Das Tabakmonopol in Mecklenburg-Schwerin von 1688 bis 1699.

Die Verwandten, die Abraham Hagen zur Pachtung des Monopols empfohlen hatte, hießen Michael Hinrichsen und Moses Israel Fürst. Am 14. August 1688 gestand der Herzog ihnen das Privileg zunächst auf ein Jahr zu,119) verlängerte es jedoch am 27. Februar 1690 auf zwei Jahre.120) Alle Ämter und Städte wurden aufgefordert, für die Veröffentlichung des Mandats zu sorgen, es an die „Schultzen- und Krughäuser-Thüren“ anschlagen zu lassen und die Landreiter anzuweisen, alle unbefugten Tabakhändler zur Anzeige zu bringen.

Den beiden ersten Ausfertigungen des Privilegs sind im Laufe der Jahre mehrere andere gefolgt. Im Mai 1692 sollte mit den Juden der Vertrag erneuert werden, indes mit einer Einschränkung, sofern in den Ämtern und Städten Rehna, Gadebusch und Grevesmühlen einem anderen Handelsmann Moses Hinrichsen das ausschließliche Recht zum Handel eingeräumt werden sollte. Damit waren die beiden älteren Konzessionäre freilich nicht einverstanden. Sie baten, die dem Moses Hinrichsen einzuräumende Freiheit einstweilen noch für ein Jahr vorzuenthalten. Im übrigen stellten sie ihre pekuniäre Lage als wenig glänzend dar. Sie wollten innerhalb 5 Jahren 2500 Mark Schaden gehabt haben.121) Daher baten sie um eine Ermäßigung der Pachtsumme, deren Betrag sie außerdem nicht in Speziestalern, sondern in Kurantmünzen zu erlegen wünschten. Schlauer aber als sie war der Moses Hinrichsen. Denn er bat nicht nur um die Erlaubnis, einen Bier- und Branntweinausschank sowie eine „Herbergirerey“ in Rehna, d. h. in dem Bezirk, in dem man ihm den Handel zu verpachten geneigt war, eröffnen zu dürfen, sondern er stellte auch in Aussicht, zum Christentum übertreten zu wollen.122)


Was aus diesen Plänen geworden ist, ist unbekannt. Jedenfalls erwog man sie und beeilte sich nicht mit der Antwort. Im Herbste war eine solche noch nicht ergangen, so daß die Juden ihren Antrag am 10. November erneuerten.123) Sie versprachen dabei die ganze Rekognition in dem Betrage, in dem sie früher bezahlt worden war, nämlich 100 Rtlr. zu zahlen. Dafür wünschten sie freilich eine Ausdehnung des Privilegs auch auf den Handel mit anderen Waren. Wirklich bestätigte Herzog Friedrich Wilhelm von Hamburg aus am 16. November 1692 dem Michael Hinrichsen und dem Moses Israel Fürst unter den bisherigen Bedingungen das Privileg.124) Der letztere muß jedoch bald darauf gestorben sein oder sich aus dem Geschäfte zurückgezogen haben, da am 19. Januar 1693 das Privileg auf Bendix Goldschmidt und Michael Hinrichsen übertragen wurde. Moses Hinrichsen - in welchem Verwandtschaftsverhältnis er zu Michael Hinrichsen stand, erhellt aus den Akten nicht - war somit übertrumpft worden. Weder aus dem Gasthaus noch aus dem Branntweinausschank und Tabakhandel war etwas geworden. Aber zum Christentum war er trotzdem übergetreten, und nun schwebte ihm der Gedanke vor, durch seinen Sohn Friedrich Wilhelm etwas zu erreichen. Er ließ diesen sich in Rostock als Tabakspinner etablieren und an den Rat mit der Bitte um ein Privileg sich wenden. Der Rat wollte aber nicht darauf eingehen, „weil man keine Monopolia mehr einzuführen gemeinet sey“ und um augenscheinlich die Gewürzhändler, deren Rostock eine gewisse Anzahl besaß, nicht zu schädigen. Friedrich Wilhelm Hinrichsen war indes zähe genug, von seinem Vorhaben nicht ohne weiteres abzustehen, und wandte sich an den Herzog mit dem Gesuch, dem Rate in Rostock die Erteilung des Privilegs vorzuschreiben.125) Gleichzeitig bewarb er sich um das Recht, auf den Jahrmärkten den Tabakhandel betreiben zu dürfen,126) „da nicht zu beschreiben, was schlechte Nahrung in in Rostock sey“, und dieses Gesuch befürwortete sogar der Rat beim Herzoge. Wahrscheinlich ist es ihm auch erteilt worden, obwohl Michael Hinrichsen, als er davon hörte, sofort den Herzog bat, die Erlaubnis zu verweigern. Es seien schon Privilegierte (Juden?) genug und die Erteilung des neuen würde sein Geschäft wesentlich beeinträchtigen.

Die aufeinander folgenden Ausfertigungen des Monopols lassen sich nicht alle in den Akten belegen. Am 26. Mai 1697 erfolgte jedenfalls eine Bestätigung, vermutlich auch im Jahre 1695 und im Jahre 1698. Wie es scheint, wurde nunmehr das Privileg auf längere Zeit erteilt.

Zu Beginn des Jahres 1701 machte sich eine Verlegenheit geltend, einen neuen Pächter zu finden. Vermutlich war das Geschäft doch ein mühseliges und verhältnismäßig wenig gewinnreiches. Denn Michael Hinrichsen, der gleichzeitig in Schwerin Hofjuwelier war, bewarb sich nicht um die Erneuerung des Privilegs, und als es ihm von der Kammer nahe gelegt wurde, es zu tun, erklärte er, sich nicht früher entscheiden zu können, als bis er sich mit seinem in Hamburg aufhaltenden Schwager Goldschmidt darüber verständigt hätte.127) Schließlich kam indes doch auf der alten Grundlage der Vertrag zustande. Michael Hinrichsen und Goldschmidt erhielten das Monopol zum alleinigen Handel mit Tabak im Fürstentum Schwerin gegen Zahlung von 100 Talern jährlich, dieses Mal auf die Dauer von 6 Jahren.128) Rechnet man vom Tage der Datierung des Patents, so wäre am 30. August 1707 die Pacht abgelaufen. Doch muß dann noch einmal eine Erneuerung stattgefunden haben, da die Rentereirechnungen, die seit dem Jahre 1683/84 eine Rubrik aufweisen „Von den Juden allhie auff der Schelfe wegen des Tobackhandels“, zum letzten Male die Zahlung von 100 Rtlrn. Spezies für die Zeit von Johannis 1707 bis ebendahin 1708 registrieren.

Mit dem Jahre 1708 hört also das Monopol wieder auf, nachdem es unbeschadet des Einspruchs der Stände etwa 35 Jahre bestanden hatte. Der finanzielle Erfolg war kein großer gewesen. Denn vorausgesetzt, daß die Pächter regelmäßig bezahlt haben, was erst seit 1683/84 durch die Rentereirechnungen verbürgt ist, wären in dem genannten Zeitraum nicht mehr als 3500 Taler vereinnahmt worden. Diese verhältnismäßig geringfügige Summe war aufgebracht worden unter allgemeiner Unzufriedenheit der Bevölkerung und entschiedener Abneigung der Stände. Diese hörten nicht auf, über die Beeinträchtigung der Handelsfreiheit sich zu beschweren, und dieser Mißstimmung trug offenbar der Herzog Rechnung, als er schließlich das Monopol fallen ließ. In den Resolutionen vom 19. März 1708, die auf der „gemeinen Städte Angelegenheiten“ in Schwerin erteilt wurden, heißt es: „ad 16. Die Monopolia sollen abgestellet und die freye Handlung mit allen Wahren denen Städten gelassen werden, jedoch sollen sie gehalten seyn die Seiffensiederei, wie wohl ohne einige Recognition dafür zu geben, fortzusetzen und den Toback, der alhie im lande gebauet wird, zu verarbeiten, damit diese Nahrung nicht aus dem lande gehe und das Geld dafür in die Frembde gebracht werde.“ Darin darf wohl die offizielle Bestätigung, daß es mit dem Monopol zu Ende war, erblickt werden. Nur die allgemeine Mahnung auf merkantilistischer Grundlage blieb, daß man den einheimischen Rohstoff nicht unbenutzt liegen lassen, sondern an seine Verarbeitung sich machen möge, um Zahlungen ans Ausland zu ersparen.

Die Schwierigkeiten der Durchführung des Monopols hatten sich während dieser ganzen Periode gezeigt. Entweder ließen sich die Pächter Übergriffe zu Schulden kommen und genügten den übernommenen Verpflichtungen nicht, oder es gelang ihnen nicht, den Widerstand der gegen sie voreingenommenen Bevölkerung zu überwinden. Die Krämer in Dömitz klagten z. B., daß die Juden auch den Handel en détail trieben, wodurch sie in ihrem Geschäftsbetrieb beeinträchtigt würden und für ihren von den Pächtern gekauften Tabak keinen Abnehmer fänden.129) In Bützow erhob der Apotheker Clandrian, der früher selbst Tabakhandel getrieben und guten Hamburger Tabak zu 5 Schill. das Pfund abgegeben hatte, den Vorwurf, daß die Pächter „untauglichen Tabak“ zu teuer zu verkaufen pflegten.130) Dasselbe behaupteten die Kaufleute in Parchim und, wenn auch der Herzog die Monopolinhaber anwies, ihren Verpflichtungen getreu zu bleiben,131) so hatte das nicht viel Wirkung. Denn die gleiche Anklage wurde bald wieder in Dömitz laut: Tabak im Werte von 4 Schill. das Pfund gäben die Pächter zu 7 Schill., solchen im Werte von 7 Schill. das Pfund zu 10 Schill. usw. Beim Brieftabak enthielten die Pakete statt der herkömmlichen 180 Briefe nur deren 140. Dazu verlangten sie bei der Bezahlung in Talern noch ein Aufgeld von 6 Schill.132)

Die Pächter versuchten sich von diesen Anschuldigungen zu reinigen. Doch sind ihre Mitteilungen viel zu undeutlich, als daß man die Überzeugung von ihrer Unschuld gewinnen könnte. Sie kauften angeblich den Tabak zu 2 1/2 bis 3 Schill. das Pfund ein und, indem sie alle Umstände berücksichtigten, als Zoll, Fracht, den Lohn an die Spinner und „Säuberer“, die Unkosten für Wagen und Pferd, wenn sie auf die Jahrmärkte zogen, das Manko (25 Prozent sollten bei einem Zentner auf die Stengel gerechnet werden müssen), das schlechte Geld, das sie in Mecklenburg erhielten, während sie in Hamburg und Lübeck vollwichtiges bezahlen mußten, gelangten sie zu einem durchschnittlichen Einkaufspreis von 4 Schill. das Pfund. Demgemäß glaubten sie beim Verkauf verlangen zu müssen für kleinen Tabak 4 Schill. 6 d., für Mitteltabak 6 Schill., für feinen Tabak 10 Schill. das Pfund, und behaupteten, daß man den Tabak nirgend billiger als bei ihnen erstehen könnte.133) Ein völlig reines Gewissen aber haben die Herren Pächter kaum gehabt. Wenigstens schlossen sie mit den Krämern in Parchim einen Vergleich, laut welchem sie einige Zugeständnisse zu machen für gut befanden. Den feinen Tabak wollten sie zu 9 Schill., den mittleren zu 5 Schill. 6 d., den „Fetten“ Tabak zu 4 Schill. 3 d. abgeben. Das Paket Brieftabak sollte für einen Taler 150 Briefe enthalten und bei Barzahlung versprachen sie Drittel- und Zweidrittelstücke für voll anzunehmen.134) Freilich klagten später die Parchimer darüber, daß die Juden sich zu helfen gewußt und schlechteren Tabak geliefert hätten.135)

Man glaube nicht, daß die privilegierten Händler gerade in Parchim und Dömitz ihre Künste besonders übten. In Grabow, Neubukow, Warin trieben sie es nicht besser. Aus ersterer Stadt ertönt der Vorwurf, daß die Pächter den Tabak zu feucht verkauften, so daß, wenn er trocken geworden, man am Gewicht eingebüßt habe. In Neubukow wiederum beschwerte man sich, daß man für ein Pfund Rolltabak 11 Schill. habe geben müssen, das man in der gleichen Güte in Wismar für 7 Schill. erstehen könnte, und in Warin endlich empfing man für einen Taler nur 140 Briefe, während man in Wismar für den gleichen Geldbetrag 160 Briefe erhalten konnte.136)

Gegenüber diesen Erfahrungen begreift man schwer, daß der Herzog, der allerdings die Pächter stets zur Verantwortung zog, wenn Beschwerden gegen sie eingegangen waren, sehr streng auf Übertretungen des Monopols Acht geben ließ und immer neue Mandate zur Unterstützung der Pächter ausgehen ließ. Das geschah natürlich, um das ihnen einmal erteilte Recht nicht zu kränken. Aber wenn die Anordnungen sich so schwer und nur unter Benachteiligung seiner Untertanen durchführen ließen - warum erkannte man dann die Zweckmäßigkeit, das Monopol aufzuheben, nicht schon früher wieder an? Man vergesse nicht, daß der unerlaubte Handel der Krämer, Kaufleute usw. mit dem von anderen Leuten als den Pächtern erkauften Tabak wesentlich darin seine Rechtfertigung hatte, daß sie sich von den Privilegierten übervorteilt fühlten.

Die Klagen und Denunziationen von seiten der Juden über unbefugten Handel rissen nicht ab, und trefflich wußten sie die Leute auszukundschaften, die sich Verfehlungen zu Schulden kommen ließen, indem sie von anderswoher den Tabak bezogen. In Schwerin bot ein Bürger Mönnike fremden gesponnenen Tabak und Brieftabak feil, das Pfund vom ersteren zu 8 Schill. Flugs hatte ihn Hinrichsen erfaßt und einen Befehl vom Stadtvoigt ausgewirkt, den Tabak konfiszieren zu lassen.137) In Dömitz baute die Soldateska innerhalb der Festung das edle Kraut und verkaufte wohl gar davon, führte auch Tabak aus Lüneburgischen Spinnereien ein.138) In Neustadt entdeckten die Pächter einen gewissen Moldenhauer, der Rollentabak verkaufte, der nicht bei ihnen erstanden war.139) Vor allen Dingen aber waren ihnen die Franzosen in Bützow ein Dorn im Auge, die teils mit ihrem Erzeugnis hausieren gingen, teils den Rohstoff selbst verarbeiteten.140)

Indes wenn der Herzog geneigt war, sonst auf die Beschwerden der Juden einzugehen, den Franzosen gegenüber übte er Nachsicht. Er ließ den Pächtern antworten, daß er den Hugenotten soviel wie möglich Tabak abnehmen wolle, damit sie zum Verspinnen keinen mehr nachbehielten. Als aber die Pächter nicht müde wurden, um ein Verbot des Tabakhandels der Franzosen nachzusuchen und diese sich in ihrer Not an den Herzog selbst wandten,141) befahl er den Juden, sich nach Bützow zu begeben und dort mit den Leuten „nach Billigkeit“ zu verhandeln. Hinrichsen war das offenbar gar nicht nach Sinn, und wenn er auch dem Befehl gehorchen mußte, so fand er den Tabak nicht so gut, wie er ihn gewohnt war und um einen Taler pro Zentner teurer als an anderen Orten.142) Doch dem Herzog kam es darauf an, die einheimische Industrie zu beleben, und so schritt er auch später nicht gegen seine Schützlinge ein. Die Hugenotten hörten aber später von selbst auf, sich mit dem Tabakbau zu befassen.

Im übrigen erging während der Dauer des Monopols ein Mandat nach dem anderen behufs seiner Aufrechterhaltung.143) Von den Kanzeln in den Kirchen herab wurde auf Wunsch der Pächter die Vorschrift verkündigt. Strenge Strafen drohten dem, der mit fremdem, nicht von dem Pächter bezogenen Tabak handelte. Zwölf Taler waren für jedes Pfund Tabak, zwei Taler für jedes Paket Brieftabak angesetzt, den man derart entdecken würde. Herzogliche Beamte visitierten überall und es war eine Instruktion aufgesetzt, wie dabei zu verfahren war. Alle Krambuden, Böden, Keller, ganze Häuser wurden durchsucht und es kam dabei gelegentlich zu häßlichen Szenen. Wie z. B. in Schwerin, wo ein gewisser Carnatz den Juden bedrohte, ihn einen Betrüger nannte und dergleichen mehr. Die Pächter bedienten sich des schlauen Auskunftsmittels, Soldaten in die Tabakläden zu schicken und auf diese Weise diejenigen zu ermitteln, die unerlaubten Tabak vertrieben. Am 15. April 1699 wurde der Akzise-Inspektor Fritzchen ausdrücklich angewiesen: „Wenn Du in den Städten und auf dem Lande reisest, fleißig Acht zu haben, ob die Tabaksverordnung ausgeführt wird.“144) Er konnte denn auch bald melden, daß er in Gadebusch und Rehna Tabak aus Lübeck gefunden hätte, für den er nach den Sätzen des Mandats eine Strafe von 225 Rtlrn. berechnete.145)

Bei solcher Sachlage werden gewiß alle Händler wie Konsumenten froh gewesen sein, als endlich das Monopol wieder aufhörte und jeder sich wenigstens im Schwerinschen seinen Tabak holen konnte, wo er wollte. Wie es sich im Güstrowschen verhielt, haben wir im vorhergehenden Abschnitt kennen gelernt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Tabakmonopol in Mecklenburg-Schwerin