Reise von Berlin nach Stettin

Zur Reise von Berlin nach Stettin bedient man sich entweder eigener Pferde, oder der Extrapost, der Schnellpost, der gewöhnlichen Fahrpost, der Lohnfuhren oder der Personenwagen (Gelegenheit). Die neue Kunststraße führt über Werneuchen, Neustadt-Eberswalde, Chorin, Angermünde, Schwedt und Garz nach Stettin. Lohnkutscher ziehen, um das Chaussee-Geld zu sparen, bei trockener Witterung den Weg über Bernau nach Neustadt-Eberswalde und über Stendal und Tantow nach Stettin der Kunststraße vor. Wer mit eigenen Pferden reisen will, dem ist zu raten, zwei ganze Tage zur Reise zu bestimmen, in Werneuchen zu frühstücken und in Neustadt-Eberswalde zu Mittag zu essen. Hier ist den Reisenden der Gasthof des Hrn. Dictus vorzüglich zu empfehlen, teils wegen seiner musterhaften Einrichtung und der guten Bedienung, die man daselbst findet, teils wegen eines Kunstgenusses ganz eigentümlicher Art, der jedem Fremden, der Hrn. Dictus darum ersucht, von diesem sehr gern gewährt wird. Hr. Dictus ist nämlich der Erfinder der von ihm geheim gehaltenen Kunst, aus Kork Basreliefs zu bilden, und seine Leistungen in diesem Genre sind einzig in ihrer Art zu nennen. Überwiegend sind es Gegenstände der Baukunst, die von ihm auf diese Weise trefflich dargestellt worden sind, doch sind auch Figuren, Wasser, Schiffe usw. sehr glücklich von ihm nachgebildet. Da Hr. Dictus keins seiner Kunstprodukte aus den Händen gegeben, so kann man nirgends als bei ihm selbst des Vergnügens, diese zu betrachten, genießen, und es ist daher jedem Reisenden schon aus diesem Grunde zu raten, bei Hrn. Dictus einzukehren. Nachmittags hält man gewöhnlich zu Chorin an; wer sich für alte gotische Gebäude interessiert, wird nicht ohne Befriedigung die Ruinen der Kirche und des Klosters Chorin betrachten.
In Angermünde findet der Reisende in den Gasthöfen der Hrn. Seegert und Lohse ein gutes Abendbrot und anständiges Nachtquartier. Am zweiten Reisetag passiert man Schwedt und Garz, beides Orte ohne besondere Bedeutung. Wenige Reisende werden aus freier Wahl die Straße über Stendal und Tantow fahren, indem der Weg selbst äußerst schlecht ist und gar nichts Interessantes darbietet.
Wer mit der Schnellpost reisen will, muss sich zuvor auf dem Königl. Ober-Postamte einschreiben lassen, seinen Platz pränumerando mit 5 Tthlrn. 7 1/2 Sgr. bezahlen, und sich zur rechten Zeit auf dem General-Postamte einfinden, sonst bleibt er zurück und verliert sein bereits gezahltes Passagiergeld. Das mitzunehmende Gepäck darf nicht über 20 Pfund wiegen, und muss in Mantelsäcken oder Tornistern, nicht in Koffern oder Kasten bestehen; sein übriges Gepäck muss der Reisende auf andere Weise nach Stettin bringen lassen, oder auf die Fahrpost geben, wo er für das Pfund 1 Sgr. zu entrichten hat. An Trinkgeldern und dergleichen ist auf der Tour nichts zu entrichten; nur wer den Schirrmeister für die Bewahrung seiner Effekten verantwortlich macht, gibt diesem dafür eine Kleinigkeit. Die Annehmlichkeiten, welche die Reise mit der Schnellpost überhaupt gewährt, sind zu bekannt und zu anerkannt, als dass sie hier einer Schilderung bedürften, daher hier nur die Angabe der Stunden, zu welchen sie abgeht und ankommt.
Die Schnellpost geht ab zu Berlin Montag und Freitag 8 Uhr Abends, und kommt an zu Stettin Dienstags und Sonnabends 2 Uhr Nachmittags; geht ab zu Stettin Montags und Donnerstags 2 Uhr Nachmittags, und kommt an zu Berlin Dienstags und Freitags 8 Uhr Morgens. Sie hält auf ihrer Fahrt von Berlin nach Stettin an in Neustadt-Eberswalde, wo für die Passagiere Erfrischungen aller Art bereit gehalten werden, und zu Schwedt, wo sie ein Mittagessen bereit finden. Auf der Fahrt von Stettin nach Berlin hält sie wieder zu Schwedt und zu Neustadt-Eberswalde an, wo ebenfalls für die Befriedigung der Bedürfnisse der Reisenden gesorgt ist.
Die ordinäre Fahrpost geht ab zu Berlin Sonntags und Donnerstags 8 Uhr Morgens, und kommt an zu Stettin Montags und Freitags 9 Uhr Vormittags; sie geht ab zu Stettin Sonntag und Mittwoch 8 Uhr Morgens, und kommt an zu Berlin Montag und Donnerstag 9 Uhr Vormittags. Man bezahlt für die ganze Tour von Berlin nach Stettin pränumerando 4 Rthlr. 4 Sgr. 6 Pf.
Die Stettiner Lohnkutscher halten sich in Berlin überwiegend im Gasthofe zum braunen Ross in der Krausenstraße auf. Wer zur Reise nach Stettin einen Wagen für sich oder seine Familie allein nimmt, zahlt dafür nach Maßgabe der Futterpreise, der Personenzahl und Schwere des Gepäcks 14 Rthlr. bis 18 Rthlr.
Für einen Platz in einem Personenwagen zahlt man zirka 3 Rthlr. Über die zu nehmende Tour muss man sich, wem daran liegt auf der Chaussee zu fahren, zuvor mit dem Lohnkutscher einigen.
In Stettin weiß der Hausknecht jedes Gasthofes die Wohnungen der Berliner Lohnkutscher, unter denen Gagel, Bolte und einige Andere besonders zu empfehlen sind; die Preise für die Fahrt von Stettin nach Berlin sind den genannten gleich.
Die Reise nach Stettin zu Fuße zu unternehmen, ist Niemanden zu raten, da sie nicht durch schöne Gegenden führt, die man sonst gern in kleinen Tagemärschen durchwandern möchte. Große Tagesmärsche zu machen, ist aber auch für den gesünderen und jüngeren Teil derer, die ein Seebad besuchen wollen, nachteilig, und daher auf keine Weise zu empfehlen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Seebad zu Swinemünde