Vom Seebade zu Swinemünde insbesondere

Das Seebad zu Swinemünde auf der Insel Usedom am Ausflusse der Swine in die Ostsee ist seit einigen Jahren eins der besuchtesten Seebäder Deutschlands.
Es verdankt diesen zahlreichen Zuspruch hilfesuchender Fremden dem Zusammentreffen mehrerer Umstände, unter denen einer der wesentlichsten in der zu diesem Zwecke so äußerst günstigen Lage des Städtchens und Beschaffenheit des Seestrandes zu finden ist.
Schon das freundliche Äußere der ausüberwiegend einstöckigen Häuern bestehenden, sich im Halbkreis am linken User der Swine hinziehenden Stadt mit ihren reinlichen, breiten und geraden Straßen gibt derselben vor anderen kleinen Städten, die überwiegend unregelmäßig gebaut sind, und enge, unreinliche Straßen haben, einen wesentlichen Vorzug, und hat etwas sehr Einladendes.
Die Bewohner, größtenteils Schiffer, Kaufleute, Offizianten und Gewerbetreibende, sind fast alle zur Aufnahme von Fremden eingerichtet. Der Gewinn, den sie aus der Vermietung ihrer Wohnungen an Badegäste ziehen, ist nur ein Nebenerwerb für sie. Aus diesem Grunde und wegen der Statt findenden größeren Konkurrenz sind die Quartiere für Fremde im Vergleich mit andern Badeörtern, deren Einwohner lediglich von den Badegästen leben, und wo die Konkurrenz geringer ist, ziemlich billig, und werden, da sich jährlich mehr Familien zur Aufnahme von Badegästen einrichten, mit jedem Jahre noch billiger.
Der sehr bequeme Weg von dem Städtchen bis zum Seestrande führt durch ein anmutiges Lusthölzchen, die Plantage genannt, und kann, was ein wesentlicher Vorzug ist, zu Fuß in 10 Minuten, zu Wagen in 5 Minuten zurückgelegt werden, während an mehreren andern Seebadeorten das Bad selbst eine Stunde und darüber von den Wohnungen der Badegäste entfernt ist, wodurch der Gebrauch der Bäder sehr verteuert und erschwert wird.
Der Strand selbst und der Grund der See am Badeplatze besteht aus sehr feinem, festen Sande, und gewährt vollkommene Sicherheit.
Die Anstalten zum Gebrauche der Bäder in der offenen See entsprechen dem Heilzweck und berücksichtigen die Bequemlichkeit und Delikatesse der Badenden vollkommen. Die Lage des Badeplatzes an der nordöstlichen Küste der Insel ist von der Art, dass fast bei jedem Windstande der für den Heilzweck so wesentliche Wellenschlag entsteht. Zum Gebrauche warmer Bäder befindet sich in der Plantage ein sehr freundliches, wohl eingerichtetes Badehaus.
Die Stadt hat eine gute Apotheke, und ärztliche Hilfe findet jeder, der derselben bedarf. Wie aber für das gute Unterkommen der Fremden und für den eigentlichen Zweck ihres Hierseins, so ist auch für die Befriedigung ihrer übrigen Bedürfnisse und für ihr Vergnügen gesorgt.
Beköstigung finden die Fremden an mehreren anständig eingerichteten, wohlbesetzten Wirtstafeln zu mäßigem Preise, oder lassen sich die Speisen aus Gasthöfen holen, oder besorgen ihre Ökonomie selbst.
In dem nur für diesen Zweck erbauten Gesellschaftshause finden Fremde zu jeder Zeit anständige Bewirtung, gesellige Unterhaltung, Lektüre, Zerstreuung durch Billard und andere Spiele, Tanz, Musik usw.
Der Hafen, in welchen jährlich über 600 große Seeschiffe aus allen Weltgegenden einlaufen, gewährt, besonders für die Bewohner des Festlandes, einen höchst interessanten Anblick; der Hafenbau selbst ist ein in seiner Art einziges Riesenwerk, und erregt das Interesse und die Bewunderung jedes Beschauers.
In der Nähe von Swinemünde gibt es einige Vergnügungsorte, die durch ihre reizenden und imposanten Aussichten auf die Inseln Usedom und Wollin, auf die Ostsee und das Haff, sich vor den Vergnügungsörtern vieler andern Bäder vorteilhaft auszeichnen, und deswegen täglich von den Badegästen besucht werden. Nicht wenige der Badegäste besuchen von Swinemünde aus die durch ihre Naturschönheiten und historischen Merkwürdigkeiten so berühmt gewordene nahe gelegene Insel Rügen, und geben schon aus dem Grunde, weil sie diese so interessante und angenehme Reise mit ihrer Badereise leicht verbinden können, dem Seebade zu Swinemünde den Vorzug.
Zu diesen Annehmlichkeiten, welche Swinemünde vermöge seiner Lage, seiner Einrichtungen und seiner Umgebungen als Seestadt und Badeort gewahrt, gesellt sich der Vorteil der äußerst leichten und schnellen Kommunikation mit Stettin und Berlin mittelst der vollkommene Sicherheit gewährenden Dampfschiffe und der vortrefflich eingerichteten Schnellpost. Man kann sehr bequem in 26 Stunden von Swinemünde nach Berlin reisen, und auch Diejenigen, welche sich der Schnellpost nicht bedienen wollen, können in zwei Tagen die Reise von fast 30 Meilen zurücklegen, da die neue treffliche Kunststraße, die Berlin mit Stettin verbindet, das schnelle Fortkommen ungemein erleichtert. Mehr aber als allen den genannten Annehmlichkeiten und Vorteilen verdankt Swinemünde seinen guten Ruf und die günstige Aufnahme, die es bisher gefunden, den ausgezeichnet guten Wirkungen, die der Gebrauch des Swinemünder Seebades in so vielen Fällen hervorgebracht hat. Die Anzahl der Leidenden, die dem hiesigen Seebade die Wiederherstellung ihrer Gesundheit verdanken, und durch dieselbe des Genusses aller wahren Lebensfreuden, denen sie, von der Bürde körperlicher Leiden niedergedrückt, schon abgestorben waren, von neuem teilhaftig wurden, ist bereits beträchtlich. Die hier dem Leben und seinen Freuden Wiedergewonnenen, die zur Ertragung der Beschwerden, die das Leben ja jedem in seiner Art bietet, hier Gekräftigten, mögen und werden die Vorzüge des Swinemünder Seebades erheben und Andern dasselbe zum Gebrauche empfehlen. Jede gute Sache spricht für sich selbst, darum genüge diese kurze Andeutung der Vorzüge, die das Seebad zu Swinemünde vor andern ähnlichen Anstalten auszeichnet, zu dessen Empfehlung. Die nachfolgende Beschreibung des Ortes, seiner Anstalten, Einrichtungen usw., die Anleitung zur Reise von Berlin nach Stettin und Swinemünde und von da nach Rügen hat nur die Absicht, Denjenigen, welche das Seebad zu Swinemünde besuchen wollen, ihr Vorhaben zu erleichtern, und ihnen Mittel und Wege anzugeben, auf welchen sie auf die angenehmste, zweckmäßigste und wohlfeilste Art zum Ziel ihrer Reise gelangen, und am Badeorte selbst der Wiederherstellung ihrer Kräfte, ihrer Zerstreuung leben und ihre Lebensbedürfnisse befriedigen können.
Da eine beträchtliche Anzahl der das hiesige Seebad Besuchenden über und von Berlin zu kommen, und eine, nicht geringe Anzahl derselben von hier aus die Insel Rügen zu bereisen pflegt, so soll hier der Beschreibung von Swinemünde selbst eine kurze Anleitung zur Reise von Berlin nach Stettin, die Schilderung dieser interessanten Stadt und der Reise von da hierher vorangehen, und eine Anweisung zur zweckgemäßen Bereisung Rügens folgen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Seebad zu Swinemünde