Das Turkmenische Pferd und die Alamane.

Aus: L’Asie Centrale, Impressions de voyage. 1886
Autor: Moser, H., Erscheinungsjahr: 1886
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Pferde, Perser, Zentralasien, Turkmenen, Pferdezucht, Orient, Tekke, Marco Polo, Vollblut, Rennpferde, Pferderennen, Araber,
Österreichische Monatszeitschrift für den Orient
Herausgegeben vom Orientalischen Museum in Wien
Redigiert von A. von Scala.
Zwölfter Jahrgang, 1886
Wie bei allen Turkmenen, finden wir auch unter den Tekke die tdjomrîs, die ansässige Bevölkerung, und die teharva’s, die Nomaden; die Herden bilden den einzigen Reichtum dieser Letzteren; sie betreiben Kameel- und Schafzucht, erstere liefert große und kräftige Tiere, während auch die Erzeugnisse der letzteren einer ausgezeichneten Rasse angehören. Vor Allem sind es ihre Pferde, welche sogar über die Grenzen Zentralasiens hinaus den besten Ruf sich erworben haben. Schon zur Zeit Alexanders des Großen waren die Pferde aus Sogdiana berühmt. Marco Polo, als er der vorzüglichen Pferde Zentralasiens erwähnt, welche der Legende nach von Bucephalos abstammen, sagt, sie hätten so harte Hufe, dass sie des Beschlagens entbehren könnten. Wenn auch das Tekke-Pferd in gerader Linie von dieser Rasse abstammt, so ist doch sein Blut öfter erneuert worden; so z. B. verteilte Timur, um es zu verbessern, fünftausend arabische Stuten unter die Turkmenen, und in unserem Jahrhundert beschenkte Nacz - ed - Din sie mit sechshundert weiblichen Tieren. Demungeachtet zeigt das heutige Tekke-Pferd nicht die charakteristischen Merkmale der arabischen Rasse, vielmehr sieht es dem englischen Vollblut ähnlich: gross, mager, mit schlanken Gliedern, schmaler Brust, langem und dünnem Hals, außerordentlich gehobenem Widerrist, manchmal plumpem Kopf und verhältnissmäßig wenig entwickelter Hinterhand. Diesem Pferde fehlt das Kennzeichen des arabischen: der hochansetzende Schweif. Das Tekke-Pferd hat oft eine sich herabsenkende Croupe und daher einen hässlichen Schweifansatz, Ramsnase, oder wenigstens geraden, beinahe immer plumpen und zum übrigen Körper nicht im Verhältniss stehenden Kopf; das Auge dagegen ist auffallend gross.

Die Tekke haben keine Gestüte; das Pferd wird in dem Aul (Dorf) aufgezogen und nur die Stuten folgen den Heerden der tcharva’s auf die Weideplätze; man reitet sie selten und benutzt sie nur für kurze Distanzen. Inmitten der Wohnorte aufgezogen, zeigt sich der Hengst beim Reiten fromm und von seltener Intelligenz.

Ein turkmenisches Sprichwort sagt: „Gilt es, aus dem Füllen ein Pferd zu erziehen, so erniedrigt sich der Eigenthümer zum Hund.“ Aber das ist nur eine faule Redensart, denn Striegel und Bürste sind dem Turkmenen unbekannt; die Pflege beschränkt sich auf das Allereinfachste. Mit dem Messer bewaffnet, schabt der Turkmene, immer in der Richtung des Haares streichend, das Pferd ab, und begnügt sich dann damit, dasselbe, sei es mit dem Aermel seines chalats, sei es mit einem Filzlappen, zu glätten. Das Füllen bleibt Tag und Nacht mit Filzdecken bedeckt, deren Anzahl mit seinem Alter zunimmt. Zwei oder drei Filztücher in Schabrackenform bedecken den gewöhnlich mit Wunden durchfurchten Widerrist der ausgewachsenen Pferde, und können nur mit der grössten Sorgfalt entfernt werden; der Tekke behauptet, dass die Luft und besonders die Sonne diesem so delicaten Theile des Rückgrates schädlich sei.

Auf diesen Filztüchern ruht der Sattel aus Holz und Horn — ähnlich dem Gestelle des alten ungarischen Sattels — ohne Sattelkissen und versehen mit einem länglichen aus Lanzeneisen verfertigten Sattelknopf. Die erste Decke, ein vielfarbiges Gewebe aus Seide und Kattun — welches das Pferd von der Geburt an vom Hals bis zur Croupe bedeckt — geht über den Sattel und wird vor der Brust zusammengebunden; ein zweites, grösseres Filztuch bedeckt das Pferd von den Ohren bis zum Schweifansatz, endlich vervollständigt eine gewöhnlich weisse und reichgestickte Decke den Aufputz des Renners.

Tekke-Pferd, Geschenk an Sr. Majestät den Kaiser.

Fünf Öffnungen in allen Filztücheern lassen den Sattelknopf, die Steigriemen und den letzten Gurt, welcher diese Deckenmasse zusammenhält, durchtreten. Nur an den Tagen der grossen Rennen wird das Pferd dieses Aufputzes befreit; die übrige Zeit, Sommer und Winter, Tag und Nacht bleibt das Wüstenross in seine warme Bekleidung gehüllt. Damit, sagen die Tekke, bringen wir das Fett unserer Reitthiere zum Schmelzen. Und in der That haben diese nur Muskeln. Die Oberhaut und das Haar sind in Folge dieser übertriebenen Bedeckung von einer Feinheit, wie man sie bei keinem anderen Pferde sieht. Das glänzende Haar leuchtet in den unwahrscheinlichsten Farben; man bemerkt Füchse von Bronze- und vieille or-Ton, der in der Sonne einen überraschenden Effect hervorbringt.

Das Aufziehen des Pferdes verstehen die Tekke gründlich; indem sie seine Leistungsfähigkeit fortwährend entwickeln, gelingt es ihnen, den Nahrungs- und besonders den Wasserbedarf auf ein unglaubliches Minimum herabzusetzen: getrockneter Klee wird durch gehacktes Stroh und unser Hafer durch mit Schaffett vermischtes Gerstenmehl ersetzt. In Krankheitsfällen wenden die Turkmenen sehr wenig Heilmittel bei ihren Pferden an: Aderlassen, Diät und empirische Behandlung spielen eine grosse Rolle; nichtsdestoweniger habe ich von diesem Volke mehrere Heilverfahren gelernt, welche mir gute Dienste geleistet haben. So habe ich z. B. Schulterlahmheit, durch das Auflegen eines in, mit Salz gesättigtem Wasser gekochten Filztuches auf die Schulter geheilt; was die auf der Reise so häufig vorkommenden Verwundungen des Widerristes betrifft, so haben mir dieselben — Dank der Behandlung der Tekke — nie ein Pferd dienstunfähig gemacht. Nachdem man die Wunde mit lauwarmem Wasser ausgewaschen hatte, liess ich während der Nacht einen Teig von, in heissem Wasser verdünntem Pferdemiste auflegen: den nächsten Morgen wurde die Wunde, nach einer sorgfältigen Waschung, immer mit lauwarmem Wasser, mit einem carbonisirten Filzlappen verbunden und vernarbte innerhalb vierundzwanzig Stunden.

Bei dem abgesattelten Pferde werden die Decken durch einen Gurt zusammengehalten, welcher viermal um den Körper herumgeht; das erste Mal da, wo wir das Pferd gurten, das zweite Mal kreuzweise unter dem Bauche in der Höhe der Lenden; so bekleidet wird das Pferd in der Nähe der Kibitka mittelst einer langen Schnur oder Kette angebunden. In Folge des fortwährenden Reibens der Decken am Halse entwickelt sich die Mähne nur schwach oder gar nicht; und wo sie sich zeigt, schneidet man sie mit der Scheere ab; der Tekke lässt dem Pferde nur das Stirnhaar; der Schweif ist lang, aber wenig buschig. Der Turkmene kennt die Stange nicht, der Zügel, dessen er sich bedient, ist dünn; erbenützt weder Sporen noch Reitgerte, welche beide bei der vielfachen Bedeckung des Pferdes ziemlich zwecklos wären; die winzige Peitsche, die er in der Hand führt, ist nur ein Spielzeug. Selten sieht man einen Tekke sein Pferd züchtigen und wenn dies einmal vorkommt, muss er die Filztücher, welche das Kreuz bedecken, aufheben — eine ziemlich umständliche Operation, während welcher seine Erregung genügend Zeit hat, sich zu legen.

Der Tekke reitet mit losem Zügel, seinem Pferde volle Freiheit lassend. Dieses trägt von Natur aus den Kopf sehr schön und wählt selbst mit einem bemerkenswerthen Instincte seinen Weg durch die steilen Engpässe des Gebirges.

Der Reiter sitzt sehr hoch im Sattel und ist durch die Decken gezwungen, seine Beine weit auseinander gespreizt und gerade zu halten, während der Fuss im beschuhten Bügel ruht. Im Galopp steht er, den Körper nach vorwärts gebogen, in den Bügeln.

Das Tekkepferd hat nur zwei Gangarten, den Galopp und einen Gang, welcher dem Passgang oder Dreischlag ähnlich ist; in dieser zweiten Gangart legt der Turkmene seine weiten Strecken von acht Tagen zurück, in welchen er durchschnittlich zweihundert Werst täglich macht, zwanzig Stunden von je vierundzwanzig im Sattel verbringend. Ich war überrascht, in Achal denselben Aberglauben rücksichtlich der Pferde wiederzufinden, wie bei den Kosaken des Urals; so z. B. soll nach denselben ein Pferd, welches an den entgegengesetzten Extremitäten weisse Füsse hat, seinem Herrn Unglück bedeuten, ein Pferd mit weissem Maul aber Untreue seitens der Gattin des Reiters.

Vielleicht ist es nicht so sehr die Race des turkmenischen Pferdes, als vielmehr die von ihm verlangte Arbeit, welcher seine Ueberlegenheit zuzuschreiben ist. Die „Alaman“ (kriegerische Razzia; hat das Tekkepferd geschaffen und seine wunderbaren Eigenschaften entwickelt; wenn die Alamane unmöglich werden und die Tekke ihre Rosse nicht mehr für diese langen Expeditionen trainiren, dann werden die Pferde weniger werth sein, als die der Jemrali’s, welche in unseren Augen einen vollkommeneren Typus bilden.

Wenn der Turkmene einer Zuneigung fähig ist, so bewahrt er diese für sein Pferd, mit welchem er die letzte Handvoll Gerste, den letzten Tropfen Wasser theilt.

Weil es nie geschlagen wird, ist das Tier dem Menschen gegenüber merkwürdig sanft, obwohl wild mit Seinesgleichen. Wenn es einem Hengste gelingt, sich los zu machen, entstehen manchmal fürchterliche Kämpfe, welche denjenigen, die sich den Thieren nähern, sehr gefährlich werden können; es ist nutzlos, da in Abwesenheit des Eigenthümers einschreiten zu wollen; dieser dagegen ist oft im Stande, mit seinem einfachen: „Dur! Dur!“- (ruhig!) den Renner zu beschwichtigen, während ein Fremder seine Knochen der Gefahr aussetzen würde. Die Liebe des Tekke zu seinem Pferde ist nicht so ganz uneigennützig, denn das Pferd ist die Quelle seines Erwerbes, seines Reichthums. Der Tekke selber, unsauber und in schmutzige Lumpen gekleidet, trägt sogar in seinen Waffen keinen Luxus zur Schau, sein Pferd aber und sein Weib geben uns einen Begriff seines Wohlstandes. Geschirr und Zügel sind mit Silber belegt, sowie sein Weib mit kostbaren Edelsteinen geschmückt — die Beute der Alamane. Ein turkmenisches Sprichwort sagt: „Man würde leichter jedes Sandkörnchen der Wüste annageln, als den Turkmenen an einen Ort festhalten.“ Ein anderes: „Der Turkmene zu Pferd kennt seinen Vater nicht.“ Wild, unzähmbar, tüchtig, unterstützt von seinem schnellen Renner ist er in Folge der Feigheit seiner Nachbarn der gefürchtete Räuber geworden, der lange Jahre hindurch Schrecken auf seinem Wege verbreitete. Die Alaman war der Zweck seines Daseins, das einzige Mittel, Namen und Vermögen zu erwerben. Weit entfernt, verachtet zu sein, wurde der Alamanedjik, welchen man überall sonst einen Wegelagerer nennen würde, von den Dichtern des Landes als ein tapferer Ritter besungen.

Garten des Khan von Khiva.

Die gegen einen feindlich gesinnten Stamme gerichtete Menschenjagd verschaffte dem Sieger Vieh und Gefangene, die ein bedeutendes Lösegeld eintrugen. Von ihren Einfällen in die Länder der Ungläubigen, wie in Persien, führten die Alamanedjik’s ganze Schaaren von Kizilbachen (ein den Persern gegenüber gebrauchter Ausdruck der Verachtung) heim, welche die Sclavenmärkte Central-Asiens nährten.

Die Zahl der Reiter, welche an einer Alaman theilnahmen, wechselte von drei bis tausend, und manchmal darüber. Wenn der Turkman in seinem Aul keinem Vorgesetzten sich fügte, so gab er sich zu der Alaman ein Oberhaupt, dem er blindlings gehorchte. Die Kenntniss der Wege, der Brunnen, die Gabe des Befehlens, verbunden mit persönlichem Muth, waren erforderlich, um Serdâr (Leiter des Feldzuges) werden zu können. Persönlicher Muth allein gab Anrecht auf den Titel Batter oder Batyz (tapfer, ritterlich).

In Achal, welches die berühmtesten Serdârs der letzteren Kriege hervorgebracht, gab es solche, deren besondere Aufgabe darin bestand, die Alamane in die Staaten des Emirs von Bochara zu führen; Andere, welche die Hilfsquellen und Brunnen der Wüste kannten, leiteten ihre Horden gegen die Turkmenen von Khiva — endlich die zahlreichsten zogen dem Südwesten zu, gegen die Provinzen Budjnurd, Kélat und Dereghez. Der Beruf des Alamanedjiks erfordert ein gutes Pferd, Waffen, Muth und Todesverachtung. Wenn im Allgemeinen die Hitze den Alamanen der Turkmenen eine Ruhepause auferlegte, übten dagegen, die Tekke ihren Beruf das ganze Jahr hindurch aus — für sie gab es keine todte Saison.

Die Neuigkeiten werden in Achal schnell bekannt; sobald sich das Gerücht verbreitete, dass einer der grossen Serdâr’s einen Feldzug beabsichtigte, sah man die Alamanedjik’s von allen Seiten herbeieilen, um sich unter seine Befehle zu stellen. Der Serdâr bestimmte Tag und Ort zur allgemeinen Versammlung, das Ziel des Unternehmens jedoch vertraute er Niemandem an. Am Tage des Auszuges vereinigten sich die Reiter auf ihren frisch eingeübten Hengsten — manchmal zum Wechseln ein Pferd am Seile mit sich führend — um ihren Anführer. Vom Augenblick an, wo die Alaman sich in Bewegung setzte, wurde der Serdâr der alleinige Gebieter seiner Leute und übte das Recht über Leben und Tod. Richtete der Zug sich gegen Persien, so kletterte diese schweigende Truppe Nachts die Vorberge des Kopet-Dagh hinauf und stürzte sich auf unmöglichen Wegen in die Abgründe des Gebirges, um sich tagsüber in nur dem Serdâr bekannten Schlupfwinkeln aufzuhalten.

Wenn eine Ortschaft in der fruchtbaren Ebene von Chorasan das Ziel der Alaman war, dann wurde am südlichen Abhang des Gebirges Halt gemacht. Der Proviant, sowie die Handpferde wurden an einem unzugänglichen sicheren Ort unter der Obhut einiger Reiter zurückgelassen. Der Tag ging mit den Vorbereitungen zum Angriff vorbei, und gegen Einbruch der Nacht verliessen die Streiter ihren Aufenthaltsort, stürzten sich auf ein kurdisches Fort oder auf ein Dorf in der Ebene und versuchten im Augenblicke der Rückkehr der Heerden in das Innere der Burg zu dringen. Gelang dieses Manöver, so entstand ein fürchterliches Gemetzel. Nach Beendigung der Plünderung trieben die Räuber die rüstige Bevölkerung vor sich aus, und erreichten so das Gebirge wieder.

Eine andere Taktik, welche hauptsächlich gegen die kurdischen Festungen angewendet wurde, bestand darin, dass man sich der Sturmleitern bediente, um sich innerhalb der Mauern einzuschleichen, während die Bevölkerung schlief. Chilva-Djesme wurde auf diese Weise genommen. Von einer Bevölkerung von vierhundertachtzig Personen konnten nur vierzig entkommen. Die Uebrigen wurden getödtet oder als Sclaven mitgeführt. Einer der Ueberlebenden dieser unglücklichen Burg hat mir in Chilva-Djesme selbst diese Schreckensscene erzählt. Die Tekke mordeten aus Lust zum Morden; mit aufgestülpten Aermeln, mit dem „bitehâq“, einem langen dünnen Messer bewaffnet, „arbeiteten“ sie — wie er sich ausdrückte — um ihren Durst nach Blut zu löschen. Es lag nicht in ihrer Taktik, Belagerungen zu veranstalten: die Alaman ging nur mit nächtlichen Ueberfällen vor sich, stiess man auf Widerstand, so schlugen sich die Tapfersten, während die Anderen plünderten und die Gefangenen fortschleppten.

Die Tekke flössten überall einen so grossen Schrecken ein, dass ihre Angriffe fast immer mit Erfolg gekrönt wurden. Waren sie einmal in der Ortschaft, dann geschah es selten, dass die verwirrte Bevölkerung genug Muth besessen hätte, die Angreifer davon zu jagen, wenn diese auch in noch so geringer Zahl erschienen. Die Details dieser Plünderungen, welche ich mir an Ort und Stelle von den Kurden habe erzählen lassen, übersteigen alle Einbildungskraft.

Fanden die Angreifer den Ort bewacht und vertheidigt, dann zogen sie sich gewöhnlich zu- rück, um sich über eine leichtere Beute herzumachen. Wagten sie sich in die Ebene, so geschah dies, um sich unter wildem Geschrei auf die Karawanen zu stürzen. Vor der Einnahme von Gheok-Tepe wurde der grosse Weg von Mesched nach Teheran derart von den Tekke unsicher gemacht, dass die Karawanen zu festgesetzten Zeiten von Scharûd aus unter Bedeckung von Infanterie, Cavallerie und sogar Artillerie aufbrachen. Die Furcht vor den Turkmenen war so gross, dass kein Landmann unbewaffnet seinen Acker bebauen ging. Sie hatten auf ihren Feldern runde Thürme mit einem äusserst kleinen Eingang errichtet, durch den sie beim alleinigen Anblick eines turkmenischen Reiters sich flüchteten und die Oeffnung mit, im Innern aufgestapelten Steinen vermachten.

Wenn die Kurden der Festungen — manchmal in grosser Anzahl — sich zusammenthaten, um die Gefangenen und Heerden zu befreien, dann erwarteten die Räuber sie in den Pässen ihres Gebirges und lieferten ihnen erbitterte Schlachten, in welchen die Tekke sich bis zum letzten Manne niedermachen liessen. Diese Wahlstätten sind erkennbar durch zahlreiche, zum Angedenken an die Todten errichteten Pyramiden; ich habe von diesen Friedhöfen mehr als einen in den Engpässen des Alatagh gesehen.

Die iranische Bevölkerung der Ebene bot den Räubern ein leichteres Arbeitsfeld. Man erzählt, dass ein gut bewaffneter Perser, von einem Räuber angefallen, diesen besiegt hatte. „Was machst Du?“ rief der zu Boden geschlagene Gegner, ,,weisst Du nicht, dass ich ein Tekke bin?“ Bei diesen Worten wurde der Perser von einer solchen Angst befallen, dass er sich knebeln und von demselben Tekke, den er soeben in seiner Macht hatte, als Gefangener fortführen liess. Grodekoff berichtet, dass bei der grossen Hungersnoth in Persien im Jahre 1871 die iranische Bevölkerung der Umgegend von Sarachs zu einem solchen Grad von Feigheit herabgesunken war, dass die ärmsten Tekke, nur mit einem Knüttel bewaffnet und einen Esel reitend, die Einwohner der Dörfer vor sich herjagten, um sie auf dem Markt zu Merw zu verkaufen.

Der Marsch durch das Gebirge vor dem Angriff geschah bei Nacht und in aller Stille. Die glückliche Heimkehr hing, wie selbstverständlich, von der Schnelligkeit der Pferde ab. Die Kinder und die jungen und hübschen Frauen wurden hinten auf’s Pferd genommen, und mit dieser doppelten Last musste das Thier — manchmal ohne Rast — mehrere Hundert Werst zurücklegen, welche es von dem Aul seines Herrn trennten. Die starken Männer bekamen ein Eisen um den Hals, wurden mit einer langen schweren Kette an den Sattelknopf gebunden und mussten, angeeifert durch die Peitsche des Alumanedjik’s, mitlaufen bis zur Erschöpfung ihrer Kräfte. Wurde der Rückzug beschleunigt und konnte der Gefangene nicht rasch genug mitkommen, dann machte ein Säbelhieb seinem Leiden ein Ende.

Mitleidsgefühl scheint dem Turkmenen gänzlich zu fehlen: der Sklave ist in seinem Auge eine Waare: seine Barbarei und Grausamkeit kennen keine Grenzen. Von Sarachs nach Merw gebrachte Sklaven sagen aus, sie hätten diesen Weg ohne Nahrung durchlaufen; höchstens wurde ihnen ein Schluck Wasser gegeben, wenn sie vor Ermattung niedersanken. Die Rückkehr der Alamanedjiks — von einem Eilboten vorher angekündigt — gibt den Anlass zu grossen Freudenbezeugungen; alle Bewohner des Auls kommen dem Zuge entgegen, um die tapferen Krieger und die reiche Beute früher bewundern zu können.

Vambéry berichtete vor zwanzig Jähren, dass bei der Rückkehr von einer Alaman, ein junger Turkmen seine Heldenthaten den Bewohnern des Auls erzählte, worauf Alle ihm folgten, um seine Gefangenen zu sehen. Vambéry that ebenso und sah inmitten eines Zeltes zwei Perser liegen, bleich, mit Blut und Staub bedeckt, deren Glieder man in Eisen schlug; für den Einen waren diese zu eng, der Turkmen aber drehte die Knöchel mit Gewalt hinein, ohne sich um das herzzerreissende Jammern des Mannes zu kümmern.

In einer Ecke sassen zwei zitternde Kinder am Boden, und betrachteten traurigen Blickes den gemarterten Perser: es war ihr Vater; sie hatten grosse Lust zum Weinen, allein die fürchterlichen Blicke des Räubers hielten sie davon zurück. Ein junges Mädchen von fünfzehn oder sechzehn Jahren mit zerzaustem Haare, in zerrissenen und mit Blut bedeckten Kleidern, kauerte in einer anderen Ecke und schluchzte. Einige turkmenische Frauen frugen sie aus Neugierde, ob sie verwundet sei. „Ich bin nicht verwundet,“ antwortete sie weinend, „dies ist das Blut meiner guten Mutter.“ Sie erzählte dann, wie ihr Entführer sie hinter sich auf’s Pferd genommen hatte, während die Mutter, an den Steigbügeln angebunden, zu Fuss folgen musste. Nach einer Stunde Reitens sank das erschöpfte Weib zu Boden, der Turkmen versuchte erst mittelst Peitschenhieben ihre Kräfte neu zu erwecken; als dies ihm aber nicht gelang und er hinter den anderen nicht zurückbleiben wollte, zog er das Schwert und hieb ihr den Kopf ab; das hoch aufspritzende Blut hatte Mädchen, Pferd und Reiter befleckt.

Während dies im Zelte vor sich ging, unterhielten drausscn die Verwandten des Helden sich mit der Untersuchung der Beute; die alten Frauen betasteten gierig das Hausgeräthe, die Kinder tanzten um das Geraubte herum und schmückten sich lachend damit.

Bis zur Eroberung Khiwas brachten die Alaman und der Sklavenverkauf Reichthum in den Aul; das Jahr 1873 aber hat diesem Stande der Sache ein Ende bereitet; als sie ihre Sklaven nicht, mehr verkaufen konnten, begnügten die Tekke sich, sie zu misshandeln, um ein grosses Lösegeld zu erhalten. Seit der Besetzung Achals durch die Russen ist die friedliche und arbeitsame Bevölkerung Chorasâns von dieser Geissel befreit worden. Wohlstand wird in diese schönen Gegenden zurückkehren, und Russlands Aufgabe, auch die Sarik und die Salor endgiltig dem Czar zu unterwerfen, wird bald erfüllt sein. Von Afghanistan bis an die äussersten Grenzen Sibiriens werden Ordnung und Ruhe herrschen nach Jahrhunderte langen Kämpfen, und unter der Aegide einer starken Regierung wird Central- Asien wieder werden, was es früher war: eines der meist bevorzugten Länder der Erde.

01 Tekke-Pferd, Geschenk an den deutschen Kaiser

01 Tekke-Pferd, Geschenk an den deutschen Kaiser

02 Pferderennen in Turkmenien

02 Pferderennen in Turkmenien

03 Im Garten des Khan von Khiva

03 Im Garten des Khan von Khiva

04 Ritt auf dem Armon-Daria

04 Ritt auf dem Armon-Daria