Das Wesen der Kultur

Autor: Ziegler, Leopold (1881-1958) deutscher Philosoph, Erscheinungsjahr: 1903

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Kultur, Tradition, Deutschtum, Germanentum, Geschichte, Deutschland, Germania, Philosophie, Kunst, Patriotismus, Nationalismus, Volkstum, Dialektik, Zivilisation, Wissenschaft, Entwicklung,
„Wenn wir die Menschen nur nehmen wie
sie sind, so machen wir sie schlechter; wenn
wir sie behandeln, als wären sie, was sie sein
sollten, so bringen wir sie dahin, wohin sie
zu bringen sind.“

                Wilhelm Meisters Lehrjahre

Das Dasein und Wesen der Kultur im Allgemeinen zu behandeln, ohne der eigenen und gegenwärtigen Kultur zu gedenken, möchte ein unmögliches Unterfangen bedeuten. Selbst wenn ich es versuchen wollte, den Zustand unserer Gegenwart nicht absichtlich zum Ausgangspunkte meiner Untersuchungen zu wählen, selbst wenn sich mein eigenes Bewusstsein etwas mehr darüber zu täuschen versuchte, als dies tatsächlich der Fall ist: nämlich in Allem ein Mensch unserer Zeit zu sein, ja, sein zu wollen — so könnte mir der Vorwurf doch nicht erspart bleiben, das Wesen der Kultur durch eine Vergegenständlichung und Verallgemeinerung unseres eigenen beschränkten, geschichtlich doch nur einmal möglichen Kulturgedankens gedeutet zu haben. Man wird vielleicht sagen, dass eine vereinzelte geschichtliche Erscheinungsform, eine nur uns beherrschende Sehnsucht von mir irrtümlicherweise für Ziele und Zwecke der ganzen Entwicklung unseres mittelgroßen Planeten ausgegeben worden seien, dass alle meine Gedanken über diesen Gegenstand nicht von der Kultur schlechthin, sondern von einer Kultur, wie wir sie jetzt etwa wünschen, Zeugnis ablegten.

Dieser Vorwurf darf uns indessen nicht allzusehr erschrecken. Wir hätten ganz wohl die Gesamtheit aller in unserer menschlichen Geschichte auftretenden Völker in ihren Lebensäußerungen beobachten können, um so zu einer Deutung des Kulturbegriffes zu gelangen, die weit genug wäre, um alles menschliche Leben in seinen Äußerungsformen in sich zu befassen. Aber ich glaube, wir hätten diese Allgemeingültigkeit erkauft mit Flachheit und nichtssagender Alldeutigkeit. Wir wären vielleicht dazu gekommen zu behaupten, dass der Azteke und der brahmanische Arier, der Australneger und der Hellene, der Phönizier, der Karthager und der Jude ebenso wie der Perser, der Römer und der Germane unter irgend einer Form Jagd, Fischfang, Ackerbau, Industrie und Handel betrieben, dass sie ebenfalls Alle Waffen und Kriegsgeräte, Werkzeuge und Gebrauchsgegenstände anfertigten, dass sie irgendwelche Satzungen religiöser, ethischer und gesellschaftlicher Art beobachteten und in irgend einem Sinne nach Verfeinerung und größerer Behaglichkeit des Daseins trachteten. Und wir würden gefunden haben, dass ein Kulturbegriff, der sowohl den Tlinkits, den Eskimos, den Akwambu-Negern und den Papua als auch den indischen Brahmanen, den Deutschen oder den Engländern der Gegenwart gerecht würde, eine unsinnige und nichtssagende Oberflächlichkeit, eine allerleerste und geistloseste Abstraktion bedeutete.

Es geht uns hier genau so, wie etwa dem Kunstphilosophen. Wollte man das Wesen des Kunstwerkes statt aus den Werken des Genius aus denjenigen des Stümpers oder aus den primitiven Anfängen künstlerischer Schöpfungen, aus den Tänzen, Spielen und Schnitzereien der Wilden, bestimmen, so gelangte man wohl nie zu einer Erkenntnis der Schönheit und ihres Wesens. Deswegen hat Kant offenbar mit Recht die Kunst ganz einfach als „Kunst des Genies“ bestimmt, — freilich, ohne damit mehr als die Richtung anzugeben, die zu einer Erkenntnis dieses Mysteriums führen könnte. Aber zweifellos: Niemand vermöchte die Bedeutung der Bildhauerei zu ermessen, der nicht die Werke des Phidias, Polykleitos und Praxiteles, des Donatello und Michelangelo begriffen hätte. Und diesen selben Weg müssen auch wir einschlagen. Um zu wissen, was Kultur sei, müssen wir die Kultur in ihren herrlichsten und gelungensten Sichtbarwerdungen und Kundgebungen anschauen und ergründen, unter den Rassen und Völkern die Genies suchend, wie der Philosoph der Kunst unter den Künstlern. Die Vertiefung in den Anblick der genialen Völker, die Erkenntnis der wesentlichen, bei der Gestaltung ihrer Kulturen gemeinsamen Grundtätigkeiten und Triebfedern: das allein konnte uns befähigen, an unsere Aufgabe heranzutreten.

Aber wenn es auch in Ansehung der Erfahrung notwendig war, uns bei der Deutung des Kulturbegriffes auf wenige, vorzüglich begabte Rassen zu stützen, so können wir doch andrerseits auf eine letzte Einheit des Zweckes in der menschlichen Gattung nicht verzichten. Sollen wir an eine metaphysische Bedeutung der Kultur glauben, an eine mehr als nur notwendige Ausdrucksform zufällig sich entwickelnder Rassen, so ist es unmöglich, die Überzeugung von einer verknüpfenden, logischen und immateriellen Einheit zu entbehren — genau wie der religiöse Mensch an die Erlösungsmöglichkeit der ganzen Welt glauben muss, obzwar er unter allen Geschöpfen nur die Menschen und unter ihnen nur wenige Auserwählte mit der Fähigkeit begabt sieht, ein in der Gottheit geheiligtes Leben zu führen. So wenig die Religion täuschungsvoll ist, weil es nur wenige auf der Erde sind, welche tatsächlich Religion haben, so wenig darf es der Glaube an eine metaphysische Bedeutung der Kultur sein, weil uns etwa die Erfahrung nur wenige Volker und Rassen zeigt, die zu einer Kultur berufen waren. Zu tief sind wir Deutschen seit Lessing, Herder und Hegel von dieser Hoffnung durchdrungen, als dass wir nicht über alle Erwägungen hinweg den Gedanken einer möglichen Erziehung des Menschengeschlechtes festhalten sollten.

Freilich wird diese Idee etwas anders zu fassen sein als früher, und es wurde hier in diesem Sinne versucht, jene ältere Auffassung der Menschenkultur mit der noch jungen Erkenntnis zu vereinigen, dass Kultur auf wenige glückliche Zeiten und Rassen beschränkt ist. Ich war endlich wieder des Postulates jeder Geschichts- und Kulturbetrachtung überhaupt eingedenk, dass nämlich Geschichte und Kultur logisch sein müssten, um von uns verstanden zu werden. Ich will nicht verhehlen, dass es von der Stellungnahme zu dieser kühnen Forderung letzten Endes abhängig sein wird, ob man mir hier recht gibt oder nicht. Indessen hat mich auch bei dieser Gelegenheit die Hoffnung bestimmt, dass unsere zerfahrene und glaubensarme Gegenwart wieder zu dem starken und männlichen Glauben jenes Philosophen gelangen wird, der gesagt hat: „Was im Leben wahr, groß und göttlich ist, ist es durch die Idee . . . von der Größe und Macht des Geistes kann der Mensch nie groß genug denken. Das verschlossene Universum hat keine Kraft in sich, welche dem Mute des Erkennens Widerstand leisten könnte, es muss sich vor ihm auftun und seinen Reichtum und seine Tiefen ihm vor Augen legen und zum Genüsse bringen.“ (Hegels Encyklopädie, S. XI.). Diese Zuversicht scheint sich zu decken mit den Worten, die wir schon in den Sûtras des Vedânta finden:

        „Über den Geist ist nichts erhaben,
        Er ist Endziel und höchster Gang.“


Gleichwie dem Geologen die Furchen eines sedimentären Gesteines die Wellen des vor abertausend Jahren darüber hin gewallten Ozeans verkündigen, so uns auch die Spuren beschränkter und vereinzelter Kulturen einen ewigen sich selbst gleichenden objektiven Geist. So lasset uns denn mit starker Hand den Vorhang des Tempels zerreißen und mit dieser Überzeugung in das Allerheiligste der göttlichen Wohnung eindringen, um den Kulturgeist am Werke selbst zu überraschen ....

Persönlich habe ich hier nur meinem guten Emil Rudolf Weiss innigen Dank zu sagen für die Ausstattung dieses Buches.

        Woran liegt es, dass wir noch
        immer Barbaren sind?

                        Schiller

Schon lange vor dem heftigen und erbitterten Kampfe um das Gesetz der Biologischen Entwicklung hatte der Mensch versucht die Frage nach einer andern Art des Aufstiegs zu beantworten: nach demjenigen seines eigenen Geistes und Wesens, wie es sich in den mannigfachen Ausdrucksweisen als Kultur offenbart. Es hat Deren gegeben, die hier überhaupt jede Entwicklung für ausgeschlossen hielten, die überall und immer nur die sich selbst gleichende Torheit und Schwäche des menschlichen Geistes zu finden behaupteten, wie Arthur Schopenhauer. Andere wussten die erstaunlichen Fortschritte der eigenen Vernunft nie hoch genug zu bewundern, sie schienen voll Ehrfurcht vor dem menschlichen Wesen selbst zu sein und sie besaßen einen tiefen und naiven Glauben an unser gemeinsames Vermögen, so naiv, dass die Gegenwart ihr zweifelndes Lächeln hierüber nicht ganz unterdrücken kann, wie bei Fichte oder Hegel. Schließlich fanden sich Einzelne, welche dieses unbedingte Vertrauen fürchteten, und seit der erschütternden Klage Hesiods haben sie immer wieder getrauert: „möchte ich doch nicht gehören zum fünften Geschlecht; wäre ich lieber vorher gestorben oder später erst geboren.“ Sie fassten ihre nie verstummende Sorge um die fortschreitende Verkümmerung dieses Geschlechts entweder in ein tiefsinniges Symbol der Metaphysik, wonach der Verlauf des irdischen Daseins als ein stetiges Herausfallen aus der unmittelbaren Nähe Gottes, als eine zunehmende Entfernung und Flucht von dem Mittelpunkt des währen Seins gedeutet wurde, wie bei Plotin und Schelling; — oder sie beantworteten diese Frage vom Standpunkt der Historie und gingen statt von Gott oder dem ewigen Urmenschen, Adam Kadmon von dem glücklichen Zustand eines vorgeschichtlichen Menschen aus, der, wer weiß aus welchen Gründen, der Entartung schutzlos preisgegeben worden war. Diese Anschauung vertraten einige Philosophen und Dichter wie Jean Jacques Rousseau, Gobineau, Richard Wagner und in etwas anderem Sinne Friedrich Schiller.

Von allen diesen Meinungen und Betrachtungsweisen scheint der Glaube an einen sicheren Aufstieg der menschlichen Kultur, wie sie allgemein als Gesamtheit der geistigen Ausdrucksformen begriffen wird, den Menschenverstand am meisten für sich zu haben. Es pflegt niemand so a priori von jenem überzeugt zu sein als der durchschnittliche Mensch der Gegenwart. Allerdings sind es gerade eine Anzahl der tiefsten und seltensten Geister, welche dieser Überzeugung ihre eigene schroff gegenüberstellen. In dem hieraus entstehenden Widerstreit glauben beide Gegner im Namen der Kultur zu sprechen und Jeder verurteilt oder billigt die geistige und sittliche Beschaffenheit seiner Zeit aus demselben Grunde — nämlich um der Kultur willen. So rechtfertigt man in unserer Gegenwart das auf die Lebensgesamtheit angewandte Gesetz der fortschreitenden Arbeitsteilung mit seiner zunehmenden Besonderheit durch die Behauptung, dass diese zum Fortschreiten der Kultur heilsam, ja notwendig sei. Dagegen steht die andere Meinung, welche dieses Gesetz in seiner gegenwärtigen Gestaltung verwirft, eben weil es die Kultur zersetze und zerstöre, welche es zu fördern vorgibt. Um einerlei Liebe willen sagen sie ja und nein; der Eine weist zurück, was der Andere fordert, und worauf dieser seinen Glauben an die Tatsache einer Entwicklung gründet, hat jener seinen Zweifel gestützt.

So ist es für beide Teile bedeutsam, dass sie den Begriff der Kultur an ganz verschiedenen Maßstäben messen. Während die gemeine Meinung des Fortschrittes die Entwicklung der Kultur nur an dem Grade ihres zunehmenden Wohlbefindens misst und von diesem aus über das Vor oder Zurück zu urteilen sich erkühnt, steht vor dem geistigen Auge der Anderen das vollendete Bild des seinsollenden Menschen, mit welchem sie einzig das Aussehen ihrer Zeitgenossen vergleichen. Hier stoßen wir schon auf die tiefere Ursache für die sich entgegenstehenden Anschauungen: sie ist in den grundverschiedenen Normen der beiden urteilenden Gegner zu suchen. Der gegenwärtige Mensch, der sich im Durchschnitt mehr, als er selbst weiß, von den Strömungen seiner Zeit fortgerissen erblickt, der selten mit den Augen des Einzelnen, sondern fast immer nur mit denselben einer ganzen Generation sieht, besitzt in sich gar kein Maß, an welchem er das Unzulängliche seiner eigenen Kultur — oder ihr etwaiges Zuviel, richtig abschätzen könnte. Die Lebensfrage des Mannes der Gegenwart ist fast identisch mit der Frage seines Berufs, und er ist nicht mehr Mensch, als er einen mechanischen Arbeitsfaktor des augenblicklichen Staatslebens darstellt. Wenn er jemals dazu gelangt, sich das Problem einer Kulturentwicklung oder einer Verkümmerung vorzulegen und an der Hand der Historie die Gegenwart mit der Vergangenheit zu vergleichen, so muss ihm daher wohltätig der ungleich geringere Aufwand an persönlicher Tüchtigkeit und Selbständigkeit auffallen, welche der heutige Mensch auf bieten muss, um zu einer befriedigenden Stellung innerhalb der Natur und der Menschheit zu gelangen. Er wird ferner geneigt sein, die Tatsache eines überpersönlichen Staatsapparats, welcher den Einzelnen immer mehr von allen mehrseitigen Betätigungsweisen befreit, als ein großes Glück zu schätzen, und anerkennen, dass der Kampf um das Dasein heute in weitaus höherem Grade von der unpersönlichen, anonymen Gesellschaft als von dem auf sich gestellten Einzelmenschen ausgetragen wird.

Ganz anders stellt sich die heutige Kultur demjenigen dar, der sie nach dem Bilde des im Sinne des Wortes humanistischen, rein menschlichen Ideals beurteilt. Er trägt, vielleicht ohne Bewusstsein, in alle Lebensverhältnisse seine Idee des Menschen, um alles an f ihr zu messen, wie Plotin die Schönheit der Dinge an ihrem intelligiblen Urbilde. Sobald diese Idee, das rein menschliche An-Sich des Menschen, als Postulat der Geistesentwicklung aufgefasst wird, tritt auch der schroffe Gegensatz zu Tage zwischen jenem Urbilde und dem geschichtlich gegebenen Abbilde in der Zeitlichkeit. An den reinen, truglosen Zügen dieses ewigen Menschen gemessen sinkt das Antlitz des gegenwärtigen zur widerlichen Fratze herab und der unglückseligste Gegensatz lässt nur zu leicht den Entartungsglauben rechtfertigen. Dieses urbildliche Ideal hätte der Kulturprozess zur Erscheinung bringen müssen, die Züge dieses Menschen sollten uns auf Schritt und Tritt in unserer Gegenwart begegnen, um uns von dem einzig möglichen Kulturfortschritt zu überzeugen: von demjenigen der immer mehr adäquaten Verwirklichung der Gattungsidee. Es ist eine Eigentümlichkeit dieses mit der umgebenden Welt unzufriedenen Menschen, bald die Vergangenheit mit seinen Einbildungen und Sehnsüchten zu bevölkern und fast unwillkürlich muss er dazu gelangen, den gegenwärtig nicht daseienden Typus des Menschen schlechthin in irgend einer Zeit der Historie zu suchen. Leicht wird der ideale Mensch zu einer vermuteten Wirklichkeit in der Geschichte und die Idee der Gattung wird unvermerkt eins mit einem Vorbilde der Vergangenheit. Bald ragt dieser einstige Typus drohend in die Gegenwart, die sich nun von einer historischen Tatsache um so ungünstiger und freudloser abhebt, als jetzt gar nicht mehr einzusehen ist, warum heute nicht sein soll was einstmals tatsächlich war. Wenn es noch verzeihlich schien, dass der Mensch hinter seiner Idee (im Sinne Platon-Plotins) zurückgeblieben war, wenn noch eine leise Entschuldigung stattfand mit der notwendigen Unvollkommenheit aller irdischen Realität, so kann jetzt der Mensch gar nicht mehr gerechtfertigt werden — denn was ihm jetzt mangelt, hat er ja früher besessen. Nichts scheint somit gefährlicher, nichts dem Menschen selbst tieferes Unrecht zu tun, als dieser Glaube an sein eigenes Ideal, sofern es sich instinktiv vermischt mit dem Bild einer geschichtlichen Vergangenheit; — denn nichts führt sicherer zur gänzlichen Verneinung der gegenwärtigen Menschheit, zu ihrer erbitterten Verurteilung oder — was vielleicht die größte Unsittlichkeit von uns ist: zur Menschenverachtung. Und doch lauert die eine oder die andere dieser Ungerechtigkeiten im Grunde alles Dessen, was man mit dem Begriffe des Humanismus kennzeichnen wollte.

Man sieht: es ist keine sehr einfache Sache, die Lage des Menschen, die Beschaffenheit seiner geistigen Fortschritte zu beurteilen, so sicher auch die Anschauung von einer materiellen Vervollkommnung bestehen mag. Es ist unmöglich, hierüber eine einigermaßen sichere Meinung zu gewinnen, ehe man sich nicht eins geworden ist über ein gleiches Maß, das Jeder an den Menschen zu legen habe. So wenig die Fortschritte der materiellen Möglichkeiten etwas Gültiges über diejenigen des Menschen aussagen lassen, so wenig ist der Vergleich mit irgend einem — fast immer mehr oder minder geheiligten und verklärten — Bilde der Historie gerechtfertigt. Zu Dem, was wir sein sollen, trägt die Kenntnis des Griechen oder des Menschen aus der italienischen Renaissance oder des ersten Christen nichts bei, und ob die Kultur entartet sei oder sich gesteigert habe, kann ein Vergleich mit jenen niemals lehren. Es ist somit sichtbar, dass die Möglichkeit einer gerechten Entscheidung zwischen diesen Behauptungen und Streitigkeiten nur dann vorhanden ist, wenn eine Einigung über das zum Maß erhobene Prinzip erzielt werden könnte, wenn der Eine die Kultur nicht an einem ganz anderen Begriffe von ihr abschätzte, als der Andere, wenn sich Alle über einen einzig gültigen Kulturbegriff verständigten. Ich finde, dass fast alle Kämpfe über diese Dinge verloren sein mussten, weil Niemand einen gemeinsam anerkannten Kulturbegriff voraussetzen durfte, weil, solange man von der Kultur sprach, fast noch nie bestimmt wurde, was Kultur sei. Es gibt nicht leicht einen viel gebrauchten Begriff, der so vieldeutig und so wenig gedeutet zu gleicher Zeit wäre, als denjenigen der Kultur. Vielleicht ist es der Philosophie nicht unwürdig, hier eine größere Klarheit zu schaffen und den Versuch zu unternehmen, die Kultur aus Dem zu begreifen, aus welchem sie einzig verstanden werden kann: aus der Notwendigkeit ihrer Entstehung, aus dem Zweck, den sie dem Menschen bei ihrer Entstehung erfüllte. Wenn wir wissen, wie die Kultur geworden ist und wie sie noch immer wird, mögen dann alle anderen Rätsel hierüber von selbst gelöst werden.

Das Wesen der Natur, Cover

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Ziegler, Leopold (1881-1958) deutscher Philosoph

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Aristoteles (384-322 v. Chr.) griechischer Philosoph, Dichter und Staatsmann

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Beethofen, Ludwig van (1770-1827) Komponist

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Biedermann, Karl (1812-1901) deutscher Politiker, Publizist und Professor für Philosophie

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Boeckh, August (1785-1867) deutscher klassischer Philologe und Altertumsforscher

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Feuerbach, Ludwig (1804-1872) deutscher Philosoph und Anthropologe

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Fichte, Johann Gottlieb (1762-1814) Erzieher und Philosoph

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Goethe, Johann Wolfgang von (1749-1832) Dichter und Universalgelehrter

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Hegel, Georg Friedrich Wilhelm (1770-1831) deutscher Philosoph

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Herder, Johann Gottfried (1744-1803) Dichter, Übersetzer, Theologe, Kulturphilosoph

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Kant, Immanuel (1724-1804) deutscher Philosoph

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Lessing, Gotthold Ephraim (1729-1781) bedeutender Dichter der deutschen Aufklärung

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Nitsche, Friedrich (1844-1900) klassischer Philologe, Philosoph, Dichter und Komponist

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Platon (428 v. Chr. bis 348 v. Chr.) antiker griechischer Philosoph

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Plotin (204 n. Chr. bis 270) antiker Philosoph

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Schiller, Friedrich (1759-1805) Dichter, Philosoph und Historiker

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Schopenhauer, Arthur (1788-1860) Philosoph, Autor, Hochschullehrer

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Rousseau, Jean-Jacques (1712-1778) Genfer Philosoph, Pädagoge, Naturforscher, Komponist

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Wagner, Richard (1813-1883) Komponist, Dichter, Schriftsteller, Dramaturg

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Schelling, Friedrich Wilhelm (1775-1854) Philosoph

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Mozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791) österreichischer Musiker, Komponist

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