Reise von Stettin nach Swinemünde

Haben wir die Reisenden mit dem Sehenswerten Stettins und seiner näheren Umgegend bekannt gemacht, so führen wir sie nun weiter hinab zum Ziel der Reise. — Die Fahrt nach Swinemünde geschieht gewöhnlich zu Wasser; denn die Landreise über Gollnow und Wollin ist weit und langweilig, dagegen die Wasserreise rasch und angenehm, vorausgesetzt, dass sie auf dem Dampfschiffe zurückgelegt wird. Denn es gibt außerdem zwar Fahrzeuge, die sogenannten Lugger*), welche zur Kommunikation zwischen Stettin und Swinemünde bestimmt sind; allein da sie nur segelnde Fahrzeuge sind, so ist der Reisende allen bösen Launen der Winde übergeben, abgesehen davon, dass er auf diesen kleinen Schiffchen notgedrungen allen Unbequemlichkeiten einer kleinen Seereise ausgesetzt ist. Überdies ist der Preis für die Überfahrt nicht sehr viel geringer, als der, welchen das Dampfschiff fordert. Also raten wir zu diesem letzteren. Die Stunde der Abfahrt pflegt am frühen Morgen zu sein, und der Reisende muss sie genau beachten, indem sonst die Fahrt fruchtlos bezahlt ist, und überdies das herrenlose Gepäck ohne seinen Eigentümer hinabfährt. Auf dem Dampfschiffe selbst findet der Reisende alle Bequemlichkeiten; die innere Einrichtung ist glänzend, zwei schön möblierte Gemächer, das eine den Herren, das andere den Damen bestimmt, schützen vor Regen und Unwetter. Auf dem geräumigen Verdeck ist ein großes Zelt gegen die brennenden Strahlen der Sonne aufgespannt; eine gute Restauration sorgt für Frühstück und jede Erfrischung, welche nötig werden dürfte. Die Größe des Schiffes gestattet es oft, an 100 Personen mit sämtlichem Gepäck mitzunehmen, und selbst die Wagen der Reisenden finden Platz. — Von der Maschinerie des Schiffes eine Beschreibung zu geben, wie ihre Riesenkraft sicher geleitet wird, das große Gebäude mit seiner Last pfeilschnell dahin zu rudern, sind wir außer Stande; genug, dass der denkende Geist des Erfinders sich zum Herrn der geheimnisvoll wirkenden Naturkraft zu machen wusste, und uns auf sicherem Wege gegen Sturm und Wogen dahin führt. Die Glocke läutet zum dritten Mal; die Taue werden am Ufer gelöst; hoch wirbelt der dunkle Rauch aus dem Schornstein empor, und der heiße Wasserdampf strömt ungestüm aus dem geöffneten Ventil.

*) Die Swinemünder Luggerschiffer liegen in Stettin am Bollwerk in der Nähe des Gasthofs „Stadt Copenhagen“ mit ihren Fahrzeugen, wo sie zu erfragen sind; man zahlt für die Überfahrt incl. des Gepäcks à 1 Rthlr. bis 1 1/2 Rthlr. Vor der Erbauung des Dampfschiffes bediente man sich dieser Fahrzeuge fast ausschließlich zur Fahrt von Stettin nach Swinemünde, jetzt aber nur dann, wenn, was jedoch selten geschieht, der Kessel des Dampfschiffes gereinigt und dadurch die regelmäßige Fahrt desselben auf einige Tage unterbrochen wird. In diesem Fall kann man auch zu Lande bis Neuwarp fahren, sich sodann in einem Boote über das Haff nach Roland überseien lassen (hier eine Meile breit) und von hier auf dem Landweg nach Swinemünde gelangen.


Der Kapitän gibt das Zeichen, in langsamen Schwingungen drehen sich die gewaltigen Räder mit den eisernen Schaufeln; rascher und rascher wird die Bewegung, und bald eilt das Schiff pfeilschnell brausend dahin, so dass der große Strom hoch über seine Ufer tritt, und die nahe liegenden Schiffe schaukelnd bewegt werden. Wie ein schnell vorüber eilendes Bild tritt das schöne bebaute Ufer zurück, Grabow mit seinen Landhäusern und Gärten, mit unzähligen Schiffen und Fahrzeugen, welche dort ankern; dann Bredow, Züllchow, das freundliche Frauendorf, welches stufenartig unter dichten Baumgruppen am Abhange hinaufsteigt; vor diesem Elisenhöhe, weiterhin hinter grünen Bergen Gotzlow, Cavelwiese, Cratzwieck, Stolzenhagen, bis die Berge weiter zurücktreten und das Ufer flacher wird, und nun in weiten, bunten Wiesenflächen den Strom in seinen vielfachen Windungen begleitet. Laut ertönt die Glocke des Schiffes, um die zahlreichen Kähne, welche aus den Dörfern zur Stadt eilen, zu warnen; denn ein reißender Strudel folgt dem Schiffe, und hebt die leichten Kähne, welche ihn durchschneiden, in tanzender Bewegung empor. — Links tritt die Stadt Pölitz am Abhange, des Berges hervor; rechts die Dörfer Camelshorst, Langenberg, Gnageland und mehrere andere; am Oderkruge, einem einzelnen Hause am linken Ufer, wird der Strom so enge, dass das breite Fahrzeug kaum Raum gewinnt für seine Bewegungen; aber bald erweitert sich das Fahrwasser in den Dammansch (in welchen der Dammsche See ausfließt), sodann in das Papen- (oder Pfaffen ) Wasser, an welchem rechts die Stadt Stepnitz sichtbar wird, und mündet sich so in die weite, große Fläche des Haffs, welches sich in einer Ausdehnung von 14 bis 15 Meilen ausbreitet. Aus diesem Bassin strömt die Oder durch drei Mündungen, welche die Inseln Usedom und Wollin bilden, ins Meer, durch die Peene an Wolgast vorüber bei Peenemünde. durch die Swine bei Swinemünde, und endlich durch die Dievenow bei Cammin. Nach dem mittleren dieser drei Ströme, zwischen den hohen Lebbiner Bergen, welche sich jenseits zogen, eilt das Schiff; schon erheben sich die Wogen bei bewegterem Wind, und ein entferntes Vorgefühl der Seereisen, süß oder herbe, teilt sich durch die leisen Schwankungen des Schiffes mit; aber oft auch jagt der heftige Wind die schäumende Flut entgegen; mit schwellenden Segeln, wie der mächtige Adler mit ausgebreiteten Schwingen, eilen die Seeschiffe vorüber, und hoch aus den Masten begrüßen die emsigen Matrosen das dampfende Fahrzeug. Am linken Ufer des Haffs, dort wo das Papen-Wasser aufhört, zeigt sich Ziegenort, weiterhin Neuwarp, rechts in bedeutender Entfernung ragen die Türme Wollins empor. Ist der Einfluss der Swine erreicht, so ist links Caseburg, rechts weiter hinauf Pritter bemerkbar; der Strom wird wieder enger und windet sich abwechselnd. — Fernhin wird ein Wald von Masten sichtbar, bald auch Häuser; es ist Swinemünde. —
Weit am Horizont tritt in einem schmalen, dunkelgrünen Streif das Meer herauf; brausend eilt das Schiff durch den breiten Hafen nach den Hafendämmen zu, kehrt dann in rascher Wendung, und legt vor dem Gesellschaftshaufe am Ufer an.
So übergeben wir denn den hilfesuchenden Reisenden dem heilenden Schoß des Meeres, welches ihn fernher schon begrüßt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Seebad zu Swinemünde