und allein auf die Ermittlung der Wahrheit gerichtet war und jedenfalls doch die Anregung eines historisch antiquarischen Gegenstandes schon an sich einiges Interesse haben kann. Will man mir endlich noch eine gewisse Vorliebe für die Inder vorwerfen, so wolle man nicht vergessen, dass diese notwendig in der Sache selbst lag und die Ägypter in den Hintergrund treten mussten, sobald sie einmal eine sekundäre Stelle eingenommen hatten. Das apologetische Element ist es allerdings, welches in meinem Buche vor allem durchschimmert; es wurde im Laufe der Untersuchung gewonnen, und daher eben habe ich allenthalben meine Gewährsmänner genannt, einesteils damit man die Schwäche oder Schärfe der Argumente nach ihnen beurteilen möge, von der andern Seite aber auch, damit nicht fremdes Verdienst auf meine Rechnung komme. Die Archäologie muss notwendig alle ihre Sätze aus vorhandenen Dokumenten und Nachrichten entlehnen, sie muss nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauchs, aus zehn Büchern stets das elfte hervorgehen lassen, je nachdem sich die Hilfsmittel mehren, oder den Erfolg anders gestalten, und ein Schriftsteller, der bei seinem ersten Auftreten in diesem Fache seine Autoritäten verschweigen wollte, mag wohl den unzeitigen Stolz verraten, als könne er auch ohne Erweis für die völlige Richtigkeit des Dargestellten Bürgschaft leisten.

Was man bei diesem meinen Versuche, und gewiss mit einigem Recht, wird tadeln können, ist, dass manches wichtige sanskritische Werk aus dem Indischen Altertume selbst nicht benutzt worden, sondern dass ich häufig die entferntesten Nachweisungen nicht verschmäht und untergeordnete Quellen in Einen Bach zu leiten versucht habe. Dieser Mangel wurde durch meine, für ein solches Unternehmen ungünstige, Stellung hervorgebracht, an einer Akademie, deren Bibliothek mir bei einer so neuen Literatur nicht die erwünschten Hilfsmittel darreichen konnte, die sogar noch das sanskritische Wörterbuch von Wilson schmerzlich entbehren muss und, auch bei dem besten Willen der Herren Bibliothekare, die in England oder gar in Kalkutta erschienenen Werke nicht sofort herbeizuschaffen vermag. Zudem fühle ich es selbst nur zu lebhaft, dass es noch nicht völlig an der Zeit war, eine gründliche Indische Archäologie zu schreiben, und wie lückenhaft die meinige hat bleiben müssen: auch war es immer mein Plan, dieselbe noch einige Jahre zurückzuhalten und aus dieser Ursache allein, wird man im ersten Bande sogar die Benutzung der Symbolik und Mythologie von Creuzer vermissen, welche mir so unendlich wichtig hatte werden mögen, aber eines längeren Studiums bedurfte; aus dieser Ursache wird man eine Menge von Schriften über Indien, deren Titel ich recht wohl kannte, nicht aufgeführt finden, weil sie nicht in meinen Bereich kamen; — Verhältnisse, die nicht hierher gehören, bestimmten mich, dasjenige zu geben, was ich eben besaß, und so möge man dieses mit Freundlichkeit aufnehmen. Ergänzungen und Nachweisungen, die jeder wird machen können, dem eine reiche Bücherei zu Gebote steht, werde ich mit besonderem Danke annehmen, so wie ich schon in diesem Falle die Zuvorkommenheit meiner Freunde und Herren Kollegen öffentlich anerkennen muss,

Die Richtigkeit meiner Zitate, einzelne Zahlen abgerechnet, die durch das öftere Umarbeiten mögen verwechselt sein, darf ich ziemlich vertreten, da sie durch eigne Ansicht gewonnen wurden, nur haben im Laufe der Zeit verschiedene Ausgaben einiger Schriften benutzt werden müssen, ein Übelstand, dem ich nicht immer abzuhelfen im Stande war. Fremde Schriftcharaktere, obgleich unsere Offizinen durch die Freigebigkeit des Königlich-Preußischen Ministeriums damit versehen sind, habe ich vermieden und recht gern den bunten Flitter von Hebräischen, Arabischen und Indischen Wörtern aufgegeben, um Allen verständlich zu werden. Die Indischen Namen sind bald im Nominative, bald in ihrer absoluten Form angegeben, je nachdem Wohllaut oder Deutlichkeit es erheischte; das System, nach welchem sie geschrieben, findet sich da entwickelt, wo vom Sanskrit selbst die Rede ist. Die sonstige unstäte Orthographie, nach welcher bald Koran, bald Coran, Pengab und Penjab erscheint, wolle man übersehen, zumal da sich bei den Semitischen Alphabeten noch keine feste Regel für die Rechtschreibung mit Europäischen Schriftzügen gebildet hat.

                            Inhalt des ersten Bandes.

                              Einleitung.
§. 01. Ostpersien, die Vorhalle zu Indien. Kasmik, Kabulistan
§. 02. Indien. Name, Grenzbestimmung und Größe
§. 03. Flüsse: Ganges, Indus und deren Eigentümlichkeiten
§. 04. Hauptprovinzen des Landes
§. 05. Ostindische Inseln
§. 06. Ägypten: Größe und Bevölkerung
§. 07. Klima und Produkte von Indien und Ägypten
§. 08. Bevölkerung Indiens. Physische Ähnlichkeit der Inder und Ägypter. Zigeuner, Parias
§. 09. Volkscharakter der Inder und Ägypter
§. 10. Quellen über Indien: Griechen vor Alexander
§. 11. Fortsetzung: von Alexander dem Großen bis auf das sechste Jahrhundert unserer Zeitrechnung
§. 12. Fortsetzung: bis auf unsere Zeit. Kritik der Reisenden und Missionare
S. 13. Quellen über Ägypten

                    Erstes Kapitel. Historische Umrisse.

§. 01. Einheimische Geschichte der Inder. Nachrichten der Griechen
§. 02. Mohammedaner in Indien
§. 03. Europäer in Indien. Verwaltung der Englisch-Ostindischen Compagnie
§. 04. Geschichte der Ägypter. Kolonien. Kritik der älteren Sagengeschichte. Sesostris. Fremdlinge in Ägypten

                    Zweites Kapitel. Religion und Kultur.

§. 01. Religionsurkunden. Vedas. Erzurvedam
§. 02. Urreligion der Inder. Sonnendienst. Brahmaismus. Dionysusmythe. Siva- und Vishnucultus
§. 03. Lehre von der Gottheit
§. 04. Theorien über die Weltschöpfung
§. 05. Anthropologie. Seelenwanderung
§. 06. Volkstümliche Mythologie
§. 07. Tier- und Pflanzendienst der Ägypter
§. 08. Gleichförmigkeit der Griechischen und Indischen Mythen
§. 09. Trimurtis. Brahman, Vishnu, Siva
§. 10. Verkörperungen des Vishnu
§. 11. Lokapalas oder Welthüter
§. 12. Vermischte Götter und Göttinnen
§. 13. Personifikation und Heiligkeit der Erde
§. 14. Allegorische Wesen und Wundergestalten
§. 15. Gottesdienstliche Handlungen
§. 16. Bußübungen
§. 17. Feuer- und Wassertod
§. 18. Witwenverbrennungen
§. 19. Menschenopfer
§. 20. Buddhismus. Dessen Klöster und Hierarchie
§. 21. Lehre des Buddha
§. 22. Kirchliche Verfassung der Buddhisten
§. 23. Ritus und Zeremonien derselben
§. 24. Ausbreitung der Buddhisten
§. 25. Jainas und andere Sekten
§. 26. Sikhs
§. 27. Rückblicke auf die Indische Religion
§. 28. Christlich-häretische Gnostiker, ob verwandt mit den Buddhisten
§. 29. Christentum in Indien
§. 30. Nestorianer oder Thomaschristen

Bohlen, Peter von Dr. (1796-1840) Professor, Orientalist

Bohlen, Peter von Dr. (1796-1840) Professor, Orientalist

Indien 00 Karte mit Reiseroute

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Indien 003 Schiwa als Nateswera, der Herr der Tänzer (Trichinopoly)

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Indien 005 Mahadöh (Schiwa) und Dschaganmaki (Schiwatempel Trichinopoly)

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Indien 006 Ganescha, der Gott des Weisheit und des Handels (Tempel der Annapurna zu Benares)

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Indien 007 Wischnu als Krischna und seine Frauen Lakschmi und Saraswati (Tanjore)

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Indien 008 Felsentempel zu Trichinopoly

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Indien 01 Panorama von Bombay mit dem Hafen (vom Clock Tower aus)

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Indien 016 Kedarghat (Benares)

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Indien 021 Schlangenbeschwörer

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Indien 030 Itimad-ud-Daulah, Mausoleum der Nur-Jahan, Kaiser Jehangirs Frau

Indien 030 Itimad-ud-Daulah, Mausoleum der Nur-Jahan, Kaiser Jehangirs Frau