Von den Krankheiten, bei welchen das Seebad mit Nutzen gebraucht wird, insbesondere

Die Krankheiten, bei welchen sich der Gebrauch des Seebades heilsam erweist, und welche alle in die Klasse der chronischen gehören, haben sämtlich das mit einander gemein, dass sie durch eine verminderte Energie eines oder mehrerer Organe und organischen Systeme, deren Tüchtigkeit das naturgemäße Fortschreiten des Lebensprozesses bedingt, begründet sind. Fehlt diese Energie dem Nervensystem überhaupt, oder einer Abteilung des Nervensystems, z. B. dem Hautnervensystem, den Nerven des Gesichts, Gehörs, der Verdauungs-Organe u. s. w., so sind die eigentlichen Nervenkrankheiten des ganzen Körpers oder einzelner Organe die Folge.
Betrifft dieser Energie-Mangel das Blutgefäßsystem, so sind Kongestionen nach einzelnen Teilen und Blutmangel in andern die Folge.
Leidet das Lymphsystem an diesem Energie-Mangel, so entstehen Scropheln und Gicht.
Leidet daran das Hautsystem, so entstehen widernatürliche Schweiße, Geneigtheit zu Rheumatismen, Katarrhen.
Leiden die Verdauungsorgane, so entsteht schlechte Verdauung mit ihren Folgen.
Leiden die Geschlechts-, die Harnwerkzeuge usw. an diesem Energie-Mangel, so entstehen unnatürliche Ausleerungen oder Verhaltungen der abzusondernden Stoffe.
Jede der hier genannten Krankheitsgattungen hat ihre Arten und Unterarten, deren Anzahl ins Unendliche vervielfältigt erscheint, wenn man bedenkt, dass an dem Energie-Mangel oft mehrere organische Systeme zugleich, ja zuweilen alle zugleich leiden, wovon denn die Folge in Fehlerhaftigkeit und Unordnung fast aller Verrichtungen des Körpers besteht.
Dieser Energie-Mangel ist entweder ein angeborenes und dann zuweilen durch spätere nachteilige Einflüsse vermehrtes Übel, oder es entsteht durch schwächende Einwirkungen auf einzelne oder mehrere Organe oder organische Systeme auch bei früher gesunden Menschen.
Wie vermögen nicht Verfütterung, Verweichlichung, Ausschweifungen in jeder Art von Genüssen, Leiden des Gemüts, Anstrengungen des Geistes und der Willenskraft, Krankheiten aller Art den robustesten Menschen in kurzer Zeit zum Schwächling umzuschaffen!
Die Zahl der aus Energie-Mangel entstehenden Leiden heißt Legion. Viele derselben werden durch das Seebad geheilt; bei einigen hilft es nur unter gewissen Umständen, die zum Teil den Ärzten bekannt, zum Teil nicht bekannt sind; bei einigen hilft es gar nicht, bei andern ist es schädlich.
Gegen die fürchterlichste aller Nervenkrankheiten, gegen die Epilepsie, hat sich in vielen Fällen das Seebad als ein ausgezeichnetes Mittel bewiesen, in vielen Fällen hilft es nichts, in einigen schadet es sogar.
Über den Grund dieses verschiedenen Erfolgs hat sich der erfahrene Dr. Vogel in seinem Handbuch S, 99, auf so klare Weise ausgesprochen, dass es schwer sein möchte, etwas Besseres oder eben so Gutes darüber zu sagen. Darum hier seine eigenen Worte:
„Die Epilepsie wird von so verschiedenen teils klaren, teils dunkeln Ursachen hervorgebracht, so dass es eine große Ungereimtheit wäre, sie mit einem und demselben Mittel immer besiegen zu wollen. So viel ich sehe, kann nur eine Art derselben von dem Seebade Hilfe erwarten; das ist nämlich einzig und allein diejenige, welche einen rein nervösen Charakter hat. Dahin gehören besonders die Fallsuchten, welche von Ausschweifungen aller Art, großen Anstrengungen des Kopfes, Schrecken und andern Gemütsbewegungen, Mitteilung durch den Anblick usw. entstanden sind. Dagegen alle diejenigen Fälle z. B., welche von Würmern, Infarkten des Unterleibes, Cruditäten desselben, von auf einen oder mehrere Nerven drückenden Auswüchsen und Knoten, die man nicht hat entfernen können, von Steinen in den Nieren usw. erzeugt worden sind, nicht eher dem Seebade oder irgend einem andern Mittel weichen können, als bis jene materiellen Ursachen aus dem Wege geräumt sind.“
„Nicht selten dauert aber die Krankheit fort, obgleich ihre erste Ursache gehoben worden ist. Der den Nerven eingedrückte, habituell gewordene, epileptische Charakter bleibt zurück, und es liegt also noch bloß daran, diesen zu vertilgen. Es hat keinen Zweifel, dass das Seebad ohne anderweitige unüberwindliche Hindernisse dies bewirken kann.“
„Wenn man die Ursache des Unglücks nicht sieht und sie unerforschlich ist, so gelingt die Heilung der Krankheit dennoch zuweilen; das sind denn solche Fälle, wo ihr Sitz allein in den Nerven war, ohne dass man dies erkannte oder ausfindig machen konnte.“
„Ich habe daher die Regel entnommen, so oft die Ursache verborgen und sonst nichts Bestimmtes gegen die Anwendung des Seebades vorhanden ist, mit der gehörigen Vorsicht, als auf einem dunkeln Wege, dasselbe zu versuchen. Mehrmals verlor sich darauf das Übel, nicht selten aber auch nicht, indes der Grund der Unüberwindlichkeit des Falles, so wie die Ursache selbst sich entwickelt hatten, oder auch dunkel blieben.“
„Zuweilen ist das Übel, selbst nach mehreren Jahren, dennoch wieder gekommen. Daran waren aber immer nur Gelegenheitsursachen Schuld, die einige Mal sogar den Tod herbeiführten. Mehrmals ist die Ursache aber so deutlich, als die Unmöglichkeit, sie zu heben. Das Seebad kann einer von ihnen und dem ganzen Zustande auch gänzlich zuwider sein.“
„Es erhellet also hieraus, dass das Seebad nicht allein kein souveränes, unfehlbares Mittel gegen die Epilepsie ist, sondern dass es selbst unter mancherlei Umständen schädlich sein kann, zumal bei einem schlechten Verhalten. In allen Fällen bleibt es der Bestimmung des Arztes vorbehalten, nicht allein die Temperatur des Bades, sondern auch alles Andere, was in jedem einzelnen Falle besonders dabei zu beobachten ist, gehörig zu ordnen.“
Von ganz ausgezeichnetem Nutzen ist ferner der Gebrauch des Seebades bei dem sogenannten St. Veitstanz und dem ganzen Heere der unwillkürlichen Muskelbewegungen, Krankheiten, an denen besonders junge Leute zur Zeit des Mannbarwerdens zu leiden pflegen. Sollen diese Krankheiten durch das Seebad geheilt werden, so bedarf es in der Regel einer Vorbereitungskur, welche teils den Körper für die Wirkungen der See empfänglich macht, teils materielle Hindernisse der Heilung entfernt. Ich meine den wöchentlich zwei- bis dreimal wiederholten Gebrauch starker Abführungen, zu welchem Zwecke sich das Saidschützer oder Pölnauer Bitterwasser, das natürliche oder künstliche Carlsbader Wasser, oder für die an den Küsten Lebenden das Seewasser selbst sehr gut eignen. Übrigens kommt zur Heilung dieser Krankheit ungemein viel darauf an, dass der Eindruck des Seebades immer neu bleibt, dass in Beziehung auf Dauer und Wiederholung des Bades nur sehr vorsichtig vorgeschritten, und hauptsächlich jede Erschöpfung durch das Bad selbst sowohl, als durch andere angreifende Einflüsse sorgsam vermieden werde.
Eine große Anzahl von Krankheitszuständen, die in ihrer Form sehr verschieden sind, aber alle aus einer und derselben Quelle entspringen, und welche man mit den Kollektiv-Namen Hysterie und Hypochondrie belegt, wird durch den zweckmäßigen Gebrauch des Seebades oft geheilt, fast immer gebessert.
Die gemeinsame Quelle dieser in unsern Zeiten so sehr häufig vorkommenden Krankheiten ist Schwäche des Nervensystems überhaupt und der Unterleibsnerven insbesondere. Sie zeigen sich in sehr verschiedenartigen Formen, bald als krampfhafte Affektionen äußerer (Starrkrämpfe, Konvulsionen) oder innerer Teile (Brustkrämpfe, Magenkrämpfe, Koliken, Blasenkrämpfe, nervöses Herzklopfen), bald als Schmerzen (nervöses Kopfweh, besonders halbseitiges, nervöses Zahnweh u. s. w.), bald als krampfhafte Empfindungen (Schwindel, Ohrensausen, Beängstigung, Übelbehagen überhaupt und Verstimmung), und sind meistens mit Verdauungs- und Hämorrhoidal-Beschwerden bei dem männlichen, mit beiden und mit Unordnungen in den Regeln beim weiblichen Geschlechte verbunden. Diese Verdauungs- und Hämorrhoidal-Beschwerden und diese Unordnungen in jener Verrichtung des weiblichen Körpers sind teils von jener Nervenschwäche bedingt, teils wirken sie wieder nachteilig auf das Nervensystem zurück, und geben zu den einzelnen Anfällen der Hypochondrie und Hysterie oft Veranlassung.
Ein Hypochondrist verdaut schlecht, weil es den Nerven, die dem Verdauungsgeschäft vorstehen, an Energie mangelt, aber umgedreht zieht ein Diätfehler, der bei einem Gesunden noch gar nicht dafür gelten könnte, bei ihm einen Anfall von hypochondrischen Beschwerden nach sich.
Unordnungen in den Regeln des weiblichen Geschlechts sind oft Folge von Schwäche der Unterleibsnerven, aber sie machen auch rückwirkend den Körper wieder reizbarer und geben zu Nervenzufällen Veranlassung. Findet nun bei Kranken der Art doch noch ein solcher Grad von Energie Statt, dass ihr Körper im Stande ist, die beim Seebade beabsichtigte und von ihm hervorgerufene Reaktion wirklich zu zeigen, so wird unter sonst gleichen Umständen der Gebrauch des Seebades von großem Nutzen für ihren Gesundheitszustand sein. Es eignet sich daher ganz besonders für jüngere Personen mit großer Nervenreizbarkeit und daher rührender Geneigtheit zu Krämpfen, periodischem Kopfweh, besonders Migräne, nervösem Zahnweh, Schwindel, zu Verdauungsbeschwerden, zu nervösem Herzklopfen, zu Unordnungen in den Regeln des weiblichen Geschlechts usw.
Durch den täglichen Kampf des Nervensystems mit den Eindrücken des Elements werden die Nerven gegen geringere Eindrücke unempfindlicher, wodurch sich die Geneigtheit zu Krämpfen und nervösen Lokalschmerzen usw. verliert, sie werden so geübt und durch Übung gestärkt, dass sie nun mit Leichtigkeit den ihnen obliegenden Verrichtungen vorstehen, d. h. die Verdauungsbeschwerden und Hämorrhoidalkongestionen hören auf, oder diese kommen bei denen, in welchen die Natur eine Entleerung durch die Hämorrhoidalgefäße verlangt, zum regelmäßigen Fluss — die monatliche Periode wird geregelt. Von ganz vorzüglichem Nutzen ist der Gebrauch des Seebades besonders in letztgenannter Hinsicht, und verdient deswegen den Namen eines Verordnungsmittels im höchsten Grade.
Die Erfahrung hat nämlich gelehrt, dass nach dem zweckmäßigen Gebrauche der Seebäder die Regeln, die vorher in Unordnung, oder zu stark, zu schwach, mit Schmerzen und Krämpfen verbunden waren, in die beste Ordnung gekommen, gemindert, stärker geworden und ohne alle Beschwerden immer zur rechten Zeit eingetreten sind. Daher rührt auch der durch die Erfahrung ebenfalls in sehr vielen Fällen bewährte Einfluss des Seebades auf die Fruchtbarkeit. Frauen, die längere Zeit kinderlos blieben, wurde bald nach ihrer Rückkehr aus dem Seebade die Hoffnung, Mutter zu werden *). Auch verhütet es das Abortieren bei denen, die dazu geneigt sind.

*) Ich habe nach dem Gebrauch des Seebades zu Swinemünde die Wünsche so vieler Frauen in Erfüllung gehen sehen, dass ich demselben in dieser Hinsicht keine geringere Wirkung zuschreiben möchte, als der Bubenquelle zu Ems.


Wer es weiß, welche zahllosen Leiden und Beschwerden die Folgen der Unordnung in jenen wichtigen Verrichtungen des weiblichen Körpers sind, wie diese Folgen nicht bloß die Gesundheit untergraben, sondern auch auf die Stimmung der Seele die nachteiligsten Einflüsse äußern und oft dadurch die Störerinnen des häuslichen Glückes und des Lebensglückes überhaupt werden, der wird es den Forschungen und Erfahrungen der Ärzte sehr Dank wissen, dass sie ein so kräftiges, sicheres und dabei doch so einfaches Mittel ausfindig machten, die Folgen jener Unordnungen in der Periode abzuwenden und diese selbst zu regeln.
Eine der traurigsten Folgen dieser Störung in der weiblichen Periode muss hier besonders erwähnt werden, ich meine die Bleichsucht, die so manchem jungen Mädchen alle Lebensfreuden, oft das Leben selbst raubte. Das Seebad, nach gehöriger Vorbereitung dazu und bei gleichzeitiger guten ärztlichen Behandlung, gibt solche unglückliche junge Mädchen dem Leben und seinem Genuss zurück.
Es ist hier wohl die schicklichste Stelle, eines eigentümlichen Krankheitszustandes zu gedenken, bei welchem der Gebrauch des Seebades von entschiedenem Nutzen zu sein pflegt, und welcher von Dr. Saunders so schön geschildert ist, dass ich mir, wie Buchan auch getan, die Freiheit nehme, mich seiner eigenen Worte zu bedienen.
„Es gibt eine Art von schleichendem, unregelmäßigem Fieber, oder richtiger Fieberchen, bei welchem ich oft das kalte Bad von vorzüglichem Nutzen gefunden habe. An diesem Übel leiden besonders Personen, die sich eigentlich einer kräftigen Konstitution erfreuen, aber eine sitzende Lebensart führen, und zugleich eine Menge Geschäfte betreiben, die im hohen Grade ihre Aufmerksamkeit fesseln, viele Geistesanstrengung erheischen und sie in eine Art von Unruhe versetzen. Der Pulsschlag solcher Individuen ist immer abnorm beschleunigt, ihre Hände sind heiß, sie schlafen schlecht und haben Mangel an Appetit, ohne dass sie jedoch eine bedeutende Störung in ihren Verdauungsorganen erleiden.“
„Dies Übel kann eine lange Zeit auf eine unregelmäßige Weise fortdauern, ohne sie an ihren gewöhnlichen Beschäftigungen gänzlich zu verhindern; doch bringt es in ihnen eine unnatürliche Unruhe und Erschöpfung hervor, welche oft der wirklichen Hypochondrie den Weg bahnt. Der Zustand solcher Individuen wird durch das kalte Bad merklich gebessert und sie vertragen es meistens sehr gut. Von vorzüglichem Nutzen ist ihnen auch die Geschäftsfreiheit und die durch den Aufenthalt an einem Badeorte bewirkte Ablenkung ihres Geistes von den Gegenständen ihrer gewöhnlichen Beschäftigung.“
Bei anfangenden Lähmungen einzelner Teile hat in einigen Fällen das Seebad vortreffliche Dienste geleistet, in vielen blieb es auch ohne Wirkung, ja das Übel verschlimmerte sich sogar darnach. Es kommt auch hier hauptsächlich darauf an, dass noch ein gewisser Grad von Reaktionskraft vorhanden ist. Ohne diesen hilft das Seebad nichts, und der Gebrauch eisenhaltiger Bäder, vorzüglich des Pyrmonter Bades, bewirkt eher eine Besserung, wenn diese überhaupt noch möglich ist.
Noch habe ich dreier Nervenkrankheiten nicht erwähnt, gegen welche das Seebad empfohlen worden ist, und wohl auch in manchen Fällen Hilfe gewährt hat, ich meine den Gesichtsschmerz, die Wasserscheu und den Wahnsinn.
Was den Gesichtsschmerz anlangt, so sind alle dagegen gebrauchte Mittel nur empirisch angewendet worden, so auch das Seebad; es hat in einigen Fällen wirklich Hilfe geleistet, in einigen blieb es ohne günstigen Erfolg.
Bei der Wasserscheu und Wut in Folge des tollen Hundsbisses ist die Heilsamkeit des Seebades oder vielmehr des Eintauchens in kaltes Wasser noch sehr problematisch, und wird in neuerer Zeit aus hinreichenden Gründen nicht mehr angewendet.
Was endlich die vorteilhaften Wirkungen des Seebades bei eigentlichen Seelen Störungen betrifft, so sind die Regeln, nach welchen Seelengestörte überhaupt zu behandeln sind, nur dem psychischen Arzte verständlich, und es muss hier genügen, wenn das Seebad unter den Heilmitteln bei Störungen des Seelenlebens mit aufgeführt wird; und das um so mehr, da dabei das Seebad nur als kaltes Bad überhaupt betrachtet wird, und es nicht sowohl auf seine Eigentümlichkeiten als Seebad ankommt.
Wie das Seebad bei den bisher betrachteten Nervenkrankheiten besonders als nervenerschütterndes und erregendes Mittel wirkte, so wirkt es als abhärtendes und abstumpfendes, in gewisser Hinsicht aber auch als Mischungsveränderndes Mittel bei rheumatischen und gichtischen Beschwerden selbst, und bei großer Geneigtheit zu Erkältungen und daher rührenden Rheumatismen, Rosen, Katarrhen, Diarrhöen und Leukorrhöen.
Wenn von der Wirksamkeit des Seebades bei Rheumatismus und Gicht die Rede ist, so versteht es sich von selbst, dass nicht der eigentliche rheumatische oder gichtische Anfall es ist, bei welchem das Seebad angewendet werden soll. Dieser Anfall ist mit einem fieberhaften, oft entzündlichen Zustande verbunden (akute Gicht, akuter Rheumatismus); man würde dabei durch die Anwendung eines Seebades außerordentlich schaden.
Die eigentlichen gichtischen und rheumatischen Anfälle hinterlassen aber dem Körper ein Andenken, welches bald in lokalen Schmerzen und Schwächen (Nervengicht, Nervenrheumatismus), bald in Geschwülsten und Austreibungen der früher befallenen Teile (materielle Gicht, sogenannter kalter Rheumatismus), bald in einer bleibenden Geneigtheit zu rheumatischen und gichtischen Beschwerden (gichtische und rheumatische Disposition) besteht.
Gegen diese Überbleibsel von der Gicht und von dem Rheumatismus ist das Seebad allerdings heilkräftig und zwar gegen die Nervengicht und die rheumatischen Schmerzen als Bad in offener See, gegen kalten Rheumatismus aber und gegen materielle Gicht als lauwarmes Seebad in der Wanne, welches in dieser Hinsicht dem Solbad gleichsteht, und wie jenes durch Zusatz von Kochsalz nach Willkür verstärkt, auch durch den lehr schicklichen Zusatz von zwei bis vier Loth Kalkschwefelleber den schwefligen Mineralquellen, die bei diesen Übeln von so vortrefflichen Wirkungen sind, namentlich dem Teplitzer Bade, in ihren Wirkungen sehr ähnlich gemacht werden können.
Die rheumatische und gichtische Disposition endlich besteht, abgesehen von den Ursachen der Gicht, die in Fehlern in den Assimilationsorganen beruhen, in einer beständigen Geneigtheit zu Erkältungen. (gekürzt)
Überhaupt gibt es nach überstandenen, doch vollkommen geheilten akuten Krankheiten und nach Wiedererlangung einiger Kräfte, nicht leicht ein trefflicheres, allgemeiner zu empfehlendes Mittel, die ganze vorige Kraft wieder zu, erlangen, als den mäßigen Gebrauch des Seebades nebst dem Genuss der Seeluft, welches, wie wir gesehen haben, das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen organischen Systemen wieder herstellte, die Nerven und durch sie den ganzen Körper stärkte, den Appetit mehrte, die Verdauung besserte, die Hauttätigkeit hervorrief und sie gegen unangenehme Eindrücke aller Art unempfindlicher machte.
Die Erfahrung lehrt, dass durch kein Mittel so schnell jene entfernt wird, und der Körper seine frühere Kraft wieder erlangt, als durch die Seeluft und das Seebad. Das Seebad darf jedoch durchaus nicht eher gebraucht werden, als bis seit dem Beschluss der Quecksilberkur schon eine längere Zeit verflossen ist. Das Seebad, während einer Quecksilberkur angewendet, stört die Wirkungen dieser Kur gänzlich, und die Engländer raten sogar, auf den Fall, dass man, wenn man nicht gewiss ist, ob die Krankheit, welche durch die Quecksilberkur aus dem Körper geschafft werden soll, sich nicht etwa noch in demselben versteckt aufhält, einen solchen Patienten eine Seebadekur gebrauchen lassen solle, welche das beste Mittel abgebe, die Sicherheit der Heilung durch die Quecksilberkur zu ermitteln.
Ich lasse dahin gestellt sein, ob dies Verfahren überall anzuraten sein möchte, wohl aber gebraucht man mit Nutzen, um die Folgen einer übertriebenen Quecksilberkur zu verhüten, die lauwarmen mit Kalkschwefelleber versetzten Seebäder, wo sie durchaus nur als ein mischungsveränderndes Mittel wirken sollen.
Nicht allein zur Wiedererlangung der Kräfte nach überstandenen Krankheiten, sondern zur Wiedererlangung verlorener Kräfte überhaupt (durch Anstrengungen, Sorgen, Ausschweifungen) und auch zur Erhaltung und Befestigung einer im guten Stande erhaltenen Gesundheit ist der Gebrauch der Seebäder ein treffliches Mittel.
Es regt die Tätigkeit aller organischen Systeme an, übt sie in ihren Verrichtungen und stärkt sie durch diese Übung, wenn es mäßig und mit einiger Vorsicht gebraucht wird. Unmäßiger und unvorsichtiger Gebrauch desselben vermag dem robustesten Körper seine Kraft zu rauben, und wie der Nutzen des Gebrauchs, so wird auch der Nachteil des Missbrauchs der Seebäder nicht immer sogleich bemerkt, — doch bleibt er nie aus.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Seebad zu Swinemünde