Das Wetter-Kreuz auf der Klaushöhe.

Aus: Illustrierter katholischer Kalender für 1861
Autor: Von K. Ringelmann., Erscheinungsjahr: 1861

Exemplar in der Bibliothek ansehen/leihen
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Unwetter, Regen, Sturm, Hagel, Blitz, Donner, Schäden, Umwelt
In der Nähe des weltberühmten Bades Kissingen steht einsam auf der Höhe eines Berges, mitten im Walde, eine Försterwohnung, der Klaushof genannt. Kaum eine Viertelstunde davon entfernt ist an einer Stelle, wo zwei Wege sich durchschneiden, ein Kreuz aufgerichtet. Es war an einem herrlichen Sommernachmittag, als ich mit einem Bauersmann von Großenbrach an diesem Platze vorüberging. Nachdem wir dem Kreuzbilde nach katholischer Sitte unsern Gruß gegeben hatten, sagte mein Begleiter: „Wissen Sie denn auch, welche Bewandtnis es mit diesem Kruzifix hier hat?" Da ich es verneinte und meinen Genossen um Aufklärung bat, erzählte er mir Folgendes:

„Das ist das Wetterkreuz auf der Klaushöhe. Vor ungefähr 190 Jahren war ein Pfarrherr zu Nüdlingen, der hieß Wernherr und stammte aus meiner Freundschaft. Der war ein gar frommer und gelehrter Herr. Er sprach wenig, und war den Tag über entweder mit seinen Büchern beschäftigt, oder er streifte durch Wald und Feld, um sich Kräuter zu sammeln, deren Heilkräfte er sehr genau kannte. Eines Morgens kam seine Schwester zufällig in sein Wohnzimmer und fand ihn sehr betrübt betend auf seinen Knien liegen. Auf ihr Befragen, ob ihm etwas fehle, gab er zur Antwort: „Bete, bete, wie ich, es wird heute noch ein großes Unglück geschehen. An uns wird es zwar vorübergehen, aber unser Gebet soll zum Himmel emporsteigen, auf dass unsere Nachbarn in der Umgegend nicht zu schwer von Gott heimgesucht werden. Es wird heute noch ein schreckliches Hagelwetter kommen und alles in der Umgegend zerstören."

Die Schwester suchte ihm das auszureden und sagte, er könne nicht in die Allmacht Gottes sehen und wissen, womit sie am Nachmittag die Menschen heimsuchen wolle.

Der Pfarrherr aber ließ es sich nicht ausreden und zeigte hin auf ein kleines, altes Kreuzlein, das auf seinem Pulte stand und sprach: „Schau dieses Kruzifixchen an, das ist ein Wetterkreuz, hochgeweiht in Rom und versehen mit einem Stücklein des heil. Kreuzes. Sobald es sich neigt, ist ein Unwetter im Anzuge und zwar von der Seite her, nach welcher es sich hinneigt. Es hat die Kraft, das Unwetter von unserer Markung abzuhalten, aber die Fluren von Großenbrach, Aschach und der Umgegend wird es hart mitnehmen, denn es ist nach jener Gegend hingeneigt. Darum wollen wir beten."

Noch war der Himmel ganz heiter und blieb es bis Nachmittag um 2 Uhr. Auf einmal kamen von Nordosten, also von der Rhön her, kleine schwarze Wölkchen, der Wind erhob sich, immer rascher und rascher zeigten sich die Wolken, immer dunkler wurde der Himmel, der Tag schien zur Nacht geworden, der Donner rollte um den ganzen Horizont, als wenn ein Donnerschlag den andern wach rufe. Die Wolken mit ihren kupferfarbenen und lichtgrauen Rändern verkündeten den nahen Hagel. Als aber das Unwetter gerade über der Markung von Nüdlingen stand und sich schon zu entladen drohte, da ward es wie von einer unsichtbaren Macht gepackt und wieder zurückgeschleudert. Die Wolken bäumten sich ordentlich auf, sie brachen sich, wie an einem unsichtbaren Hemmnisse und eilten mit gleicher Schnelle, wie sie gekommen waren, wieder zurück. Auf den Markungen von Großenbrach, [b]Aschach und Bocklet entleerte sich das Unwetter, zerstörte in wenigen Minuten die herrlichen Saaten, deckte die Dächer ab, warf Häuser und Scheunen nieder und richtete unsäglichen Schaden an.

Die Großenbracher und Aschacher konnten gar nicht begreifen, wie das kaum vorübergezogene Unwetter so schnell wieder zurückkehrte, bis endlich durch des Pfarrers Schwester verlautete, dass des Nüdlinger Pfarrherren Wetterkreuz die Ursache gewesen sei. Anfänglich wollten sie hinüberziehen und an dem Pfarrer ihren Schaden rächen, bis einer unter ihnen bessern Rat erteilte.

Auf diesen Rat hin wendeten sie sich mit der Bitte an den Pfarrherren, er möge ihnen doch auch ein solches Wetterkreuz verschaffen. Nach vielen Bitten gab er nach und ließ ihnen ein solches aus Rom kommen. Das nahmen die Großenbracher und Aschacher, zogen in feierlicher Prozession hinauf auf die Klaushöhe, von wo die Unwetter in der Regel heranziehen, richteten dort ein großes Kreuz auf, dasselbe, das wir vorhin gesehen, und verschlossen in dasselbe an einer verborgenen Stelle das Wetterkreuz. Seit dieser Zeit wurden die umliegenden Markungen nie mehr vom Hagel betroffen. —

Illustrierter katholischer Kalender 1861

Illustrierter katholischer Kalender 1861

Bauern beim Gebet

Bauern beim Gebet

Mönch bei der Andacht

Mönch bei der Andacht