§. 08. Die Gebirge als Verdichter


81. Um unsere Betrachtungen über den Vorgang des atmosphärischen Niederschlags zu vervollständigen, müssen wir die Tätigkeit der Gebirge mit in Betracht ziehen. Stellen Sie sich einen Südwestwind vor, welcher über den Atlantischen Ozean nach Irland bläst. Auf seinem Wege belädt er sich mit Wasserdampf. Im Süden von Irland stößt er auf die Berge von Kerry; der höchste von diesen ist Magillicuddy's Reeks in der Nähe von Killarney. Die niedrigste Schicht dieses atlantischen Windes ist diejenige, welche am meisten Dampf enthält. Wenn nun der Wind den Fuß der Kerry Mountains erreicht, wird er umgekippt und fließt in inniger Berührung über sie fort. Hierdurch wird seine Ladung Dampf in die Hohe befördert, auf der Höhe angekommen, dehnt er sich aus, infolge der Ausdehnung wird er abgekühlt und kommt in reichlichen Regenschauern hernieder. Daher kommt in der Tat die üppige Vegetation von Killarney; und diesem Umstande verdanken die dortigen Seen ihren Wasserreichtum. Die kalten Bergkämme tragen gleichfalls zum Vorgange der Verdichtung bei.

82. Betrachten wir nun die Folgen hiervon. Im Südwesten des Berges Magillicuddy's Reeks liegt eine Stadt, Namens Cahirciveen, in welcher Beobachtungen über den Regenfall gemacht worden sind, und ein gutes Stück weiter nach Nordosten, gerade auf dem Wege des Südwestwindes, liegt eine andere Stadt, Namens Portarlington, in welcher ebenfalls Beobachtungen über den Regenfall gemacht worden sind. Aber bevor der Wind die letztere Station erreicht, ist er über die Berge von Kerry gegangen und hat einen großen Teil der Feuchtigkeit zurückgelassen. Was ist die Folge davon? In Cahirciveen beträgt der Regenfall, wie Dr. Lloyd gezeigt hat, 59 Zoll im Jahre, während er in Portarlington nur 21 Zoll im Jahre beträgt.


83. Ferner gibt es Zeiten, wo man von den Alpen bei schwerem, unaufhörlichem Regen und Schneefall nach Italien heruntersteigt und den Himmel über der lombardischen Tiefebene blau und wolkenlos findet, während der Wind zu gleicher Zeit über die Ebene gegen die Alpen weht. Unten ist der Wind warm genug, um seinen Dampf in vollkommen durchsichtigem Zustande zu erhalten; aber er trifft auf die Berge, wird umgestülpt, dehnt sich aus und kühlt sich ab. Die Kälte der hohen Gipfel trägt zur Abkühlung bei. Die Folge hiervon ist, dass der Dampf als Regen und Schnee sich niederschlägt, hierdurch auf den Hohen schlechtes Wetter hervorbringt, während die Ebene unten, über welcher dieselbe Luft schwebt, den Anblick der unbewölkten Sommersonne genießt. Wolken, welche von den Alpen kommen, werden auch zuweilen über der lombardischen Ebene aufgelöst.

84. In Verbindung mit der Wolkenbildung durch Berge mag hier eine besonders lehrreiche Wirkung angeführt werden. Sie sehen häufig eine viele hundert Ellen lange, fahnenähnliche Wolke von einer Alpenspitze ausgehen. Ihr Stand scheint sieh vollkommen gleich zu bleiben, obgleich ein starker Wind zu gleicher Zeit über den Berggipfel weht. Weshalb wird die Wolke nicht fortgeblasen? Sie wird weggeweht; ihr Beharren ist nur scheinbar. An dem einen Ende wird sie fortwährend aufgelöst, am andern Ende fortwährend neu gebildet. Zufuhr und Verbrauch sind dergestalt ausgeglichen, dass die Wolke ebenso unveränderlich erscheint wie der Berg, an welchem sie zu kleben scheint. Wenn die rote Abendsonne auf diese Wolkenfahnen scheint, gleichen sie großen Fackeln, deren Flammen durch die Luft wehen.