Das Unwetter vom 13. Mai 1827 in Gmünd

Nach einem zeitgenössischen Bericht. Aus: Gmünder Heimatblätter 3, 1930, S. 13-15
Autor: Albert Deibele (1889-1972) deutscher Pädagoge, Archivar, Heimatforscher, Dichter, Gmünder Stadtarchivar, Erscheinungsjahr: 1930

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Unwetter, Regen, Sturm, Wasserstand, Hochwasser, Zerstörung, Unglück, Gmünd, Bettringen, Bargau, Zimmern, Hussenhofen, Oberbettringen, Donner, Gewitter, Steinmassen, Fluten, Regen, Erdreich, Schlamm, Wasserströme, Klima, Umwelt, Starkregen, Schäden,
An der Herrgottsruhkapelle befindet sich eine Merktafel zur Erinnerung an das schreckliche Unglück vom 13. Mai 1827, das mit dürren Worten meldet:
„Am 13. Mai 1827 abends zwischen 8 und 9 Uhr ist das Wasser bis zu diesen Zeichen gestiegen.“
Das Zeichen befindet sich etwa 1,8 Meter über dem Erdboden. Mancher mag schon zweifelnd vor dem Zeichen gestanden sein und vermutet haben, dass es wohl bei baulichen Veränderungen an der Kapelle versetzt worden sei. Aber eine gleichlautende Inschrift an der Gewerbebank in der Ledergasse zum Gedenken an dasselbe Hochwasser zeigt eine Wasserhöhe von etwa einem Meter, so dass der hohe Wasserstand an der Herrgottsruhkapelle wohl möglich ist. Grimm berichtet in seiner Chronik ziemlich ausführlich über dieses Hochwasser. Er hat es ja als 6jähriges Kind selbst erlebt. Sein Bericht ist schon öfters in den hiesigen Tageszeitungen mit und ohne Quellenangabe abgedruckt worden. Bei meinen Nachforschungen nach dem Leben des Chronisten Grimm stieß ich in den Pfarrakten zu Oberbettringen auf einen weiteren zeitgenössischen Bericht über das Hochwasserunglück. ER ergänzt den Grimmschen Bericht in manchen Stücken und dürfte namentlich in den von dem Hochwasser betroffenen Gemeinden Gmünd, Bettringen, Bargau, Zimmern und Hussenhofen mit besonderem Interesse gelesen werden. Der Bericht stammt von Pfarrer Baier (gest. 1833) zu Oberbettringen und lautet wörtlich:
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„Dieses Jahr wird für Ober- und Unterbettringen noch viele Jahre hindurch unvergesslich sein. Der 13. Mai war nicht allein für den Pfarrbezirk sondern für den größeren Teil des Oberamts Gmünd ein verhängnisvoller Tag: Glänzend ging die Sonne am frühen Morgen hervor und verkündete den schönsten Tag, und niemand ahnte, dass dieser so traurig vollenden würde. Um die Mittagstunde stach die Sonne sehr heiß und zeigten sich einige maste Wolken als Vorboten eines Donnerwetters; allein auch der Nachmittag ging ungestört vorüber. Erst nach 5 Uhr abends ließ sich der Donner aus der Ferne hören, rückte immer näher, fielen große einzelne Regentropfen, die nach meiner schon gemachten Beobachtung nichts Gutes erwarten ließen, und so ging es auch. Es folgte ein kalter Wind aus den Gewitterwolken und darauf häufige Schlossen; aber nun gegen ½ 7 Uhr fing es heftig zu regnen an mit Schlossen vermischt. Der Regen wurde immer heftiger, und endlich erfolgte ein Wolkenbruch, der die heftigsten Donnerschläge kaum hörbar machte. Die Fluten strömten gewaltsam heran, und nichts war imstande, denselben Einhalt zu tun; alle Gräben waren augenblicklich ausgefüllt und nun bahnten sich die Wasserfluten ihren eigenen Weg. Auf dem sogenannten Bühl wütete das Wasser mit solcher Gewalt, dass Steinmassen von 6, 8, 10, ja bis 20 Zentner schwer herausgewühlt wurden. Der Weg, der vom Pfarrhause zur Kirche führt, wurde entzweigerissen, dass also das Pfarrhaus ganz mit Wasserströmen umgeben war, welche den bereits angepflanzten Krautgarten verwüsteten und das Erdreich mit sich fortrissen. So tobte, raste es fort bis gegen die 9. Stunde. Nun ließ des Regen etwas nach: aber niemand konnte vor Menge des Wassers aus seiner Wohnung. Die Nacht trat früher ein, vermutlich, weil sich die Gewitterwolken noch nicht ganz entleert hatten, wie auch gegen Morgen 3 Uhr gewaltsamer Regen erfolgte, und die Wasserfluten tobten und rauschten aufs Neue. Sehnlichst erwartete man die aufgehende Sonne als Verkünderin des Tages; sie führte zwar einen heiteren Tag mit sich; Aber welche traurigen Szenen der Verwüstung stellten sich dem Auge dar. Es waren mehrere Ortsbürger – unter anderem der Schultheiß Krieg, Gemeindepfleger Viehlmeier, Schullehrer Holl und dergl. - , während dies vorging, nicht zu Hause, sondern befanden sich in dem Filialort Unterbettringen, mussten da die ganze Nacht harren, und selbst am frühesten Morgen, am 14. Mai, konnten sie nicht auf dem gewöhnlichen Weg zu den Ihrigen zurückkehren, sondern über die Stadt Gmünd einen Weg suchen. Dies erzählten nun, welche Verwüstungen in Unterbettringen und in der Nähe der Stadt Gmünd vergangen. In dem Filialort Unterbettringen wurden das Wehr und die drei Brücken, die auf der Straße nach Gmünd liegen, von Grund auf zerstört und alles von den Fluten fortgerissen, alle Stege über den Bach waren fortgeschwemmt, und dieser hat sein Wasserbett bis auf eine Tiefe von 15 bis 20 Schuhe versenkt. Die Wasserwehren an der Rems wurden von Mögglingen bis gegen Lorch insgesamt zerstört, so dass auf mehrere Wochen alle Mühlen stillstanden. Um sich von den Verwüstungen die dieses Gewitter verursachte, einen näheren Begriff zu machen, will ich noch anfügen, dass sich der gerichtlich aufgenommene Schaden gegen 80.000 Gulden in beiden Orten Ober- und Unterbettringen belaufen hatte.

Die Stadt Gmünd entging dieser Verheerung nicht. In der Kreuzkapelle (vermutlich ist die Herrgottsruhkapelle gemeint) und Leonhardskirche wurden Altäre und Kirchstühle zerstört, an dem Gottesacker wurden die Mauern niedergestürzt. Bei dem sogen. Stegziegler drang das Wasser in den Kalkofen. Die Ziegelhütte kam in Brand. Wäre nicht vom jenseitigen Ufer der Rems Hilfe gekommen, da von der Stadtseite diese niemand leisten konnte, so hätte dieser Mann alles verloren. Die ganze Ledergasse stand unter Wasser und die Bewohner derselben erlitten einen sehr großen Schaden, weil nichts mehr konnte gerettet werden: Man schätzte, so viel ich vernahm, den angerichteten Schaden im Ganzen über 200.000 Gulden. Am traurigsten war die Szene der Verwüstung in dem Weiler Zimmern, an der Rems gelegen und ¾ Stunden von Oberbettringen entfernt. Ein Haus wurde von den Wasserfluten hinweggerissen und 3 Menschen verloren dabei ihr Leben; mehrere andere Häuser wurden stark beschädigt, über 80 Stück Vieh ertranken – kurz, es war eine schrecklich- traurige Szene. O möchte doch der liebe Gott uns und unsere Mitmenschen mit seinen schrecklichen Drangsalen nicht mehr heimsuchen!“

Die Überschwemmung in Böhmen 1872. Verwüstung im Dorfe Praskoles

Die Überschwemmung in Böhmen 1872. Verwüstung im Dorfe Praskoles