Die Anfänge der Tabakkultur in Europa.

Der Tabak, dessen Genuss unter den Europäern zuerst Christoph Columbus und seine Gefährten bei ihrer Landung an der Insel Guanahani wahrgenommen haben, ist im 16. Jahrhundert nach Europa gelangt,*) Als Heilkraut und wegen seiner schönen Blüten auch als Zierpflanze hielt er in Europa seinen Einzug. Jean Nicot, der französische Gesandte in Portugal, erhielt im Jahre 1560 eine Tabakpflanze von einem Hofbeamten, dem sie aus Florida zugeschickt worden war.**) Und da er gehört hatte, daß sie ein vortreffliches Heilmittel sei, sorgte er für ihre Kultur. Bereits Nicolo Monardes, Lehrer der Heilkunde an der Universität zu Sevilla, hatte den Tabak als Heilkraut gepriesen und ihm die wunderbarsten Wirkungen zugeschrieben. Die grünen Blätter galten, warm aufgelegt, als ein gutes Mittel gegen Kopfschmerz, Magenkrampf, Koliken, Gichtschmerzen und Mutterbeschwerden. Der aus ihnen gepreßte Saft aber sollte Zahnweh beseitigen und Eingeweidewürmer abtreiben. Bei hartnäckiger Verstopfung wirke ein Absud des Tabaks wohltätig als Klystier und in Salben sei er ein sehr wirksames Mittel gegen alle bösartigen Geschwüre. Nicot nahm sogar an, daß Krebs und Flechten durch Tabak geheilt werden könnten. Ihm zu Ehren, der sich um den Bau des Tabaks und seinen Gebrauch verdient machte, nannte man in Frankreich das neue Kraut "Herbe Nicotiane", und von Frankreich aus nahm dann die Wunderpflanze ihren Weg schnell in andere Länder. Im Jahre 1565 wurde sie dem Stadtphysikus in Augsburg, Adolph Occo, dem Verfasser der Pharmacopoea Augustana, der auch den Rhabarber zuerst in Ruf gebracht hat, bekannt, und wenig später kam sie durch den Bischof Nicolav Tornaboni, den päpstlichen Legaten und toskanischen Gesandten am französischen Hof, nach Italien.

Indes die Spanier hatten ihrer Zeit mit Verwunderung gesehen, daß die friedlichen Indianer aus Mund und Nase Rauchwolken gestoßen hatten. Sie hatten bemerkt, daß die Rothäute aus einem trocknen Kraut, in ein Maisblatt gewickelt, zylinderförmige Rollen zu bilden pflegten, deren eines Ende sie in den Mund nahmen, während sie das andere anzündeten, dabei Rauch ausstoßend. Was für eine Genugtuung die Wilden dabei empfanden, konnte man zunächst nicht feststellen, und erst später ermittelte man, daß sie bei ihren Festen sich durch das Einziehen des Rauches berauschten und schließlich schläfrig machten. Die alsdann auftretenden Träume hielten sie für Nachrichten aus einer anderen Welt. Der Spanier Oviedo verglich das Vergnügen beim Tabakgenuß mit dem Weintrinken. Die narkotischen Wirkungen betäubten eben den Genießenden. Jedenfalls hatten sie für die Europäer Reiz genug, um die Eingebornen nachzuahmen und die Angewohnheit in Europa fortzusetzen. Der den Menschen innewohnende Trieb, Neues und Seltsames sich anzueignen, einerseits und die dem Gebrauche des Tabaks zugeschriebenen wohltätigen geheimnisvollen Wirkungen andererseits bewirkten zweifellos eine rasche Verbreitung der neuen Sitte, die nicht nur in Spanien und Portugal bei allen Schichten der Bevölkerung Eingang fand, sondern bald auch in anderen Ländern beliebt wurde.


In Holland und England scheinen die Bevölkerungen gleichzeitig dem seltsamen Gebrauche zu huldigen angefangen zu haben. In ersterem Lande soll nach der Ansicht Einiger bereits um das Jahr 1570 die Gewohnheit, zu rauchen, weit verbreitet gewesen sein.***) In letzterem Lande soll Sir Walter Raleigh, der dem Rauchen leidenschaftlich ergeben war, besonders zu seiner Ausbreitung beigetragen haben. In den Zeiten der Königin Elisabeth war es, daß man als Wahrzeichen der Tabakläden die hölzerne Figur eines rauchenden Negers mit einer Rolle Tabak an der Seite zu sehen anfing, ein Zeichen, das in der Folge vor allen Tabakbuden Europas erschien Engländer und Franzosen sah der spätere Arzt in Delft, Wilhelm van der Meer, als er in Leiden gegen 1590 studierte, dort rauchen und bemühte sich, es ihnen gleich zu tun, was ihm jedoch schlecht bekam. Die Mißerfolge schreckten indes weder ihn noch seine Landsleute ab, sich zu der neuen Gewohnheit zu bekennen.

*) Tiedemann, Geschichte des Tabaks, 1854, S. 1 ff.
**) J. Micheler, Das Tabakswesen in Bayern, 1887, S. 3.
***) Ladisl. v. Wagner, Tabakkultur, Tabak- und Zigarrenfabrikation, 1884, S. 4.


In Frankreich hat erst während der Regierung Ludwig XIII. das Tabakrauchen seinen Anfang genommen, und auch in Deutschland lernte man es kaum viel früher kennen. Nach einer Angabe sollen englische Kaufleute das Rauchen nach Zittau gebracht haben; nach einer anderen sei auf deutschem Boden zum ersten Male geraucht worden, als Graf Grey im Jahre 1620 seine englischen Truppen dem Könige Friedrich von Böhmen zuführte.

Waren es zuerst Soldaten, der vielgeplagte Untertan, der gemeine Mann, die auf das Rauchen erpicht wurden, so verschmähten doch nach und nach auch die Gebildeten und die feinere Herrenwelt den Genuß durchaus nicht. In Schwerin heißt es z. B. in den Gravaminibus zum kommissarischen Bericht in der Sache der Domprediger, mit denen der Superintendent Wetter beständig im Streite lag, von diesem: „Gebraucht in publicis conventibus Tabak und hält sich zu Schössern und Handwerksleuten usw.“.

In Preußen machte der Kurfürst Friedrich III. den Tabak hoffähig, indem er Tabakgesellschaften einführte, bei denen das Hofzeremoniell streng beobachtet wurde. Am 28. Dezember 1709 schrieb er an seine Schwiegermutter, die Kurfürstin Sophie von Hannover: „Bey dem toback befinde mich noch sehr wohl und ersehe auß dero Schreiben, daß Sie (ehe)mahls auch die Pfeifen gestopft haben, ich kan aber nicht wissen, führ wehm - -.“ Und drei Tage später läßt er sich an dieselbe hohe Dame aus: „Es ist mihr recht lieb auß dero Schreiben zu ersehen, daß Sie daß Tabac rochen aprobieren und es mehr den parfeum lieben.“ Die Kurfürstin aber antwortet, gewandt alle Neckereien parierend, am 1. Januar 1710: „Die pfeiffen toback können E. M. leicht erachten, das ich sie allein leiden konte, weil mein G. L. der selig auch wie E. M. sich tharan gewont hatte; was zur gesundtheit dint, ist alzeit gutt.“ Nichtsdestoweniger verhielt sich der König doch gegenüber der ungewohnten Sitte etwas zurückhaltend und wollte sie der weiblichen Welt nicht zugestehen, wenn er sie auch bei Männern billigte. Am 31. März 1710 schrieb er an die Kurfürstin Sophie: „Daß er (sc. Prinz Eugenius, der damals gerade in Berlin weilte) soviel tobac nimbt, ist itzo die mode, also wirdt mir solches nicht befrembden, aber führ eine dame stehet es führ ehrste nicht wol und dan so kan man in allem zu viel thun.“*)

Wer hätte ferner nicht von dem Tabakkollegium Friedrich Wilhelm I. zu Wusterhausen gehört? Daß in Gelehrtenkreisen die gleiche Vorliebe sich herausbildete, schildert uns an den Zuständen der Universität Erfurt um die Mitte des 18. Jahrhunderts Karl Friedrich Bahrdt. Er nannte die Professoren der dortigen Hochschule, die sich ziemlich regelmäßig und recht zahlreich morgens und abends im Ratskeller zu versammeln pflegten und neben dem Schlunz, einem ansehnlichen Bierkruge, sich den prächtig braun angerauchten Meerschaumpfeifenköpfen angelegentlichst widmeten, - die tapfersten Raucher des heutigen römischen Reichs deutscher Nation. Wieland brachte etwas später für diese Versammlungen den Ausdruck „.Qualmareopag“ auf. Freilich konnte ein Hufeland noch in seiner Makrobiotik den Rauchgenuß als einen der unbegreiflichsten hinstellen und ein Goethe es aussprechen, daß ein wahrhaft genialer Mann sicherlich nicht Tabak rauchen werde, - die tatsächliche Entwicklung ist über diese Auffassung zur Tagesordnung übergegangen.

Wohl gleichzeitig mit dem Rauchen ist das Schnupfen von pulverisiertem Tabak aufgekommen. Katarina von Medicis bereits soll ihrem Sohne, dem Könige Karl IX., der oft an heftigen Kopfschmerzen litt, das Schnupfen als Heilmittel angeraten haben. Sicher ist, daß die in vieler Hinsicht belebende Wirkung des Tabakpulvers die Sitte des Schnupfens bald ebenso allgemein beliebt machte. Es deutet auf weite Verbreitung, wenn Papst Urban VIII. im Jahre 1624 eine Bulle erließ, die alle mit dem Kirchenbann bedrohte, die in den Kirchen Tabak schnupfen würden. Das 17. Jahrhundert kann sich rühmen, die Schnupftabakdosen aufgebracht zu haben, die dann im folgenden Jahrhundert eine noch größere Rolle spielten. Daß auch Damen der Sitte huldigten, beweist die Königin Sophie Charlotte von Preußen, die bei ihrer Krönung im Jahre 1701 sich nicht enthalten konnte, die Langeweile, die sie bei der Festlichkeit empfinden mochte, durch eine Prise Spaniol aus diamantbesetzter goldener Dose zu verscheuchen. Wie weit die französische Damenwelt sich das Schnupfen angewöhnt hatte, erzählt in überaus drastischer Weise Elisabeth Charlotte von Orleans in ihren Briefen aus Paris.**)

Es ist bekannt, daß man durchaus nicht überall der neuen Sitte mit Gelassenheit und Zustimmung zusah. Vielmehr erhoben sich sehr bald gegen sie eifernde Stimmen. Eine ganze Literatur entstand, in der über Nutzen oder Schaden des Tabaks gelehrte Betrachtungen angestellt wurden. Geistliche und Moralisten sprachen ihre Entrüstung über die drohende Verderbtheit der guten Sitten aus, und die weltliche Obrigkeit machte die Feuergefährlichkeit geltend.

Fruchteten alle Verbote gegen die um sich greifende Gewohnheit nicht, so lag es in der Zeit des Merkantilismus nahe, darauf zu sinnen, ob sich das unvermeidliche Gewächs nicht in den eigenen Grenzen hervorbringen ließ. Hatte die Anpflanzung des Tabaks als Zierpflanze bewiesen, daß er, obwohl einer wärmeren Zone angehörend, doch einen ausgedehnten Verbreitungsbezirk besaß, so strebte man gern dahin, sich von dem Auslande oder der neuen Welt unabhängig zu machen. Längere Zeit hindurch war der Tabak namentlich von den Holländern, die mit seinem Handel ein glänzendes Geschäft machten, aus Venezuela, Guiana, Brasilien, Westindien und Virginien in Europa eingeführt wurden. Nun machte man im Jahre 1615 zu Amersfort in Holland den ersten Versuch, aus dem europäischen Kontingent Tabak zu bauen. Er gelang vollkommen, und bis auf den heutigen Tag sind die Niederlande eine nicht unrühmliche Stätte der Tabakproduktion.***)

Von dort aus drang wenig später die Kultur des Tabaks in Deutschland ein. Im Jahre 1620 brachte ein Kaufmann, namens Robert Königsmann, Tabaksamen nach Straßburg i. E., wo er auf einem, eine Meile von der Stadt im Bezirk Wachwörth gelegenen, später der „Englische Hof“ genannten Grundstück mit Erfolg angepflanzt wurde. Allerdings widersetzte sich der Rat geraume Zeit der Einführung des Tabakbaues in der Besorgnis, der Anbau des Getreides möchte beeinträchtigt werden. Indes die Erfahrung lehrte, daß der Tabak sowohl als Rohstoff wie als Gegenstand der Industrie einen für das gesamte Wirtschaftsleben des Elsaß überaus wichtigen Gegenstand bildet.****)

*) Ernst Berner, Aus dem Briefwechsel König Friedrichs I. von Preußen und seiner Familie, Berlin 1901.
**) K. W. Volz, Beiträge zur Kulturgeschichte, 1852, S. 272-273.
***) Spezialkatalog des Tabakmuseums von Löser & Wolff auf der Berliner Gewerbeausstellung 1896, S. 16.
****) Herm. Ludwig, Straßburg vor 100 Jahren, 1888, S. 28.


Mit Köppe wurde außerdem ein Kontrakt gemacht wie mit einem fürstlichen Beamten. Man setzte ihm ein bestimmtes Deputat an Getreide, Fleisch, Stockfisch und Hering, Butter und Salz wie Hopfen aus, wies ihm eine Wohnung im Hause eines in der Nähe der zum Bau des Tabaks bestimmten Koppel wohnenden Bauern an und versprach ihm eine Tantieme von einem Rtlr. pro Zentner des abgelieferten Tabaks. In diesem Punkte war demnach seine Forderung um ein drittel Taler ermäßigt worden.

Derart vorbereitet ist der Bau wirklich vor sich gegangen. Ende April 1694 war man mitten in der Arbeit, und da Köppe mit den bisher geleisteten Handdiensten beim Pflanzen und Jäten nicht reichte, wurde angeordnet, daß sämtliche Einlieger des ganzen Amts, jeder 2 Tage, so oft und wieviele Köppe zur Zeit verlangen würde, mithelfen sollten.*) Der Erfolg muß ein befriedigender gewesen sein, da im nächsten Jahre an den Küchenmeister zu Neustadt die Weisung gelangte, dem Köppe in der Koppel noch für Aussaat zweier Scheffel Tabak Platz zu machen.**) Weitere Nachrichten fehlen.

Vierzig Jahre später wurde noch einmal regierungsseitig in Mecklenburg-Schwerin der Tabakbau in größerem Maßstabe geplant. Darauf mag vielleicht neben den früheren guten Erfolgen im eigenen Lande auch das Beispiel des Bruderstaates mitgewirkt haben. In Mecklenburg-Strelitz hatte nämlich der Herzog Adolf Friedrich II. angefangen, auf verschiedenen Stellen, so namentlich in Zirtow, Mirow und Strelitz, Tabakkulturen anzulegen und das Produkt mit ansehnlichem Gewinne in Hamburg und Lübeck verkaufen lassen.***) Die Bauern hatten dem Fürsten nachgeahmt und, von dem hohen Herrn begünstigt, nicht wenig von dem bisher fremdartigen Gewächs gepflanzt, ja sogar zum Trocknen des Produkts die leeren Kirchenböden, sehr zum Entsetzen der Herren Pastoren, auf fürstliche Erlaubnis benutzen dürfen.****)

War nun diese Unternehmung zum Vorteil des gesamten Landes ausgeschlagen und hatten Privatpersonen im Herzogtume Mecklenburg-Schwerin aus eigener Initiative sich der Kultur der lohnenden Pflanze zugewandt, so war es begreiflich, daß Herzog Karl Leopold für das gewinnbringende Geschäft Verständnis zeigte. Zwei französische Refugiés, Jaques Cuny und Jean Elmain, unterbreiteten ihm im Jahre 1731 den Vorschlag, ihnen den Tabakhandel gegen eine Zahlung von 400 Rtlrn. auf 6 Jahre zu verpachten. Dieses Angebot hatte den Herzog dazu veranlaßt, seinerseits die Fremdlinge zur Anlage von Tabakplantagen anzuregen. Zu diesem Zwecke wollte er ihnen Ländereien auf dem Schelfwerder bei Schwerin, wo bereits von zwei Leuten in kleinem Umfange Tabak gebaut wurde, zuweisen. Sie sollten die betreffenden Äcker gepflügt und gedüngt unter der Bedingung bekommen, daß sie sie im brauchbaren Zustande erhielten. Die Kaufleute sollten die Saat liefern und sich verpflichten, bei einer Ernte von drei Zentnern Tabak pro Scheffel Acker die ganze Ernte zu 5 Rtlrn. pro Zentner dem Herzoge abzukaufen. Etwas überschwänglich wohl rechnete man, von den 335 Scheffeln des Schelfackers etwa 250 1/2 mit Tabak bestellen und eine Ernte von 751 1/2 Zentner, jeden zu 5 Rtlr., insgesamt also eine Einnahme von mindestens 3.757 Rtlrn. 24 Schill. erwarten zu können. Im ganzen wurde auf eine Einnnahme von 3837 Rtlr. 24 Schill. gerechnet, denen Ausgaben in der Höhe von 2121 Rtlr. 8 Schill. gegenüberstehen würden, sodaß ein Reinertrag von 1.716 Rtlr. und 16 Schill. gewiß schien.+)

Der eine der beiden Antragsteller, Jacques Euny, war mit den Ideen des Herzogs völlig einverstanden und hatte sich behufs ihrer Ausführung mit Pierre Elmain verbunden. Dieser sollte Inspektor der Plantage werden, in dem Duwenschen Hause auf der Schelfe freie Wohnung, Brennholz zur Haushaltung und 8 Taler monatlich bekommen. Auch ein Platz für die Anlage der unentbehrlichen Mistbeete war bestimmt. So sehr waren die Franzosen davon durchdrungen, ein gutes Geschäft in der Ausführung des Projekts zu machen, daß sie am 10. Oktober 1731 dem Herzog 400 Taler überreichten und in drei Monaten weitere 400 Taler folgen zu lassen versprachen, „que nous prenons la hardiesse de presenter a S.A.S. pour toutes les faveurs et bonté, qu'elle veut bien nous gratifier.“ Zu Ostern des nächsten Jahres sollte das Privileg seinen Anfang nehmen. Jedoch die Angelegenheit nahm einen anderen Verlauf. Der der Kammer übergebene Betrag war wohl von den Brüdern oder Verwandten des Pierre Elmain - Jacques und Jean Elmain - gemeinsam gegeben worden, und diese erklärten dem Herzoge, als sie von den Abmachungen über die anzulegende Plantage erfuhren, daß sie mit ihr nichts zu tun haben wollten.++) Sie hätten es lediglich auf den Handel mit Tabak abgesehen. Auch Jacques Euny, der von Pierre Elmain beschwatzt gewesen zu sein scheint, kam von seiner Bereitwilligkeit zurück. Er ließ zusammen mit Jean Elmain einige Monate später+++) ebenfalls dem Herzoge mitteilen, daß sie von der Tabakpflanzung nichts verständen „S'aurait été,“ hieß es in dem Schriftstück, „une grande imprudence a nous, puisque nous ne nous sommes jamais melé de la culture des terres, notre fait n'etant que le negoce.“ Der sachverständige Tabakpflanzer unter ihnen sei Pierre Elmain, der aber habe sich unsichtbar gemacht, angeblich weil man ihn geärgert und ihm zu viel Schwierigkeiten in den Weg gelegt habe.

*) Reskript der Kammer vom 9. Mai 1694.
**) Reskript der Kammer vom 15. Mai 1695.
***) Zu 5 Rtlr. pro Zentner.
****) G. v. Buchwald, Bilder aus der volkswirtschaftlichen und politischen Vergangenheit Mecklenburgs, 1893, S. 111-115.
+) Zu den obigen 3.757 1/2 Rtlrn. wurde wohl noch ein Teil der für das sechsjährige Privileg gezahlten 400 Rtlr. zugezählt.
++) 21. Januar 1732.
+++) 5. Mai 1732.


So fiel denn, zumal die Franzosen auch in bezug auf den Handel vor der Abneigung sich zu fürchten begannen, die die einheimischen Händler unverholen zur Schau trugen, der ganze Vorschlag ins Wasser. Ob in der Zwischenzeit seit den ersten Versuchen am Ende des 17. Jahrhunderts und dem eben erzählten Projekt die Kammer sich noch weiter um den Tabakbau bemühte, entzieht sich unserer Kenntnis.

Tatsache ist jedoch, daß später an verschiedenen Plätzen in Mecklenburg Tabak gebaut wurde und auch heute noch kultiviert wird. Am meisten taten sich dabei die französischen Einwanderer hervor. Im kleinen war schon vor ihnen hier und da Tabak gebaut worden. In Brüel hatte sich ein aus Schlitz in Hessen stammender Glaser, Christian Kircher, niedergelassen, der in seiner freien Zeit dem Tabakbau huldigte. Nach einer im Februar 1695 bei der Kammer eingelaufenen Anzeige pflegte er sein Erzeugnis in Crivitz zu verkaufen.*) Seine Produktion betrug indes nach einer späteren Mitteilung „auffs höchste drei Zentner Tabak jährlich“.**) Ebenso ist von einem Bäcker die Rede, der neben seinem Hauptgeschäft einen Tabakgarten betrieb, auf dem er aber namentlich bei nasser Witterung in zwei Jahren kaum einen Zentner Tabak gewonnen haben wollte. ***) Einige Jahre darnach, 1702, werden der Kammer zwei Bauern, der eine zu Groß-Vielen im Warenschen Distrikt, der andere im Dorfe Tarnow, genannt, die Tabak bauten und mit ihrem Erzeugnis hausieren gingen.****) Vor allen Dingen aber waren es die Hugenotten in Bützow,+) die dort nach und nach von ihrer industriellen Tätigkeit sich abgewandt und dem Tabakbau ergeben hatten. Im Jahre 1703 hatten 7 Refugiés zusammen 95 1/2 Scheffel Acker mit Tabak und Waid bestellt, wofür sie an Pacht jährlich einen Taler pro Scheffel bezahlten. Offenbar reicht indes ihre Produktion schon in frühere Jahre zurück, da bereits im August 1702 der Jude M. Heinrichsen der Kammer mitteilen konnte, daß er den Hugenotten etwa 25 bis 30 Zentner Tabak abgekauft habe, sie gleichwohl außerdem mit ihrem Erzeugnis hausieren gingen. Zu den 7 Kolonisten gesellten sich bis zum Jahre 1706 5 andere Refugiés, die alle zusammen 178 Scheffel Acker in Pacht hatten, wie es scheint, in erster Linie mit Tabak bestellt. Jm Jahre 1707 waren unter 36 selbständigen Gewerbetreibenden der Kolonie nicht weniger als 11 Tabakpflanzer. Ihre Rechnung scheinen Sie dabei freilich nicht ganz gefunden zu haben. Der ursprünglich vielleicht gute Gewinn wurde für viele in Mecklenburg Veranlassung, Tabak zu bauen. Darf man den Angaben der Franzosen Glauben schenken, so hätten damals nicht wenige Adlige, Pastoren und Verwalter sich aus diese Kultur gelegt, die sie durch ihre Gutsuntertänigen und Leibeigenen mit geringen Gestehungskosten betreiben ließen.

Dadurch wurde die Konkurrenz zu groß, bei der überdies ins Gewicht fiel, daß die in Dömitz, Schwerin, Plau usw. wohnhaften Tabakindustriellen die Verarbeitung fremder Tabake vorzogen. Wohl versuchten die Refugiés, sich die Berechtigung zum freien Handel mit dem von ihnen erzeugten Tabak auszuwirken. Sie hatten im Oktober 1731 bereits 400 Rtlr. für ein derartiges Privileg gezahlt und wollten innerhalb der nächsten drei Monate noch ebensoviel geben. Auf die Dauer mochte ein solcher Betrag doch nicht vorteilhaft für sie sein, und so dürfte bis zum Ausgange des 18. Jahrhunderts spätestens dieser Tabakbau in Bützow wohl sein Ende erreicht haben.

Außer an den genannten Orten wurde noch Tabak gebaut:
im Jahre 1738 in Neukalen, im Jahre 1747 in Schwaan von einem getauften Juden Jakobi. In derselben Zeit bat ein Herr von Sala auf Bellin den Herzog um die Erlaubnis, in zwei leerstehende Katen zwei Juden aufnehmen zu dürfen, die für ihn dem Tabakbau obliegen wollten. Offenbar geben aber diese vielleicht mehr zufällig in den Akten erhaltenen Daten kein deutliches Bild von der Ausdehnung des Tabakbaues in Mecklenburg. Vielmehr hat es den Anschein, als ob namentlich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ganz allgemein in Mecklenburg Neigung bestand, Tabak zu kultivieren, und diese vielfach Ausdruck gefunden hat. Daß es in Güstrow und Umgegend „Tabakplanteurs“ gab, zweifellos doch in unmittelbar fortgesetzter Dauer seit den erwähnten ersten Versuchen, wird gelegentlich mitgeteilt. In Glocksien, Vielist, Hof Lütgendorf, Klink, Sietow und Jabel bauten die Bauern gegen 1764 Tabak und ließen sich angelegen sein, ihn hausierend zu vertreiben. Die Städte beschwerten sich darüber. In der gleichen Zeit beanspruchte ein Herr von Moltke auf Ziddorf, der mit der Kammer in Konflikt geraten war, weil er in Teterow hatte Tabak verkaufen lassen, das Recht, Tabak zu bauen, soviel er wollte. Natürlich konnte die Kammer ihm dieses Recht nicht bestreiten.++)

Der amerikanische Bürgerkrieg wurde dann Veranlassung, sich noch mehr auf diese Kultur zu verlegen. Die Verhinderung der Zufuhr brachte die Landwirte auf den Gedanken, Tabak zu bauen. Sie fanden bei diesen Kulturen derart ihren Vorteil, daß selbst, nachdem jene Gründe in Wegfall gekommen waren, dennoch der Anbau nicht aufgegeben wurde. Ein Teil des Rohprodukts wurde nach Hamburg ausgeführt, das meiste im Lande selbstversponnen und verbraucht. Auf eben diese französische Anregung ist es zurückzuführen, wenn noch heute auf den von Riebenschen Gütern Galenbeck, Gehren und Wittenborn in Mecklenburg Tabak gebaut wird. Die beim Tabakbau üblichen Bezeichnungen lassen diesen Zusammenhang deutlich erkennen. Der Pflanzer wird „Planteur“, die Schnur aufgereihter Tabakblätter „Bandeliére“, das Mistbeet zum Aufziehen der Pflanze „Kutsche“ von „la couche“ genannt.+++)

*) Schwerin, Archiv, Acta betr. den Tabakhandel, 1690-1708, Nr. 29.
**) Reskript der Kammer vom 13. Februar 1699, in den Akten Nr. 44.
***) Reskript der Kammer vom 31. Dezember 1698, in den Akten Nr. 37.
****) Beschwerde des M. Heinrichsen bei der Kammer vom 10. Aug. 1702, in den Akten Nr. 53.
+) Wilhelm Stieda, Eine Hugenotten-Kolonie in Mecklenburg, im Jahrbuch d. Ver. f. meckl.
++) Reskript vom 15. Mai 1764; Acta betr. Tabakhandel, rote, Nr. 23.
+++) Theodor Spickermann, Der Teilbau in Theorie und Praxis, 1902, S. 40 ff.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Tabakmonopol in Mecklenburg-Schwerin