Fortsetzung

Um inzwischen die Zeit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen und den Kranken, welche schon jetzt Hilfe suchten, solche zu verschaffen, aber auch zugleich, um Erfahrungen zu sammeln, gab der Verfasser dieser Zeilen, damals Bürgermeister in Sülz, ein ihm gehörendes, unter den beiden Silberpappeln, welche sich noch seitwärts des Badehauses erheben, gelegenes kleines Blumenhaus her, um darin die ersten Bäder einzurichten. Das Vergnügen musste dem Nützlichen weichen, und die Umwandlung des Häuschens zum Badelokal geschah rasch genug, um es noch zu rechter Zeit benutzen zu können, Eingangs links ward eine kleine Stube zum Eintritt der Badegäste, rechts eine größere Stube zu zwei Badestuben eingerichtet. Auf der sehr kleinen Diele war ein Kessel eingemauert, um darin das heiße Wasser zu bereiten, und an der Hinterwand stand auswärts ein großer hölzerner Kumm, worin die Sole gegossen ward und aus welchem sie in Röhren, die durch Hähne geschlossen und geöffnet werden konnten, in die beiden Badewannen floss. Der vor dem Hause liegende Garten bot die Gelegenheit zum Spazierengehen dar. So klein und notdürftig diese Einrichtung auch war, und obgleich sie am 1. Juli 1822 ohne irgend eine öffentliche Bekanntmachung bloß Andrängenden zum Gebrauch hingegeben ward, so fanden sich doch außer Vielen, die zum Vergnügen einzelne Bäder nahmen, schon 9 wirklich Leidende als Badegäste ein, und es wurden 230 Bäder gegeben. Als auffallende und ermunternde Resultate stellten sich heraus, dass

1) ein Herr, welcher jährlich heftig am Podagra gelitten hatte, das Bad vollständig geheilt verließ. Gichtknoten an den Füßen waren verschwunden, und ein starker Badeausschlag, der bei dem Aufhören der Kur noch fortdauerte, garantierte den Erfolg. Es hat derselbe Herr noch mehrere Jahre den Gebrauch des Bades wiederholt, doch, wie er sagte, aus Dankbarkeit, nicht aus Not;
2) eine Dame, welche an Nervenschwäche und beginnender Wassersucht litt;
3) ein Herr, der seit Jahren an rheumatischen Kopf- und Zahnschmerzen gelitten hatte: endlich
4) ein an bösartigen Geschwüren und Wunden an den Füßen Leidender, verließen die junge Anstalt geheilt und gaben die ersten Beweise von der Wirksamkeit der Sole in verschiedenen Krankheitsformen. Für diese ersten Versuche und später, als Badearzt angestellt, fungierte der viel erfahrene und geschickte hiesige Arzt Dr. Plotzius, gewiss noch bei Vielen in dankbarem Andenken.


Diese Erfolge machten Aufsehen und vermehrten im Jahre 1823 den Andrang von Hilfesuchenden so bedeutend, dass in dem kleinen Lokal schon gegen 600 Bäder gegeben wurden, welche das Urteil Hufelands über Solbäder bestätigten, wonach dieselben noch oft da Hilfe leisten, wo alle andern Bäder und Brunnenanstalten unwirksam geblieben sind.

Zum Bau eines Badehauses wurden verschiedene Risse entworfen und zur höheren Bestimmung vorgelegt. Man war dabei hier von der Ansicht ausgegangen, dass die Kosten möglichst abgemindert werden müssten, dass daher der wohlfeilere Fachwerkbau für ein Haus genüge, welches nur wenige Sommermonate des Jahres im Gebrauch war, und dass nur wenige Logierzimmer nötig sein würden, weil in der Stadt bald Logis eingerichtet und zum Vermieten bereit gehalten werden würden. Es wurden die hier projektierten Risse aber nicht genehmigt und von Schwerin der Riss zu dem jetzigen Badehause geschickt. Die Vorderfront des zweistöckigen Hauptgebäudes ward massiv aufgeführt, die übrigen Wände waren Fachwerk. Im zweiten Stock waren 14 Logierzimmer von verschiedener Größe, eine Treppe höher, in beiden Giebeln, noch zwei größere Logierzimmer und unterm Dach mehrere Kammern für Dienstboten.

Das Bedenken, ob der vorgedachte sumpfige Untergrund ohne sehr kostbare Pilotierung die massive Wand tragen werde, ward gehoben, als bei der Untersuchung der Bohrer nach wenigen Fuß schlammigen Bodens Ton mit herausbrachte, und aus 18 Fuß Tiefe die Tonlage noch nicht durchmessen war. Wie verheißen, wurden von der allerhöchsten Gnade die Baumaterialien gegen die Bereitelöhne frei bewilligt und angefahren. Die Gelder zu den Ankäufen und Bauten kamen aber durch Anleihen sehr rasch zusammen. Zur besseren Förderung der Maurerarbeit ward von Schwerin der Maurerpolier Lühr mit einem Gesellen geschickt und im Jahre 1823 mit dem Bau so rasch verfahren, dass das Badehaus im November gerichtet und unter Dach gebracht war, und da der nachfolgende gelinde Winter es gestattete, mit den Bauten und der Einrichtung der Umgebung fortzufahren, so konnte die Anstalt schon im Jahre 1824 eröffnet werden.

Das Badehaus ist 105 Fuß lang und 40 Fuß tief. Vor seiner nach Südost gelegenen Fronte liegt ein breiter gepflasterter Vortritt, zu welchem vier Stufen hinaufführen, und vor der Haupteingangstür befindet sich ein 8 Fuß tiefes und 20 Fuß langes Vestibül, auf zwei kannelierten Säulen ruhend, unter welchem Tische und Sitzplätze den Badegästen einen sehr beliebten Aufenthaltsort darbieten. Der Eingang ins Haus führt auf eine geräumige Diele, von welcher man zur Linken in zwei Vorzimmer und aus diesen in einen Saal tritt, welcher, durch die ganze Tiefe des Hauses gehend, drei Fuß in das zweite Stock hineinragt und dadurch eine Höhe von 17 Fuß hat. Zur Rechten der Diele befand sich damals ein Zimmer und drei Badestuben, jetzt befinden sich dort zwei durcheinandergehende Konversationszimmer und eine Badestube. Rechts ab führte ein Gang zur Treppe und in den Badeflügel. Im Hintergründe der Diele befanden sich die Küche und Speisekammer. Die Unzweckmäßigkeit dieser letzteren Anlage machte sich nur zu bald bemerklich. Nicht allein das Geräusch der Küche und der Geruch der Speisen, sondern auch ein unerträglicher, das ganze Haus durchziehender und besonders zu den oberen Logierzimmern aufsteigender Rauch, bewiesen bald die Notwendigkeit einer Änderung, und so ward schon 1826/27 ein zweiter zweistöckiger Flügel angebaut, der das ganze Wirtschaftslokal, und zwar unten Küche, Speisekammer und Leutestube, oben die Wohnung des Ökonomen enthielt. Die bisherige Küche nebst Speisekammer ward zu einem Billardzimmer nebst Büffet eingerichtet. In denselben Jahren ward auch noch ein Pferdestall nebst Wagenremise gebaut, wie denn auch gleich anfangs ein Eiskeller, sowie Stallung nebst Hof und Kellerraum für die Wirtschaft eingerichtet waren.

Nicht gleichen Schritt hielten die Bauten, welche Hausbesitzer in der Stadt unternahmen, um ihre Häuser zur Aufnahme von Badegästen einzurichten. Es entstand daher nicht allein Mangel an Logierräumen, sondern es beklagten sich auch die im Badehause Logierenden über die Unruhe, welche durch die vielen Bewohner und besonders durch den Gasthausverkehr in den unteren Räumen veranlasst ward. Um auch hier zu helfen und billigen Wünschen nachzukommen, ward 1828 das aus zwei Abteilungen bestehende, nächstgelegene städtische Haus angekauft; es war unter dem Namen Logierhaus einige Jahre sehr begehrt. Bei Zunahme der wohlfeileren Logis in der Stadt nahm indessen dieser Begehr so sehr ab, dass das Haus nach einigen Jahren fast leer stand, daher die eine Abteilung zu einer Dienstwohnung bestimmt, die andere aber verkauft ward.

Die so aufgebauten und angekauften Gebäude mussten natürlich auch eingerichtet und möbliert werden. Es wäre wahrscheinlich ein glückendes Unternehmen gewesen, wenn gleich anfangs ein tüchtiger Mann gefunden worden wäre, der Vermögen genug gehabt, hätte, die Einrichtung und damit auf eine Reihe von Jahren die ganze Badeanstalt für seine Rechnung zu übernehmen. Ein solcher fand sich aber nicht, und so blieb keine Wahl. Man war bis hierher gegangen und musste nun weiter gehen. — Das ganze Badehaus, dann das Logierhaus mussten vollständig und gut möbliert, es mussten Betten und Leinenzeug, Gardinen und Tischgedecke, Silberzeug, Glas und Porzellan, Möbel aller Art, Küchengeräte etc., kurz das ganze Inventarium angeschafft werden, und dann übertrug man 1824 einem schon als Bademeister und Gärtner angeleiteten jungen Manne die Wirtschaftsführung, deren Auskünfte nebst der Benutzung des ganzen Inventariums er als Gehalt nicht allein für diese Mühwaltung und für seine Dienste als Bademeister und Gärtner, sondern auch dafür erhielt, dass er die Haltung des gesamten dienenden Personals, die Reinigung aller Lokale und des Leinenzeugs, sowie die Aufwartung für die Logierenden besorgte, auch die Berechnung der Bäder und der Auskünfte aus den Logierzimmern führte, indem die Einnahmen dafür der Badekasse verblieben.

Erwägt man die bedeutenden Summen, welche auf Ankauf der Gärten, des Logierhauses, auf die zahlreichen Bauten und auf das gesamte Inventarium hatten verwendet werden müssen und die durch Anleihen herbeigeschafft waren, so wird man bald ermessen, dass hier an einen Zinsertrag nicht zu denken war, wenn man auch die von der allerhöchsten Gnade bewilligten Freibäder mit zu Gelde veranschlagen wollte. Dies war aber ein Grundübel, welches sich hartnäckig dem Aufblühen der Anstalt entgegenstellte.

Ein zweites Übel war die Furcht vor Benachteiligung der schon bestehenden Bäder Doberan, Warnemünde und Goldberg. Ein drittes die vielen kleinen Badeorte, welche sich überall längs der Seeküste, wo ein paar Fischer- oder Schifferhäuser standen, auftaten, und von denen jedes sein Publikum hatte; ein viertes endlich die weiter entstehenden Solbäder, die Dampfbäder und die Kaltwasserheilanstalten, so dass man wohl veranlasst werden konnte zu fragen! wo denn das Publikum herkommen solle für alle diese Kurorte? —!

Da nun nach der Fundation die Anstalt selbstständig bestehen und für sich berechnet werden sollte, die Kapitalien aber ausgeliehen waren und verzinst werden mussten, die Einnahmen jedoch nicht so bedeutend waren, dass außer den laufenden Ausgaben auch noch Zinsen davon bestritten werden konnten, so mussten neue Anleihen gemacht werden, um hier zu helfen. Man sah aber sehr bald ein, dass die Sache so nicht fortgehen konnte, und es übernahm daher von Johannis 1832 an die Großherzogliche Renterei den gesamten Schuldenbestand mit 27.668 Thlr. N 2/3, wonach die Anstalt denn nur noch für ihre laufenden Ausgaben zu sorgen und den etwanigen Überschuss an die Hauptkasse abzuliefern hatte. Es hörten damit freilich auch alle Verwendungen zur Erweiterung und ferneren Aufhilfe der Anstalt auf, Sie ward wie ein verlorenes Kind betrachtet, zwar erhalten, doch auch nichts weiter für sie getan. —

Nach einigen Jahren wurde bemerkt, dass es dem Bademeister zu schwer fiel, diesem Dienste mit den Geschäften eines Wirts zugleich vorzustehen. Es gab Beschwerden über Vernachlässigungen bald von der einen, bald von der anderen Seite, auch glaubte man bei Zunahme der Frequenz, dass nun wohl ein Vorteil für die Kasse aus der Ökonomieverpachtung zu gewinnen sein möchte, und da ein zwar unvermögender, aber von achtbarer Seite empfohlener junger Mann eine Pacht von 220 Thlr. N 2/3 bot, wonach der Kasse 100 Thlr. N 2/3 verblieben, wenn der Bademeister einen baren Gehalt von 120 Thlr. neben einem Anteil an den Trinkgeldern erhielt, so ward hierauf eingegangen und von da an der Bademeister und Gärtner fixiert, die ganze Ökonomieverwaltung aber dem Ökonomen für 220 Thlr. N 2/2 überlassen. Derselbe musste gleichfalls die von ihm zu erhebenden Mietsgelder für Logierzimmer an die Kasse der Anstalt abliefern, erhielt jedoch 4 ßl. vom Thaler für Wäsche, Auswartung und Berechnung. Sehr bald machte aber auch dieser die Erfahrung, dass er mit seiner Familie das ganze Jahr hindurch von dem, was er in den paar Monaten der Badezeit erübrigte, nicht leben konnte, denn der Verkehr in der Zwischenzeit war sehr unbedeutend und hörte späterhin, als die Gasthöfe in der Stadt sich hoben, ganz auf. Nur im ersten Jahre ward die volle Pacht gezahlt, schon im zweiten Jahre kam der Pächter in Rückstand, und wurden auch in den folgenden Jahren kleine Summen auf die Rückstände abgetragen, so musste doch der größere Teil remittiert und das Pachterlegnis abgemindert werden, da die Erfahrung zeigte, dass die Wirtschaft nicht so viel abwarf, um eine Familie zu ernähren und eine so erhebliche Pachtsumme aufzubringen. Zu einem veränderten Verhältnisse wurden mehrere Versuche gemacht, selbst der Verkauf der Anstalt ins Auge gefasst, allein es fanden sich weder Pächter noch Käufer, und so blieb nichts anderes übrig, als mit dem schon bekannten Ökonomen fort und fort zu unterhandeln, so dass er der Anstalt und diese ihm verblieb. Wie unter diesen Kümmernissen die Badeanstalt fortvegetiert hat, wird die am Schluss dieses in übersichtlicher Darstellung angefügte Tabelle über die gegebenen Bäder, sowie über die laufenden Einnahmen und Ausgaben, letztere mit Ausschluss aller Verwendungen für Ankäufe und Bauten, nachweisen. Endlich musste aber doch der Zeitpunkt eintreten, wo die Sache so nicht länger fortzuführen war und ein entscheidender Entschluss gefasst werden musste.

Das 1825 und 1828 angeschaffte Inventarium hatte 1850 22 bis 25 Jahre gedient, war also teils veraltet, teils verbraucht oder doch so abgängig, dass es ergänzt und erneuert werden musste. Es stand also — wollte man die Anstalt nicht eingehen lassen — nur zur Wahl, entweder abermals auf herrschaftliche Kosten ein neues Inventarium anzuschaffen, oder nochmals zu versuchen, die ganze Anstalt einem Unternehmer zu überlassen, der das Inventarium anschaffte und nun auf seine Gefahr die Sache fortführte. Für dies letztere ward höheren Orts entschieden, und da öffentliche Termine kein besseres Resultat ergaben, so übernahm der vieljährige Ökonom der Badeanstalt, Friederich Schwarz, das alte Inventarium nach einer billigen Taxe und pachtete die ganze Anstalt mit allen ihren Einkünften und Ausgaben, sie haben Namen wie sie wollen, insofern letztere nicht größere Bauten betreffen, die ausgenommen sind, — von Ostern 1852 an auf 10 Jahre gegen ein jährliches Erlegnis von 300 Thlr. und mit der Verpflichtung, 200 Bäder, worüber allerhöchst verfügt wird, unentgeltlich zu verabreichen. Die Anstalt ist damit unverkennbar in ein neues Stadium getreten, und es kann manches sich besser gestalten als bisher, wo bei der notwendigen Beschränkung der Willensfreiheit einer verantwortlichen und an einen festen Etat gebundenen Administration, vieles in den Hintergrund geschoben werden musste, was der Anstalt hätte nützen können. Die Folge wird lehren, wie die Hoffnungen auf eine bessere Zukunft in Erfüllung gehen. Die beiden Sommer 1852 und 1853 waren belebter als die früheren; die Zahl der Bäder stieg über 3.000.

Haben wir somit das Geschichtliche des Solbades berührt, so bleibt uns nun noch übrig, dessen innere und äußere Einrichtung darzustellen und Einiges über dessen Wirksamkeit und Leistungen anzuführen.

Die äußeren Verhältnisse anlangend, so besteht die Badeanstalt noch ebenso wie früher aus dem Badehause mit zwei Flügeln, in deren einem die Badeeinrichtung, im andern die Lokale für Ökonomie und zur Wohnung des Pächters sich befinden. Die 12 Badezimmer liegen zu beiden Seiten eines Ganges, an dessen Ende die Badeküche stößt. In jedem Zimmer befindet sich eine in den Fußboden eingesenkte Badewanne, teils 5 ½ Fuß lang. 4 Fuß breit, doch oval und 3 Fuß tief, zum Teil um einen halben Fuß in allen Dimensionen kleiner, also doch von bedeutenderer Größe, als sonst Badewannen zu sein Pflegen, was den meisten Badegästen sehr angenehm auffällt. Bei jeder Wanne befindet sich ein Hahn von Messing, der aus kupfernen Röhren das kochende süße, und ein desgleichen, der das kalte salzige Wasser oder die Sole zulässt, wenn er aufgedreht wird. Beide Wasser fliehen zugleich in die Wanne und werden dabei gut durch einander gerührt, um ihre innige Vermischung zu bewirken. Die Quantität des kochenden Wassers hängt hauptsächlich von dem Grade seiner Hitze ab, denn es muss so viel davon zugelassen werden, dass die Mischung die vom Arzte bestimmte Badewärme hat, gewöhnlich 27 bis 28° Réaum. Ist das süße Wasser, wie es sich gehört, kochend, so sind zur Füllung der Wanne noch ungefähr 18 Kubikfuß 5löthiger Sole erforderlich, und da der Kubikfuß 5löth. Sole etwa 3 Pfd. Salz enthält, so sind in jedem Bade 54 Pfd. oder l Scheffel Salz enthalten, und nach der Mischung mit fast der gleichen Menge kochenden Wassers hat dann das Bad eine Grädigkeit von 2 bis 2 ½ Proz.

Eine Einrichtung für Dusche, Sturz- und Regenbad ist vorhanden, sowie auch die Mischung vom Arzte verordneter Zusätze, als Eisen, Schwefel, Malz, Kräuter verschiedener Art etc., keine Schwierigkeiten hat. — Wem nach dem Bade Ruhe empfohlen ist, kann solche auf einem in jedem Badezimmer befindlichen Ruhelager finden, falls der Kurgast nicht im Badehause logiert, wo er dann das eigene Zimmer vorzieht; — ist Bewegung angeraten, so findet sich die Gelegenheit dazu in den Umgebungen des Badehauses, wo freundliche, von Zeit zu Zeit nach dem herrschenden Geschmack umgeänderte Spaziergänge in einem Garten von etwa 800 Quadrat/Ruten Größe zum Besuch einladen; oder bei ungünstiger Witterung in dem Salon des Badehauses, wo ein (jetzt freilich auch veralteter und stark angegriffener) Flügel den Musikliebhabern zu Gebote steht. Auch längs den Gradiergebäuden der Saline sind trockne Gänge für Spazierende vorhanden, und hat noch der weil. Geh. Medizinalrat v. Vogel diese Wege als heilsam und besonders stärkend für Brustleidende sehr empfohlen.

So wie die Badeanstalt 1824 eröffnet war, ward auch nach allerhöchster Bestimmung ein Direktorium ernannt, welches noch bestätigten Normen, die als Baderegulativ im Badehause angeschlagen waren, die Ordnung handhabte. Es war der Dr. Plotzius als Badearzt angestellt und ein Bademeister ernannt, die beide mit Instruktionen versehen waren und das übrige Badepersonal, welches letztere jährlich gewechselt werden konnte, zu beaufsichtigen hatten. Diese Einrichtung hat durch die neuere Verpachtung der Anstalt wesentliche Modifikationen erlitten. Indem der Pächter ohne weitere Beschränkung, als der Kontrakt mit sich bringt, für sein Interesse handelt, hat die Wirksamkeit des Direktoriums aufgehört und ist in die allgemeinen Schranken einer Polizeiaufsicht zurückgetreten. Ein Badearzt ist indessen noch vorhanden, und es fungiert als solcher der ältere der hiesigen Ärzte, Dr. Diederichs. Der frühere Bademeister und Gärtner ist pensionier, und musste ea dem Pächter überlassen bleiben, dessen Funktionen selbst zu versehen oder durch von ihm angestellte, folglich von ihm abhängige Leute versehen zu lassen. Endlich gehen nun alle Preisbestimmungen, sowohl für Logierzimmer, wie für Bäder und Lebensmittel vom Pächter aus. Die Gemeinnützlichkeit des Bades hat insofern eine Beschränkung erlitten, als früher über 1.000 Freibäder gegeben wurden und jetzt nur über 200 disponiert werden kann, wobei aber allerdings zu berücksichtigen, einmal, dass früher wohl in manchen Fällen die allerhöchste Gnade gemissbraucht ward und Freibäder nachgesucht wurden, wo die dringende Not dies grade nicht rechtfertigte, und andern Teils, dass dem Vernehmen nach auch der jetzige Pächter manchem Bedürftigen bedeutende Erleichterungen angedeihen lässt.

Was nun die Wirksamkeit des hiesigen Bades anlangt, so ergibt schon die Menge und Art der in der Sole enthaltenen Bestandteile, dass diese Bäder auf mehrfache Krankheitsformen kräftig einwirken müssen.

Die Übel, auf welche das Solbad vorzüglich heilkräftig einwirkt, finden sich in vielen darüber handelnden Schriften, und in Bezug auf das hiesige Bad, — außer in mehreren Bekanntmachungen und Insertionen im Freimütigen Abendblatt aus der Feder des weil. Geh. Medizinalrats d. Vogel, — neuerdings in einer kleinen Schrift zusammengestellt, welche der dem Dr. Plotzius folgende, aber auch bereits verstorbene hiesige Amts- und Badearzt Dr. Eduard Albrand im Jahre 1846 in der Hinstorff’schen Buchhandlung in Ludwigslust unter dem Titel: „Das Solbad zu Sülz, nebst Anleitung zu dessen Gebrauch- — erscheinen ließ. Eine kleine Vignette vor dem Büchlein zeigt dem Leser das hiesige Badehaus. — Diese Übel, um solche hier nicht ganz mit Stillschweigen zu übergehen, sind zunächst alle Beschwerden, welche aus Skropheln entstehen, veraltete Geschwüre, Flechten und sonstige Haut-Ausschläge, Gicht, Rheumatismen etc. Es heben die Solbäder die Neigungen zu Rosen, Nesselsuchten, Flüssen, sie heilen mancherlei Nervenkrankheiten, namentlich nervöse Kopfschmerzen, Gesichtsschmerzen; sie wirken heilsam bei Unordnungen in der Menstruation, bei Hypochondrie und Hysterie, und leicht wäre es, noch eine Menge Krankheitsnamen aus der Menge menschlicher Leiden anzuführen. Doch es sind ja nicht die Namen der Krankheiten, wonach der Kranke ein Bad wählen soll, sondern es ist der Rath des verständigen Arztes, der ihn bestimmen muss, da wohl jedes Übel nach der Natur des damit Behafteten einen verschiedenen Charakter annimmt, folglich auch eine verschiedene Behandlung erheischt. Möge hier eine kundigere Feder, die Eigentümlichkeiten des hiesigen Bades näher erörternd, nach den hier gemachten Erfahrungen und den stattgehabten Heilungen, dem fernen Arzte wie dem Badebedürftigen, der nicht weiß, wohin er sich um Hilfe zu wenden hat, einen Leitfaden geben, der ihn beurteilen lässt, was er hier zu erwarten, zu tun und zu hoffen hat. Möge aber auch der schon mehrfach ausgesprochene Wunsch wiederholt werden, dass es den vorurteilsfreien vaterländischen Ärzten gefallen möge, die Eigenschaften des hiesigen so heilkräftigen Bades wo möglich durch persönlichen Besuch, sonst doch durch Korrespondenz mit dem Badeärzte näher kennen zu lernen und geeigneten Falles ihre Kranken herzusenden, demnächst aber auch tunlichst die Erfolge bekannt werden zu lassen. Hieran hat es noch immer sehr gefehlt, und wohl ist es hier öfter bitter empfunden, dass das Bad von den Ärzten nicht genügend gewürdigt wird, oder dass Kranke mit Instruktionen versehen hier anlangten, die für andere Bäder dienlich sein mochten, für die Eigentümlichkeiten der hiesigen Sole aber nicht passten, und dass die Wirkung des Bades verloren ging, wohl gar eine nachteilige war, weil der Kranke nicht auf den Rat des Badearztes hörte, sondern der ihm anderweit gewordenen Vorschrift folgte. Dagegen ist es wieder der hiesigen Administration zum Vorwurf gemacht worden, dass nicht mehr über die Heilkraft des hiesigen Bades veröffentlicht, dass nicht mehr Krankengeschichten ins Publikum gebracht sind! — Es ist dies aber allerdings in früheren Jahren geschehen, indem der Geh. Medizinalrat v. Vogel selbst mehrfach (im Freim. Abendbl.) über die Wirkungen des hiesigen Bades Mitteilungen machte und dabei auch spezielle Fälle anführte. Solches ward indes sehr übel genommen, ja es hat Kranke abgehalten, hierher zu kommen oder hierher zurückzukehren; wie es denn wohl nur Wenige gibt, denen es gleichgültig ist, über sich und ihre Krankheitsumstände in öffentlichen Blättern geurteilt zu sehen. Dass keine Namen genannt wurden, versteht sich von selbst; allein an einem so kleinen Badeorte stehen sich die Kurgäste so nahe und lernen sich so genau kennen, dass jeder, der später eine Krankengeschichte aus der Zeit seiner Badekur liest, leicht erkennt, welche Person damit gemeint ist. Erst in späteren Jahren, wenn die Erinnerung aufgehört hat, die betreffenden Personen vielleicht aus dem Leben geschieden sind, können Heilungen aus der Vergangenheit, ohne Anstoß zu erregen, publiziert werden, und so mögen denn auch hier noch einige aus den älteren Tagesberichten des verstorbenen Badearztes Dr. Plotzius angeführt werden, um doch einige der verschiedenen Krankheitsformen näher zu bezeichnen, in denen sich das Bad besonders kräftig erwiesen hat.

1) Im Jahr 1824 erschien hier im Bade ein Herr, welcher 20 Jahre an heftigen periodischen Kopfschmerzen gelitten hatte, über deren Ursache die Ärzte lange im Dunkel geblieben waren. Im Juni 1824 hörten die Kopfschmerzen ohne bekannte Veranlassung plötzlich auf, es trat aber an ihre Stelle ein so heftiger Gichtanfall im rechten Knie, dass der Leidende mehrere Wochen das Bett hüten musste und dann dasselbe nur mit einer Krücke verlassen konnte, mit welcher er denn auch hier erschien, um im Solbade Hilfe zu suchen. Er musste — da leider zu ebener Erde keine Logierzimmer für derartige Fälle zur Disposition standen, — in eine Badestube einquartiert werden, da er gänzlich unfähig war, Treppen zu steigen. Nachdem er 12 Bäder genommen, stieg er schon mit Mühe die Treppen hinauf, um zu beobachten, ob nach der Gegend hin, wo sein Pachthof lag, wohl die längst ersehnten Regenwolken zogen. Nach 21 Bädern legte er die Krücke weg und behalf sich mit einem Stock. Leider konnte er diesmal nicht länger verweilen und die Kur fortsetzen; er kehrte aber im folgenden Jahre wieder und ward so vollständig geheilt, dass er selbst seinem Hauptvergnügen, der Jagd, wieder ungestört nachgehen konnte.

2) Ein Zimmergeselle war in Folge eines Ausschlags an Händen und Armen, besonders der linken Seite, völlig gelähmt und litt heftige Schmerzen. Er erhielt unentgeltlich 50 Solbäder und konnte von Michaelis an wieder auf der Arbeitsstelle erscheinen und sein Brot verdienen.

3) Im Jahre 1827 erschien ein Herr in mittleren Jahren. Er hing in zwei Krücken und war an dem einen Fuße so sehr gelähmt, dass derselbe, von den Sehnen in die Höhe gezogen, völlig kraftlos an dem Körper hing. Er verließ das Bad schon sehr gebessert mit einer Krücke und schrieb nach einiger Zeit: er habe auch diese abgelegt und könne nun mit Hilfe eines Stocks gehen und reiten, wohin er wolle. Der Arzt nannte die Krankheit Anchylosis des rechten Knies nebst Schwinden des ganzen Schenkels, wogegen vergeblich zahlreiche Mittel tüchtiger Ärzte, auch Schwefel- und erweichende Bäder gebraucht worden waren. Das hiesige Solbad half! —

4) Eine junge Dame hatte in Folge einer heftigen Erkältung an einem starken rheumatischen Fieber und Hirnentzündung gelitten; kam sehr blass, sehr niedergeschlagenen Gemüts und so schwach hier an, dass sie getragen werden musste. Sie litt häufig an Krämpfen und der Rheumatismus war chronisch geworden. Zwei Jahre hatte sie fortwährend mediziniert und war immer leidender geworden. Hier erholte sie sich zusehends und verließ das Bad fast völlig hergestellt. Das noch Fehlende vollendete die Nachkur.
Es erregte allgemeine Freude und Rührung, als beide Ebengenannten im Sommer 1828 wieder erschienen und den ersten Ball als tanzendes Paar eröffneten! —

5) Ein Kind von 5 Jahren, etwas skrophulös, hatte von den Masern einen lästigen Husten mit Auswurf und schleichendem Fieber nachbehalten. Die Besserung trat beim Gebrauch des Bades auffallend schnell ein, und es verließ das Bad geheilt.

6) Eine Dame hatte seit mehreren Jahren an Gicht und Magenkrampf mit Leibesverstopfung gelitten, hatte im letzten Winter eine Leberentzündung bekommen, von der noch bedeutende Härte mit dumpfem Schmerz in der Leber zurück geblieben war. Die Leibesverstopfung kehrte immer wieder und die Leidende konnte dabei fast nichts im Magen behalten, wobei sie Schmerz nach dem Genuss der mildesten Nahrungsmittel empfand. Sie war von diesen Leiden in hohem Grade geschwächt. Ihr Arzt hatte Solbäder angeraten, die sie im Sommer 1827 hier nahm und zwar mit außerordentlichem Erfolge. Sie konnte zuletzt sogar saure Speisen vertragen, die hartnäckige Leibesverstopfung hörte auf, der Leibesschmerz und der größte Teil der Verhärtung verschwanden. Der Dr. Plotzius bemerkte hierzu: dass er nur im Anfange der Kur einige Male Arznei zur Hebung der Verstopfung angewandt habe, die Auflösung der Verhärtung also den eingesogenen Bestandteilen des Bades, besonders dem salzsauren Kalk, den Jod- und Bromverbindungen, zugeschrieben werden müsse.

7) Eine Dame, die gegen einen Flechtenausschlag Hilfe im Bade suchte, bekam einen Zusatz von Schwefel und verließ die Anstalt sehr gebessert.

8) Ein junger Mann litt nach einer heftigen Erkältung an einer Lähmung und Abzehrung des linken Arms, der Hand und Finger. Er bekam 24 Duschbäder auf den oberen Teil des Rückgrats und den gelähmten Arm. Der Arm ward dicker von Fleisch, bekam auch etwas mehr Kraft, und der Kranke konnte kurz vor der Abreise auch schon die Finger willkürlich bewegen. Wahrscheinlich hat hier die Nachkur noch vieles bewirkt, doch fehlen darüber die Nachrichten.

9) Ein Dienstmädchen litt an einem aussatzähnlichen Flechtenausschlag über den ganzen Körper; badete mit Schwefelzusatz und war fast gänzlich geheilt, als sie Sülz Verließ.

10) Im Sommer 1828 badete hier ein Herr, welcher an einer Anschwellung der lymphatischen Drüsen an den unteren Extremitäten litt, so dass man den Lauf der einsaugenden Gefäße fühlen konnte, als wenn kleine Kugeln paternosterartig an einander gereiht wären. Dabei litt derselbe auch an stockenden Hämorrhoiden, die nach dem dreizehnten Bade in Fluss kamen. Nachdem derselbe 24 Bäder mit einem Zusatz von eingedickter Mutterlauge bekommen hatte, fand sich ein podagrischer Anfall ein. Bei der Abreise waren die Anschwellungen der lymphatischen Drüsen und die damit verbundenen Schmerzen noch unverändert. Nach einer im Januar 1829 von dem Kranken eingegangenen Anzeige aber hatte das Bad noch sehr nachgewirkt und sein Zustand hatte sich bedeutend gebessert. Leider gestatteten die Verhältnisse keine Wiederholung der Kur.

11) Eine Dame hatte schon mehrere Jahre, besonders im Winter 1827/28, an der Gicht gelitten, war so geschwächt, dass sie kaum gehen konnte, sehr blass und hatte ein schwächliches Ansehen. Bei ihr tat das Solbad Wunder, denn mit 16 Bädern war die Heilung schon vollendet.

12) Im J. 1829 kehrte ein 60 Jahre alter Herr ins Bad zurück, der im vorhergegangenen Jahre dasselbe gebraucht hatte und von Gicht und Fußwassersucht fast ganz geheilt war. Er war jetzt nur noch mit großer Steifheit in den Füßen, doch ohne Schmerzen, behaftet und ward nach dem Bade geschmeidiger und in jeder Hinsicht gesunder und heiterer. Er ist dann noch mehrere Jahre hierher zurückgekehrt und hat sich dabei gut befunden.

13) Eine Dame, welche an heftigen Gesichtsschmerzen (Tic douloureux) litt, badete mit so gutem Erfolg, dass sie im darauf folgenden Winter nur einen einzigen Anfall hatte. Sie kehrte 1836 hierher zurück, erkältete sich bei den ersten Bädern, da sehr ungünstiges Wetter war, und bekam in Folge dessen aufs neue heftige Schmerzen, die sie jedoch nach 29 Regenbädern wieder verließen. Auch diese Dame ist in folgenden Jahren öfter wiedergekehrt.

Sind damit einige Krankheitsformen angeführt, für welche der Gebrauch des Solbades sich besonders heilsam erwiesen, so übergehen wir die zahlreichen und alljährlich sich wiederholenden Fälle, wo Leidende an Gicht, Flechten, Rheumatismen, nervösem Kopfschmerz u. s. K. hier Hilfe suchten und mehr oder weniger fanden. Dass auch Fälle vorkamen, wo Leidende das Bad nicht gebessert verließen, ist nicht zu verschweigen. — So lange menschliche Leiden bestehen, so lange werden ihre Grundformen dieselben bleiben; aber ebenso lange wird auch die Natur ihre heilenden und helfenden Kräfte spenden. Die Übel, welche die Sole 1824 bis 1836 heilte, wird sie noch nach hundert Jahren heilen, und es mögen daher hier weitere Anführungen aus der neueren Badezeit wegbleiben. Mögen die Leidenden nur kommen mit Vertrauen, aber auch mit dem festen Willen, während der Kur nur ihrer Gesundheit zu leben und bereitwillig den großartigen Vergnügungen entsagen, die größere Kurorte bieten, die aber oft so wenig mit einer Krankenkur in Übereinstimmung zu bringen sind. Wer einmal das Solbad besuchte, kehrt gerne wieder zurück, wie mehrere der angeführten Fälle beweisen, und hat leider der Tod uns einen hochgeehrten Badegast geraubt, der 29 Jahre lang alljährlich wiederkehrte, so sehen wir noch mit Freude zwei Damen jährlich wieder, die nun seit 1834 das Bad besucht haben.

Es scheint, als wenn die neueste Einrichtung, durch welche die ganze Anstalt einem Pächter hingegeben ist, sich derselben günstig zeigt, denn die Zahl der Bäder ist 1852 über 3.000 gestiegen und hat sich auch 1833 auf dieser Höhe erhalten. Der Wirt aber ist bemüht, durch möglichste Billigkeit, insbesondere durch einen festen Akkord auf wöchentliche Zahlung für Bäder, Logis und Lebensunterhalt, den Wünschen der Gäste entgegenzukommen. Je mehr aber das Bad an Frequenz der Gäste zunimmt, desto mehr werden erheiternde Vergnügungen aus ihrer Mitte selbst hervorgehen, wenn nur Geselligkeit gesucht, der Kastengeist und der Kampf entgegenstehender Ansichten und Meinungen zum Schweigen gebracht und alles Bestreben darauf gerichtet wird, einige Wochen hindurch ein heiteres, geselliges, sorgenfreies Badeleben zu führen.
Sülz, im Dezember 18S3.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Solbad zu Sülz.