Von der Wirkungsart des Seebades

Die vorteilhaften Wirkungen des Seebades beruhen auf fünf verschiedenen Momenten, welche zwar zusammen ein untrennbares, unnachahmliches Ganze bilden, von denen aber jedoch jedes für sich einzeln zur helleren Beleuchtung des Ganzen, besonders in Betracht gezogen werden soll.
Diese Momente sind folgende:
1. Die Temperatur der See und ihr Verhältnis zur Temperatur der Luft.
2. Der Wellenschlag.
3. Die Eigentümlichkeiten der Seeluft.
4. Die chemische Komposition des Seewassers.
5. Die veränderte Lebensweise des Fremden, während seines Aufenthaltes am Badeorte.
Also zuerst Einiges über die Temperaturverhältnisse, dann von den übrigen Eigenschaften des Seebades, die hier in Betracht kommen.
Die äußere Wärme des Menschen beträgt, wenn er wacht und gesund ist (und auch in Krankheiten ist, die Ohnmacht ausgenommen, der Unterschied nur sehr geringe), nach vielen darüber angestellten Versuchen, zwischen 36,3 und 37,4 °C. Sie bleibt sich im Sommer und im Winter, in Italien und in Norddeutschland bei denselben Personen immer gleich. Diese Gleichheit der Temperatur erhält sich der Körper durch eine beständige Mischungsveränderung seiner Substanz, ganz besonders durch die mittelst des Atmens immer fort bewirkte Mischungsveränderung des Blutes, wenn gleich nicht zu leugnen ist, dass auch die Tätigkeit der Assimilationsorgane und der Nerven bei der Wärmeerzeugung mitwirken. Die Tätigkeit der Lunge, der Assimilationsorgane und der Nerven wird mit einem Male rascher und intensiver, wenn der Körper plötzlich in ein Medium von beträchtlich niedrigerer Temperatur kommt, als diejenige ist, in welcher er sich gewöhnlich befindet. Er ist nämlich jetzt genötigt, seine eigene Temperatur gegen die auf ihn einwirkende Kälte gewissermaßen zu verteidigen. Daher kommt es, dass man in der Kälte rascher atmet, geschwinder verdaut, schneller sich bewegt und dass die Haut der der Kälte unmittelbar ausgesetzten Teile durch einen stärkeren Blutzufluss sich rötet; vorausgesetzt, dass die Heftigkeit der Kälte und Dauer ihrer Einwirkung von der Art sind, dass die wärmeerzeugende Kraft des Körpers über sie die Oberherrschaft behält. Eben so verteidigt der Körper seine eigene Temperatur gegen die Einwirkung der äußeren Hitze durch das Schwitzen, ein Prozess, dessen genauere Betrachtung hier zu weit führen würde.
Diese Verteidigung (Reaktion) des Körpers gegen die auf ihn einwirkende Kälte übt nun, wenn diese nicht eine gewisse Grunze übersteigt, und jene nicht zu lange fortgesetzt wird, diejenigen Organe, welche der Wärmeerzeugung vorstehen, nämlich das Blutgefäßsystem, die Lungen, die Assimilationsorgane und die Nerven, besonders die Hautnerven und stärkt diese Organe durch diese zweckmäßige Übung, vorausgesetzt, dass die Beschaffenheit und Energie der Organe noch von der Art sind, dass sie die von ihnen verlangte Verteidigung zu übernehmen vermögen. Da nun aber diese Organe oder organischen Systeme die Träger und Erhalter der Lebenskräfte genannt zu werden verdienen, so folgt, dass unter der oben genannten Voraussetzung jene Übung zur Stärkung der Kraft des ganzen Körpers und aller seiner einzelnen Teile sehr wohltätig wirken muss. Nimmt man nun noch auf die Wechselbeziehung, in der die genannten Organe und Systeme mit andern Organen und Systemen stehen, die gehörige Rücksicht, so leuchtet ein, welchen wohltätigen Einfluss dergleichen geregelte und angemessene Übungen jener Organe auf die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit einzelner Organe und des ganzen Körpers haben werden. Die Erfahrung bestätigt diese Behauptung in unzähligen verschiedenen Fällen.
Eine sehr schickliche Gelegenheit zu dieser Übung gibt aber vorzüglich der Gebrauch der kalten Bäder überhaupt und der Seebäder insbesondere.
Abgesehen von den übrigen oben genannten Eigenschaften des Seebades, welche jedoch, wie sich weiter unten zeigen wird, von der größten Wichtigkeit sind, hat dasselbe vor andern kalten Bädern, namentlich den Flussbädern, — denn die gute Wirkung kalter Bäder in Wannen genommen wird mit Recht gar sehr bezweifelt, — den wesentlichen Vorzug, dass die See überhaupt wärmer wird als das Flusswasser, und besonders, wenn sie einmal bis zu einem gewissen Grade erwärmt ist, diese Temperatur mit geringen Veränderungen festhält.
Die Temperatur der Ostsee pflegt von der Mitte des Monates Juni bis gegen das Ende des Septembers zwischen 10 und 20 Grad + Reaumur zu haben, meistens 14 bis 16 Grad. Wenn man nun bedenkt, dass die Temperatur, die der Körper hat, gegen 29 Grad beträgt, und dass ein laues Bad, d. h. ein solches, in welchem weder ein Eindruck von Wärme noch von Kälte empfunden wird, ebenfalls 25 bis 28 Grad haben muss, so ist leicht einzusehen, dass der Eindruck, den der Gebrauch des Seebades macht, den Körper zu einer ziemlichen Tätigkeit veranlassen muss, um, seinem natürlichen Streben und Bedürfnis gemäß, sich seine eigene Temperatur zu erhalten und gewissermaßen gegen diesen Eindruck der Kälte siegreich zu verteidigen. Die Erfahrung bestätigt diese Vermutung, wie aus der folgenden Schilderung des Verhaltens des Körpers während und nach dem Bade in der See hervorgeht.
Die erste Wirkung des Bades ist die, dass der Eindruck der Kälte einen ziemlich starken Reiz auf sämtliche Hautnerven (Schauder) hervorbringt. Dieser Reiz veranlasst eine plötzliche Zusammenziehung der Gefäße der äußern Teile und dadurch wird der Blutandrang nach den inneren Teilen vermehrt, wodurch eine Art von Beängstigung entsteht. Die Atemzüge folgen schnell auf einander, ja nicht wenige Menschen fühlen sich genötigt, zu schreien, was aber nicht die Folge eines Schmerzes, sondern die des Bedürfnisses ist, die Respirationsorgane anzustrengen. Die Ursache der Beschleunigung der Respiration ist, wie schon gesagt, hauptsächlich der vermehrte Blutandrang nach dem Herzen und die daher entstehende Notwendigkeit eines raschen Durchganges des venösen Bluts durch die Lungen und der geschwinderen Erneuerung oder Arteriellisierung dieses Blutes in denselben. Doch kann nicht geleugnet werden, dass es der Eindruck der Kälte nicht allein ist, welcher diese Anstrengung der Respirationsorgane veranlasst, sondern dass sie auch mit durch den Umstand herbeigeführt wird, dass der starke Druck des Meerwassers auf den Brustkasten die Ausdehnung desselben nicht so leicht von Statten gehen lässt.
Man könnte geneigt sein, diesem starken Drucke, den der Brustkasten im Wasser erleidet, allein oder doch hauptsächlich die Entstehung des Bedürfnisses der Anstrengung der Respirationsorgane zuzuschreiben. Allein dann würde dieselbe Erscheinung sich beim Gebrauche der lauen und warmen Bäder zeigen, wobei indessen die geringere Größe des Bassins und die Erwärmung des Wassers den Druck, jedoch nur in sehr geringem Grade, vermindern. Auch würde, wäre der Wasserdruck allein die Ursache der Beschleunigung der Respiration, diese erst dann eintreten, wenn beim kalten Bade der Brustkasten sich bereits im Wasser befindet, da hingegen schon bei dem Eintauchen des Körpers bis an den Unterleib diese Beschleunigung der Atemzüge erfolgt. Auch müsste beim Verweilen des Brustkastens im Wasser diese Anstrengung fortdauern, was ebenfalls nicht geschieht. Vielmehr dauert diese Anstrengung der Lungen und diese Beschleunigung der Atemzüge nur eine ganz kurze Zeit, meistens nur eine halbe bis ganze Minute.
Der auf die Hautnerven und Hautgefäße wirkende Reiz, der im ersten Moment Schauder und Zurücktreten des Blutes nach den inneren Teilen erregte, ruft nun eine Gegenwirkung (Reaktion) hervor. Die Hautgefäße dehnen sich wieder aus, der Blutandrang nach den inneren Teilen lässt nach, die Empfindung der Kälte (Schauder) hört auf, der Körper entwickelt Wärme, die Haut rötet sich, es tritt ein behagliches Gefühl ein. Der ganze Vorgang ist ein Kampf des Körpers gegen den ungewohnten Eindruck des kalten Wassers und ein Sieg über denselben.
Wie zu jedem Kampfe Anstrengung nötig ist, nach jedem Siege Wohlbehagen eintritt, so auch hier. Diese angenehme Empfindung dauert aber nur so lange, als der Körper mittelst seiner Reaktionskraft seinen errungenen Sieg sich zu erhalten vermag. Diese Reaktionskraft hat aber nur ein gewisses Maß, nur eine gewisse Dauer, die in verschiedenen Menschen sehr verschieden sind und sich auch nach dem Grade der Kälte des Wassers richten. Während ein gesunder Mann eine viertel, ja eine halbe Stunde ohne nachteilige Folgen im Wasser verweilen kann, wird nervenkranken Personen mit geringer Reaktionskraft schon der Aufenthalt von 3 bis 5 Minuten in der See nachteilig. Der tägliche Gebrauch des Seebades auf eine, ja nur auf eine halbe Minute, tut oft da Wunder, wo der Gebrauch desselben auf 5 Minuten krank macht. Ich komme bei der Mitteilung der Baderegeln auf diesen Gegenstand wieder zurück.
Verweilt Jemand länger im kalten Wasser, als seine Reaktionskraft den Sieg sich zu erhalten vermag, so wird die Kälte nach und nach wieder Herrin des Körpers, es tritt von neuem die Empfindung derselben ein; die Haut wird bleich und bläulich, es entsteht Zittern, wie im Fieberfrost, es entstehen wohl auch heftiger Kopfschmerz und Krämpfe aller Art. Es wird dem Körper schwer, sich wieder zu erwärmen und nach mühsam errungenem Gleichgewicht zwischen den beteiligten Systemen des Körpers ist eine allgemeine Abspannung, die, öfters wiederholt, die Kräfte des Körpers erschöpft, ohne ihn durch Übung zu stärken, die üble Folge des zu langen Aufenthaltes im kalten Bade.
Nicht wenige, die diese Wahrheit nicht genug beherzigten und der Erfahrung nicht glauben wollten, haben in der Hoffnung, durch recht fleißige und dauernde Benutzung des Seebades ihre Gesundheit mit einemmale wieder herzustellen oder ganz zu befestigen, die Erfahrung teuer bezahlt, dass nur der mäßige Gebrauch dieses wundertätigen Stärkungsmittels jene Hoffnungen zu erfüllen vermag. Diese Erfahrung machten sie oft erst spät; denn wie der Nutzen des gebrauchten Seebades sich oft erst nach Monaten zeigt, so kommen oft auch erst dann die nachteiligen Folgen des gemissbrauchten.
Nur in sehr wenigen Fällen ist eben jene Abspannung von dem Arzte beabsichtigt; diese Fälle sind und bleiben sehr seltene Ausnahmen.
Ist aber dieser Fehler vermieden, hat man zur rechten Zeit das Bad verlassen, so verbreitet sich über die ganze Oberfläche des Körpers eine angenehme Wärme, der Kopf ist frei, leichte Schmerzen nervöser oder rheumatischer Natur, die vor dem Gebrauche des Bades belästigten, sind wie weggezaubert, der Geist ist frei und heiter, der Appetit ist stark, und unter sonst gleichen Umständen wird eine nun folgende starke Mahlzeit ungewöhnlich gut vertragen, der Schlaf — wenn auch nicht bei allen Personen gleich nach dem Gebrauch der ersten Seebäder — wird ruhig und erquickend. Mit einem Worte, man fühlt sich wie neugeboren. Die Ursache davon liegt darin, dass der Körper durch zweckgemäße Übung der wichtigsten seiner organischen Systeme diese gestärkt und besonders zwischen ihnen das Gleichgewicht wieder hergestellt hat, in dessen Störung die Quelle so vieler Krankheiten, namentlich der meisten Nervenkrankheiten, zu suchen ist.
Die Temperatur der See und deren größere Gleichmäßigkeit ist es jedoch nicht allein, was dem Seebade seine eigentümliche, so ausgezeichnete Wirksamkeit als Heil- und Stärkungsmittel verleiht; denn sonst würden kalte Bäder, in Wannen genommen, von demselben vorteilhaften Einfluss sein, was jedoch der Erfahrung zufolge nicht der Fall ist. Diese, die Erfahrung, beweist vielmehr, dass der Eindruck, den diejenige Bewegung der unermesslichen Wassermasse, die eine Folge der auf diese heftig wirkenden Winde ist, der Wellenschlag in der Brandung, auf den Körper hervorbringt, von ganz eigentümlichem vorteilhaftem Einfluss auf denselben ist.
Wie ganz anders ist die Empfindung nach einem bei Wellenschlag genommenen Seebade, als die nach einem Bade in ruhiger See! Man muss diese Empfindung aus Erfahrung kennen, um sich davon eine Vorstellung machen zu können. Dieses Gefühl der Belebung und Stärkung aller Kräfte, des gewissermaßen Neugeschaffenseins ist keiner Schilderung fähig. Je tobender die See, je reißender und rascher auf einander folgend die hohen, spritzenden Wellen beim Bade waren, desto gestärkter fühlt sich, wer sich mutig dem aufgeregten Elemente hingab. Das Vergnügen des Badens bei Sturm ist so groß, dass, wer es einmal genoss, eingestehen wird, dass es keine angenehmere Empfindung gibt, als die ist, die solch ein Bad hervorbringt. Die ganze Badegesellschaft pflegt durch die Nachricht „heute ist ein herrlicher Wellenschlag“ in die froheste Laune versetzt zu werden, und der Arzt hat nur Mühe, die Badelustigen von dem Missbrauch des Vergnügens, von dem zu langen Verweilen in der See und der zu häufigen Wiederholung des Badens abzuhalten. Man sollte, glauben, dass so ein Bad bei Wellenschlag mehr angreife, mehr ermüde, als das Bad in ruhiger See. Aber gerade das Gegenteil lehrt die Erfahrung. Nie fühlen sich sonst schwächliche Menschen kräftiger, als nach solch einem Kampfe mit der tobenden See.
Es ist schwer zu bestimmen, worin die Ursache dieser eigentümlichen Wirkung des Wellenschlages zu suchen sein möchte. Man hat sie in einer erhöhten freiwerdenden Elektrizität des Meeres gesucht, man hat den Wellenschlag mit dem Galvanismus verglichen, aber es möchte schwer sein, diese Behauptung zu erweisen.
Mit mehr Wahrscheinlichkeit möchte die treffliche Wirkung des Wellenschlages aus der gewaltigen Nervenerschütterung zu erklären sein, welche die in einer Minute zehn bis zwanzigmal wiederholten, durch eine so große, stark bewegte und schwer fallende Wassermasse bewirkten Sturzbäder hervorbringen.
Aber auch durch diese Erklärung wird immer noch nicht deutlich, warum gerade diese so gewaltige Erschütterung nichts weniger als angreifend und erschöpfend, sondern nur stärkend und begebend wirkt, Es ist dies eins von den vielen Geheimnissen der Natur. Wir kennen seine Wirkung, wir benutzen sie, aber wir sind nicht im Stande, sie zu erklären, dem erfahrenen Seemann gleich, der nach dem Winde seine Segel richtet und sich des durch ihn bewirkten schnellen Laufs seines Schiffes erfreut, ohne zu wissen, wie er entsteht.
Ein Seebad ohne Wellenschlag ist nur ein halbes, darüber stimmen Alle überein, die je dieses eigentümlichen Vergnügens genossen. Schade, dass wir von dem Winde erwarten müssen, ob es ihm beliebt, uns Wellenschlag zu machen.
Beständiger ist ein anderer Vorteil, dessen Diejenigen sich erfreuen, welche Seebäder besuchen. Ich meine den Genuss der Seeluft und die eigentümlichen Wirkungen derselben auf den Organismus. Wenn die Veränderung der Luft überhaupt, besonders der Aufenthalt in der Landluft für Menschen, die für gewöhnlich in größeren Städten leben, von so außerordentlichem Einfluss auf die Gesundheit ist, wovon die Gründe fast allgemein bekannt sind, so gilt dies noch in einem weit höheren Grade von dem Genuss der Seeluft, da sie außer den Eigenschaften, die der Landluft ihre Vorzüge vor der Stadtluft geben, noch Eigentümlichkeiten besitzt, die jeder andern Luft abgehen, und welche das Einatmen derselben eben sowohl, als das Umspühltwerden von ihr so außerordentlich wohltätig machen.
Wenn gleich die Eudiometrie noch nicht im Stande ist, alle Fehler der Stadtluft durch physikalische Experimente nachzuweisen, so wird doch Niemand daran zweifeln, dass das Einatmen einer Luft, die frei von allen den Dünsten ist, die durch das Zusammenwohnen einer beträchtlichen Anzahl von lebenden Wesen, durch deren Atmen, Ausdünstung u. s. w. erzeugt werden, für die Gesundheit vorteilhafter sein muss, als das Einatmen einer Luft, die durch dergleichen Dünste verunreinigt ist.
Die durch nichts aufgehaltene Luftströmung an der See lässt dergleichen Verunreinigung der Luft gar nicht aufkommen, und ist also in dieser Hinsicht der Landluft wenigstens gleichzustellen. Aber sie steht auch noch wegen anderer, durch physikalische Experimente nachzuweisender Eigenschaften bei weitem über ihr.
Es ist bekannt, dass die Luft zum Atmen um so tauglicher ist, je mehr sie Sauerstoffgas, und um so untauglicher, je mehr sie Stickstoffgas enthält; ferner, dass beim Atmen einer viel Sauerstoffgas enthaltenden Luft der Lebensprozess rascher fortschreitet, woher auch der vermehrte Appetit beim beständigen Aufenthalt in freier Luft rührt, als beim Atmen einer Luft, die weniger Sauerstoffgas enthält. Jedermann weiß auch, dass das Atmen selbst das Sauerstoffgas in der Luft vermindert, und dass gärende und faulende Stoffe das Stickstoffgas in der Luft vermehren, während das letztere durch die aufsaugenden Gefäße der Pflanzen und durch die Aufsaugung desselben durch bewegtes Wasser vermindert wird. Daher kommt der große Nutzen, den das Anpflanzen von Bäumen und Sträuchern auf freien Plätzen in größeren Städten der Gesundheit ihrer Bewohner gewährt, daher kommt es, dass die Luft in der Nähe großer, rasch fließender Ströme gesunder ist, als die Luft in engen Tälern.
Es ist leicht einzusehen, dass in der Nähe einer so unermesslichen, fast immer stark bewegten Wassermasse, als der Ozean ist, dessen Gestade weithin mit Wald und Gebüsch bedeckt sind, die Luft den größtmöglichsten Sauerstoffgas-Gehalt haben müsse, was sich auch durch Experimente dartun und durch die kräftige Konstitution und den starken Appetit der Küstenbewohner und Seeleute beweisen lässt. Besonders rein ist die Seeluft nach einem Sturm, bei welchem die untere Schicht der Atmosphäre durch und durch mit der Oberfläche der See sich vermischt hat. Schon ein Spaziergang oder eine Lustfahrt am Seestrande, besonders nach einem Sturm, pflegt den Appetit auf eine unglaubliche Weise zu vermehren. Ferner lehrt die Erfahrung, dass bei einem stärkeren Luftdruck, d. i. bei höherem Barometerstande, z. B. im Winter bei anhaltender Kälte und heiterem Himmel, die Energie der Nerven erhöhter ist, als bei geringem Luftdruck, d. i. bei niedrigerem Barometerstande, bei feuchter Luft und Nebel.
Physikalische Beobachtungen und Versuche haben aber nachgewiesen, dass auf der Meeresfläche und an den dem Meere zunächstgelegenen Orten der Barometerstand verhältnismäßig immer höher ist, als anderwärts. Daher kommt hauptsächlich die nervenstärkende Wirkung der Seeluft, daher die Seltenheit der von Schwäche der Nerven herrührenden Krankheiten bei Seeleuten und Küstenbewohnern.
Wenn der Wind stark von der See nach dem Lande zu weht, so enthält die Luft ganz seine Salzteilchen, was sich durch die Beobachtung nachweisen lässt, dass die Blätter der in der Nähe des Strandes wachsenden Bäume einen leicht salzigen Geschmack haben. Diese Eigenschaft der Seeluft, verbunden mit ihrem starken und gleichmäßigen Druck, trägt zur Abhärtung der Haut eben sowohl, als zur Heilung gewisser Lungenkrankheiten viel bei.
Diese Abhärtung der Haut durch die Seeluft mindert, verbunden mit der, die, der Gebrauch des Bades selbst bewirkt, die Reizbarkeit derselben und die daher rührende Geneigtheit zu Rheumatismen ungemein. Übrigens lehrt die Erfahrung, dass man sich in der Seeluft überhaupt nie erkältet, wenn man sich auch derselben bei starkem und kühlem Winde ganz entkleidet auf längere Zeit aussetzt. Diese Erscheinung ist fast unbegreiflich, aber nicht minder wahr und von unzähligen Erfahrungen bestätigt. Die wahrscheinliche Ursache derselben ist die Gleichmäßigkeit des Luftdrucks und die starke Reaktion des Körpers, welche die Seeluft überhaupt hervorruft.
Die Erfahrung lehrt ferner, dass bei großer Neigung zu katarrhalischen Affektionen der Genuss der Seeluft sehr heilsam ist*).

*) Kaiser Augustus ward durch den Gebrauch kalter Bäder sehr hartnäckigen katarrhalischen Beschwerden befreiet, und deswegen das kalte Bad auf eine kurze Zeit zur Modesache bei den vornehmen Römern, bis sein Neffe Marcellus durch den unvorsichtigen Gebrauch desselben Mittels sein Leben verloren hatte, wo es wieder in Verruf kam, und dem Gebrauche heiser und Dampfbäder Platz machen musste, wodurch die Römer im höchsten Grade geschwächt und verweichlicht wurden.


Jährlich, besonders zur Herbstzeit, wiederkehrender Husten, die bei vielen Menschen vorkommende große Geneigtheit zum Schnupfen, finden Heilung im Gebrauche der Seeluft und des Seebades. Die Seeluft stärkt die Lungen und mindert durch eine gewisse Art von Abhärtung ihre Reizbarkeit. Doch versteht es sich von selbst, dass hier nicht von der wirklichen Schwindsucht, d. i. Eiterung in den Lungen, die Rede ist. Eiternde Lungen vertragen die so stark reizende Seeluft eben so wenig, als die Anstrengungen derselben, die mit dem Baden in der See verknüpft sind; der Aufenthalt in der Seeluft und die Seebäder führen solche Lungenschwindsüchtige dem Tode nur rascher zu. Die Geneigtheit aber zum Husten, die aus einer Reizbarkeit der Lungen oder aus einer scrophulösen Beschaffenheit der Drüsen der Luftröhre entsteht, wird durch die Seeluft und die Seebäder gemindert, so wie überhaupt die Seeluft und die Seebäder zur Heilung scrophulöser Krankheiten durch den rascheren und energischeren Lebensprozess, den sie hervorrufen, ungemein viel beitragen, worauf ich weiter unten zurückkommen werde.
Ein anderes Moment, welches bei der Erklärung der Wirkungen des Seebades besonders in Betrachtung zu ziehen ist, besteht in den chemischen Eigenschaften des Seewassers, besonders in seinem Salzgehalt.
Die vorteilhaften Wirkungen des Salzgehaltes des Seewassers beim Gebrauche der Seebäder beruhen teils auf dem Hautreiz, den das Baden in salzigem Wasser hervorbringt, teils in der Einsaugung des Salzwassers durch die seinen aufsaugenden Gefäße der Haut.
Dieser Hautreiz, der zur Abhärtung der Haut und Verminderung der Reizbarkeit derselben so viel beiträgt, bringt bei Personen, die eine große Reizbarkeit der Haut besitzen, das sogenannte Badefrießel, eine zwar durch ihr Jucken lästige, übrigens unbedeutende und in ihren Folgen sehr heilsame Krankheit hervor. Er erhöht die Tätigkeit der Hautnerven und wirkt in so fern direkt heilsam bei Hautkrankheiten, die ihre Entstehung oder doch ihre Hartnäckigkeit einer Reizlosigkeit und Schwäche des Hautorgans verdanken, z. B. bei flechtenartigen Hautausschlägen, bei scrophulösen Hautgeschwüren u. s. w. Er hat aber auch eine indirekte, durch den Gegenreiz bewirkte, Heilkraft bei solchen Krankheiten, die in einem Missverhältnis der Tätigkeit der Nerven der inneren Teile zu der der peripherischen Nerven beruhen, d. h. bei den eigentlichen Nervenkrankheiten, bei Krämpfen, Veitstanz, Epilepsie, Hysterie, Hypochondrie, bei Drüsenkrankheiten, bei Fehlern in den Regeln des weiblichen Geschlechtes u. s. w., kurz in allen den Krankheiten, wo das Seebad als Verordnungsmittel wirkt, d. h. wo es auf die Wiederherstellung des Gleichgewichtes zwischen der Tätigkeit verschiedener organischer Systeme ankommt, um die allgemeine Gesundheit zu restituieren.
Die Einsaugung des Salzwassers kann bei denen, die wegen Nervenkrankheiten die Seebäder gebrauchen, und also immer nur sehr kurze Zeit in der See verweilen dürfen, nur gering sein, zumal bei dem Gebrauche der Ostseebäder, deren Salzgehalt um ein nicht Unbeträchtliches geringer ist, als der der Nordsee.
Allein bei der Heilung der Nervenkrankheiten kommt es auch nicht auf eine Veränderung der Säftemasse, sondern nur auf eine Veränderung der Nervenstimmung an, die durch den Eindruck der Kälte und des Wasserdrucks, durch die Erschütterung beim Wellenschlag durch die oben geschilderten Eigenschaften der Seeluft und den Hautreiz erreicht wird, den in hinreichendem Maße hervor zu bringen auch das Ostseewasser vermag, was durch die so häufige Erscheinung des Badefrießels erwiesen wird. Bei denjenigen Krankheiten aber, wo wegen Fehlerhaftigkeit der Säfte die Einsaugung des Salzwassers von Wichtigkeit ist, bei Gicht und Scropheln, darf teils der Aufenthalt in der See von etwas längerer Dauer sein, teils gebraucht man gegen diese Krankheiten nächst dem Genuss der Seeluft vorzüglich auch die warmen Seebäder, die durch Zusatz von Seesalz sich auf beliebige Weise verstärken lassen. Zu dem letzteren Zwecke ist der Salzgehalt der Nordsee in vielen Fällen zu stark, und wird daher oft deswegen das Seewasser mit süßem Wasser gemischt, wie Herr Dr. von Halem in seiner Schrift über das Seebad zu Norderney Seite 143 mitteilt.
Die Aufsaugung des Salzwassers beim längeren Aufenthalt in der See selbst oder beim Gebrauche warmer Seebäder bewirkt eine größere Tätigkeit im Lymphdrüsen-Systeme, und zeigt sich daher besonders heilsam in solchen Krankheiten, die durch Untätigkeit und Stockungen in diesem Systeme bedingt sind, besonders bei Drüsenverhärtungen in Folge von Scrophelkrankheit und bei Gelenksteifigkeit in Folge von Gicht. Bei Heilung dieser Übel bedarf die Frage, ob warm oder kalt gebadet werden soll, der sehr sorgfältigen Abwägung eines sachverständigen Arztes. Auf die Erörterung der Umstände, welche bei dieser Abwägung in Betracht zu ziehen sind, komme ich später zurück.
Wir betrachteten bisher das Seebad als Übungsmittel für die Organe, die direkt durch unmittelbare Reizung, oder indirekt durch die Wechselbeziehung, in der sie mit andern Organen, besonders mit dem Hautorgane stehen, durch den Gebrauch der Seebäder gestärkt werden. Wir betrachteten es ferner als ein Verordnungsmittel, indem wir sahen, wie seine Anwendung das gestörte Gleichgewicht zwischen verschiedenen Organen und organischen Systemen, auf welcher Störung so viele Krankheiten hauptsächlich beruhen, wieder herzustellen vermag. Wir betrachteten es drittens als ein Abhärtungsmittel, welches dadurch, dass es empfindliche Organe (die Haut, die Lungen) durch seinen starken Eindruck auf sie abstumpft, die Geneigtheit zu rheumatischen und katarrhalischen Beschwerden mindert und aufhebt. Wir betrachteten es endlich als mischungs-veränderndes Mittel, indem die eingesaugten Bestandteile des Seewassers eine Veränderung der Säfte hervorbringen, die in manchen Krankheiten von so heilsamer Wirkung ist.
Ein wesentlicher Vorteil aber, der mit einer Reise in ein Seebad verknüpft ist, blieb noch unberührt; ich meine den Nutzen, der für die Mehrzahl der Leidenden schon in dem Umstande selbst liegt, dass sie auf eine längere Zeit von ihrem Wohnorte entfernt, in andern Umgebungen, in anderen Verhältnissen, für andere Zwecke, auf andere Weise, als Fremde unter Fremden leben.
Nirgends fühlt der Leidende das Schmerzliche seiner Lage mehr, als wenn er sich in seinen gewöhnlichen Verhältnissen und Umgebungen befindet. Nichts zieht da, weil ihm Alles alltäglich und bekannt ist, seine besondere Aufmerksamkeit auf sich und lenkt seine Gedanken von seinen Leiden ab. Er hält sich selbst für den Unglücklichsten, den die Erde trägt, weil er vielleicht gerade unter seinen Bekannten Niemand weiß, der mehr litte, als er selbst. Am Badeorte hingegen sieht er Andere, die viel leidender sind, als er selbst ist, und die dennoch der Hoffnung Raum geben, die er selbst fast aufgegeben, und wirklich Besserung finden, an der er fast verzweifelt. Er vergleicht seinen Zustand mit dem Anderer und schöpft aus dieser Vergleichung Trost. Ja er fühlt sich oft schon, ehe er noch ein Bad nimmt, ja sogar ehe er noch den Badeort selbst erreicht, wohler und heiterer, als zu Hause, weil der Wechsel beständig neuer Gegenstände, die am Badeorte, zumal an einem durch Schifffahrt belebten Seebadeorte, ja schon auf der Reise nach dem Badeorte, seine Aufmerksamkeit fesseln, ihn gar nicht dazu kommen lässt, sich seinen Empfindungen hinzugeben, und er also seine Leiden wirklich weniger empfindet als zu Hause. Nicht wenig trägt dazu die mit der Reise verknüpfte Bewegung in freier Luft bei, deren so wohltätige Wirkungen auf die Gesundheit allgemein bekannt sind.
Von größerem Einfluss als jener Trost und diese Zerstreuung auf das Wohlbefinden des Leidenden ist der Umstand, dass er entfernt ist von allen den unangenehmen Dingen, die jeder Mensch in seinem Kreise in großer oder kleiner Anzahl beherbergt, und die ihm nicht mit an den fremden Ort folgen, wenn er, anders nicht selbst schwach oder töricht genug ist, diese Unannehmlichkeiten und den Gedanken an sie an den Badeort mitzubringen, wo er ja nur der Wiederherstellung und Befestigung seiner Gesundheit zu leben beschlossen hat. Ohne diesen Entschluss und ohne die Kraft in sich zu fühlen, einstweilen alle seine Sorgen und Kümmernisse als etwas nicht zu ihm Gehörendes betrachten und bei Seite legen zu können, sollte eigentlich Niemand ein Bad besuchen. Wer so unglücklich ist, nicht einstweilen seine Sorgen vergessen zu können, weil sie zu schwer drücken, oder weil ihre Last doch für seine Kräfte zu groß ist, der eignet sich zu keiner Badekur, die zu ihrem Gelingen durchaus eine gewisse Leichtigkeit des Sinnes und Herzens verlangt. Wer seine Sorgen, wer den Gedanken an sie nicht zu Hause lassen kann, der bleibe lieber weg; denn er selbst findet nicht, was er sucht. Gesundheit und Stärkung, und steckt nur gar zu leicht mit seiner Grämlichkeit Andere an, die sich freuen, auf einige Zeit nichts sehen und hören zu dürfen, was ihnen lästig und unangenehm ist.
Der Badegast gleicht häufig einem aus dem Gefängnis Entsprungenen, der seine verhassten Ketten gewaltsam abgestreift hat. Aber schon die Erinnerung an seine Ketten ist ihm unerträglich; er denkt selbst nicht gern daran und mag auch nicht von Anderen daran erinnert werden. Die Ketten des Einen sind seine Geschäftsverhältnisse; seine Akten sind die Ketten des Beamten, seine Bücher die des Kaufmanns, seine Äcker die des Landwirts, seine Schüler die des Lehrers, seine Rekruten die des Offiziers, seine Kranken die des Arztes. Die Ketten eines Andern sind seine bürgerlichen Verhältnisse. Prozesse, in die er verwickelt ist, Vorgesetzte, mit denen er im Missverhältnis lebt, Rücksichten, die er auf Menschen nehmen muss, die er unerträglich findet, pekuniäre Verlegenheiten, Ehrenkränkungen u. dgl.
Seine häusliche Lage drückt einen Dritten nieder; er lebt in unglücklicher Ehe, er steht in Missverhältnissen mit seinen Geschwistern oder Eltern, Kindern, Schwiegereltern, Schwiegerkindern und Schwägern usw.
Herzensangelegenheiten rauben einem Vierten die Ruhe und Zufriedenheit, seine Geliebte ward ihm untreu oder durch Tod entrissen, seine Verhältnisse, seine Eltern, ein grilliger Vormund, eine einflussreiche Tante willigen nicht in seine Wünsche.
Ein Fünfter, - doch wozu erschöpfe ich mich, die Quellen menschlicher Leiden und Kümmernisse zu zählen? Sie sind nicht zählbar und die Wahrheit des alten Liedes ist unbezweifelt.

Ein jeder weiß am besten,
Wo der Schuh ihn drückt.

Am fremden Ort wird man durch nichts an die Ketten erinnert, denen man entflohen ist und in deren Druck so häufig auch die Ursache körperlicher Leiden, oder doch die ihrer Hartnäckigkeit zu suchen ist. Man bestrebe sich aber auch, wenn man sich zu einer Badereise anschickt, jeder Sorge sein Herz zu verschließen. Dazu fordert auch die passende Anrede an einen Badegast diesen auf, die je als Inschrift eine Badeanstalt zierte, und so lautet:*)

Curae vacuus hunc locum adeas, ut morborum vacuus
Abire possis, nam hic non curatur, qui curat. - -

*) Diese Inschrift stand einst über den Antoninischen Bädern zu Rom und steht jetztüber dem Badehaus zu Doberan, sie ist wegen des Wortspieles, das sie enthält, unübersetzbar, ihr Sinn aber ist folgender: „Von Sorgen frei musst du diesen Ort betreten, um von Leiden frei ihn verlassen zu können; denn wer sich mit Sorgen quält, wird hier nicht geheilt.“

Es war jetzt nur von den negativen Vorteilen, die für die Erheiterung der Aufenthalt an einem Badeort gewährt, die Rede; nun auch einige Worte über die positiven Veranlassungen, die der Badegast findet, sich zu zerstreuen und durch Genuss von wahren Freuden für diese immer empfänglicher zu werden.
Am Badeorte lebt jeder, wie er will. Da aber nach dem alten Sprichworte: „des Menschen Wille sein Himmelreich ist“, so kann man sich in dieser Hinsicht wohl nirgends wohler befinden, als eben an einem Badeorte.
Wer die Einsamkeit und Ruhe liebt, bleibt hier ungestört in seiner Wohnung, oder sucht auf einem einsamen Spaziergange Erholung und Freude.
Wer ein Freund von Naturschönheit ist, findet in den Umgebungen fast jedes Badeortes, besonders aber an Seebadeorten vermöge des imposanten Anblicks der täglich anders erscheinenden See, Befriedigung seiner Wünsche.
Wer die große und muntere Gesellschaft liebt und sich in ihr angenehm zu bewegen versteht, findet wohl nirgends mehr, als au einem Badeorte Gelegenheit zu dem Genuss der geselligen Freuden, zum Anknüpfen angenehmer und interessanter Bekanntschaften, zum Entwickeln und Geltendmachen seiner eigenen geselligen Talente.
Wer den traulicheren Umgang mit wenigen Freunden den rauschenden Freuden der großen Gesellschaft vorzieht, findet, wenn er sie zu suchen und sich zu gewinnen versteht, an jedem nur einigermaßen besuchten Badeorte Menschen, die für ihn passen, in deren Gesellschaft er sich wohl befindet und durch deren freundschaftlichen Umgang er sich beglückt fühlt.
Menschen, die in ihren gewöhnlichen Umgebungen vergeblich einen Freund suchten, finden ihn oft, wo sie ihn nicht suchten, am fremden Orte, wovon die Ursachen oft sehr natürlich und leicht zu erraten sind.
Freunde der Musik finden in jedem wohleingerichteten Badeorte ein gutes Musikchor; auch pflegen unter einigen hundert gebildeten Menschen sich immer einige Dilettanten, oft auch Künstler vom Fache zu befinden, die in Privatgesellschaften oder Konzerten Andere durch ihre Talente erfreuen.
Für die Tanzlustigen fehlt es an keinem Badeorte an Gelegenheit zum Tanzen, ein Vergnügen, das, wenn es mäßig und unter günstigen Verhältnissen, d. h. in nicht unzweckmäßiger Kleidung, zu nicht unpassender Zeit und in einem nicht unzweckmäßigen (zu heißen, zugigen) Lokale genossen wird, im Allgemeinen eher der Gesundheit zuträglich, als nachteilig ist und so ohne Nachteil von dem jüngeren und gesünderen Teile der Badegesellschaft genossen werden kann.
Wer gern spielt, findet dazu an jedem Badeorte, besonders in Seebädern, Gesellschaft.
Wer ein Freund der Lektüre ist, hat am Badeorte Zeit und Gelegenheit, bändereiche Werke gemächlich zu durchlesen.
Wer gern schreibt, unterhält sich in Briefen mit seinen Freunden oder in einem Tagebuche mit sich selbst.
Macht ihn einiges Talent zum Zeichnen nun gar noch fähig, hübsche Gegenden, die Züge origineller Personen usw. seinem Gedächtnisse aufzubewahren und damit sein Tagebuch zu bereichern, so hat er, um dies in Ordnung zu halten, schon täglich einige Stündchen zu tun, und findet darin eine angenehme Beschäftigung.
Kurz, wer für Freude und Zerstreuung überhaupt empfänglich ist, findet nirgends weniger Störung und nirgends mehr Gelegenheit, als an einem Badeorte. Das Seebad hat diese Eigenschaft als Bad mit jedem andern Bade gemein; doch ist natürlich nach Lokal- und sonstigen Verhältnissen der Aufenthalt an einem Badeorte immer angenehmer, als der an einem andern. Der Aufenthalt an jedem Badeorte aber hat als solcher, wie eben gezeigt worden ist, schon einen wesentlichen Einfluss auf das Wohlbefinden derer, die ihn besuchen, und da von der Wirkungsweise des Seebades und den Punkten, auf die es dabei ankommt, die Rede sein sollte, durfte auch dieser Punkt nicht unerwähnt bleiben.
So weit die Erörterung der Wirkungsweise des Seebades im Allgemeinen und der Momente, die dabei zu berücksichtigen sind.
Ich hoffe, durch diese Erörterung die Aufgabe, die ich mir gemacht, gelöst, und die Frage: „wie wird es möglich, dass das Seebad ein Heilmittel von ausgezeichneter Wirkung bei so vielen verschiedenen Krankheitszuständen ist?“ befriedigend beantwortet zu haben, und gehe nun zur Angabe der Krankheiten selbst über, zu deren Heilung das Seebad mit Nutzen angewendet wird.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Seebad zu Swinemünde