Kurze Beschreibung der Stadt Stettin

Der erste Anblick von Stettin eröffnet sich Demjenigen, welcher von Berlin herabkommt, etwa 1 1/4 Meilen vor der Stadt, kurz vor dem Dorfe Pritzlow. Von dort führt die schöne Chaussee nach der Stadt. Viel wird natürlich von diesem Anblick nicht gewährt; denn nur die hohe Jakobi-Kirche mit ihrem stumpfen Turm, welchen wieder 4 kleine Türmchen zieren, tritt ganz hervor; die Stadt selbst ist zurückhaltender, sie will desto mehr mit ihren Schönheiten überraschen. Allein diese Zurückhaltung ist leider unfreiwillig, denn hohe Wälle umlagern die Häuser. Rechts, in einer Entfernung von 1/2 Meile, sieht der Reisende die Berge von Podjuch, am rechten Ufer der Oder, und bald eröffnet sich auch über Stettin hinaus der Blick auf eine ferne, blaue Wasserfläche, den Dammschen See. —
Kurz vor dem Eingange in die Stadt führt der Weg um das Fort Preußen, in welchem Staatsgefangene gehalten werden. Nun erst wird der Reisende durch das dunkle Berliner Tor — es sollte schon seines Namens wegen freundlicher sein — in die Stadt geführt. Vor allen Dingen dürfte natürlich ein Gasthof zu wählen sein; wir möchten deren drei vorschlagen, und unter diesen dem eigenen Geschmack die Wahl überlassen. Das Hotel de Prusse in der Luisen-Straße wird als Gasthof ersten Ranges betrachtet, hinter ihm sind im zweiten Range die Stadt Petersburg und die drei Kronen in der Breiten-Straße.
Wir sind nunmehr zuerst eine allgemeine Beschreibung der Stadt schuldig, in welcher sich der Reisende befindet.
Stettin ist mit einer Zahl von 27.000 Einwohnern die Hauptstadt Pommerns; denn hier ist der Sitz des Ober-Präsidenten der Provinz, so wie der Landes-Kollegien. Als Handelsstadt möchte sie leicht den ersten Rang unter den Preußischen Städten einnehmen, wenigstens scheint sie durch ihre vorteilhafte Lage zu einem solchen Ehrenplatz bestimmt zu sein. Eine Garnison von zwei Regimentern und ein zahlreiches Artillerie-Korps, so wie die Festung selbst gewähren viel kriegerisches Leben, und in dieser Beziehung will man der Lage des Orts viel Bedeutung beimessen; wenigstens erkannte Gustav Adolph von Schweden, als er im 30jährigen Kriege von hier aus den letzten großen Schauplatz seines Lebens betrat, diese Bedeutung, indem wir ihm die erste regelmäßige Befestigung verdanken, die leider im Jahre 1677 zu der denkwürdigen Belagerung Veranlassung gab. Der große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, welcher bereits, vor einer ansteckenden Krankheit flüchtend, hier seine Jugendjahre beim Herzoge Bogislaw zugebracht hatte, soll, erfreut über die kräftige Verteidigung der Stadt, und deren vorteilhafte Lage erkennend, gesonnen gewesen sein, die Residenz von Berlin hierher zu verlegen. Allein der nachfolgende Friede entriss ihm wiederum die so schwer errungene Stadt, und, wenn jener Plan wirklich in Friedrich Wilhelm rege geworden sein sollte, so haben die Bewohner Berlins gegründete Ursache, den Frieden von Saint-Germain (1679) als ein für sie erfolgreiches Ereignis zu betrachten. —
Die Bauart der Stadt hat für den, welcher dafür einen Maßstab von Berlin mitbringt, nichts Ausgezeichnetes; allein dennoch hat sie hierin unbedenklich einen bedeutenden Vorzug vor vielen Städten gleicher Größe. Der Rossmarkt, die Luisen-, die Oder-, die beiden Dom-Straßen und einige andere sind gerade gebaut, und enthalten manche schöne Häuser. Berücksichtigt man dazu viele örtliche Hindernisse, und die Beschränkung zwischen den Wällen — die nun einmal keine Erweiterung der Stadt dulden wollen — so ist nicht zu verkennen, dass früher, als noch Reichtum in der Stadt vorhanden war, viel geschehen sei. Ausgezeichnete Bau-Denkmale des Mittelalters sind nicht aufzuweisen; unsere Altvorderen haben uns darin spärlich bedacht. Allein dies ist ein Mangel, welchen, das ganze Deutschland diesseits der Elbe mit wenigen Ausnahmen zu beklagen hat; den größten Schmuck der Art hat die Stadt im Jahre 1789, als die Marien-Kirche mit ihrem prächtigen 348 Fuß hohen Turm abbrannte, verloren; — noch mahnen uns deren traurige Ruinen in der Dom-Straße an den Verlust.
Die Jakobi-, so wie die Johannis-Kirche sind groß und geräumig, ober, wenn man so sagen darf, charakterlos; keine Spur des herrlichen erhabenen Sinnes, welcher in jenen Jahrhunderten bewundernswürdige Werke geschaffen hat, ist in ihnen zu finden. Die Petri-Kirche — angeblich von Otto von Bamberg, dem Apostel Pommerns, gebaut — hat gar ihr altertümliches Gewand mit einem neuen zierlichen Kleide vertauscht.
Über Stettins Einwohnerschaft die Reisenden zu belehren, wollen wir nicht wagen. Goethe lässt die Märker von sich sagen:

„Die sind bieder und natürlich,
und das ist genug getan.“


Wir zweifeln nicht, dass der Meister, wäre er je zu uns gewandert, auch uns wie unsere Nachbarn hätte sprechen lassen, ohne uns jedoch mit einer gleichen Satiere zu begrüßen. Nach diesem Vorwort wollen wir nun unsere Reisenden auf einem Spaziergange durch die Stadt begleiten, und uns als Ciceroni versuchen. Wir beginnen vom weißen Paradeplatz, welchen Pommerns unverbrüchliche Treue an dem angestammten Königshause mit einem schönen Denkmale geziert hat. Es ist die Statue Friedrichs des Großen, von Schadows Meisterhand gebildet, und im Jahre 1793 errichtet. Der strafende Ernst seines Auges hat lange auf die Schmach herabblicken müssen, welche in den Jahren der Knechtschaft uns geboten wurde; aber auch die Fremdlinge hatten Ehrfurcht vor dem Erhabenen; denn auf Befehl des französischen Gouverneurs wurde während der Belagerung im Jahre 1813, als ein Bombardement zu befürchten war, eine schützende Decke über die Statue gewölbt. Der Jubel der Befreiung wurde nachher durch die festliche Enthüllung des Standbildes erhöht.
Wir wandern die Luisen-Straße hinab — unsere unvergessliche Königin hat sie also genannt — nach dem Rossmarkt. Hier dürfte die verfallene Wasserkunst, welche König Friedrich Wilhelm I. im Jahre 1729 errichten ließ, der Aufmerksamkeit nicht unwert sein; leider bietet sie jetzt nur in ihrem täglich weiter schreitenden Verfall einen traurigen Anblick dar. Früher hat sie, in Verbindung mit einer Wasserleitung, den größeren Teil der Oberstadt mit Wasser versorgt, und hohe Strahlen in ihr Bassin geworfen; jetzt ist ihre Quelle versiegt, und sie ruht nach langem Eifer.
Wir wandern zum Schloss. Durch seine hohe Lage am Abhange des Hügels, welcher die Stadt durchschneidet, überragt es den unteren Teil Stettins, und gewährt von der Wasserseite herauf einen imponierenden Anblick. Früher, als Pommern noch Selbstständigkeit genoss und von seinen Herzögen regiert wurde, hatten diese hier ihre Residenz, und, nach dem Umfange des Gebäudes zu urteilen, muss die Hofhaltung unserer Herzöge nicht unbedeutend gewesen sein. Allein unsere fürstliche Linie ist schon im 17ten Jahrhundert ausgestorben, und der Glanz des Hofes ist ihr gefolgt. Das Gebäude ist im Jahre 1575 durch einen italienischen Baumeister aufgeführt; doch hat seine ursprüngliche Gestalt nach den Bedürfnissen späterer Zeit manche Veränderung erlitten, und namentlich ist das platte Dach, von welchem früher eine überraschende Fernsicht über das ganze Odertal sich darbot, erhöht worden. Das Schloss enthält in seinem weiten Umfange: die Wohnung Ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin Elisabeth, die Königl. Regierung und das Königl. Ober-Landesgericht von Pommern, erstere in dem zweiten, letzteres aber im dritten Stockwerk; das Ober-Präsidial-Büro, das Königs, Stadtgericht, einen Exerzier-Saal für das Artillerie»Corps mit verschiedenen Gemächern für Waffenvorräte, endlich aber zwei Kirchen, die eine dem französisch-reformierten und dem lutherischen Gottesdienst — sie war früher die Hofkapelle der Herzöge — die andere aber dem katholischen Gottesdienst gewidmet. In jener, der ehemaligen Hofkapelle, ruhen in der fürstlichen Gruft vor dem Altar und der Kanzel die Gebeine mehrerer Pommerschen Herzöge und Herzoginnen der regierenden Linie, und unter diesen auch die des letzten Herzogs Bogislaw XIV. Dem Eingange in dieser Kirche gegenüber, rechts neben dem Altar, hängt ein ausgezeichnetes Gemälde, nach Bernouillis Meinung von einem italienischen Meister der besseren Schule, welches den feierlichen Einzug Herzogs Bogislaw X. in Venedig auf seiner Rückkehr von einer Wallfahrt nach Jerusalem darstellt. Der Doge, an seiner roten Mütze kenntlich, zieht dem Helden an der Spitze der Mobili entgegen. Im Übrigen dürfte nichts Sehenswertes mehr auf dem Schloss zu rühmen sein, wenn nicht die Uhr auf dem großen Schlosshofe, welche in gleichförmiger Bewegung zwei Augen verdreht, und bei deren Glockenschlag eine Figur den Hammer fallen lässt, dahin zu rechnen wäre. Links am Eingange dieses Hofes unter der Kolonnade ist ein Teil des Gerippes von einem Walfisch zu sehen, welcher in früherer Zeit, unkundig des Weges, sich an die Pommersche Küste verirrt haben soll.
Wenngleich die Jakobi-Kirche, in der Mitte der Stadt, durch ihr düsteres Ansehen und ihre schwerfällige Form wenig zu versprechen scheint, so ist doch der innere Raum großartig und die hohe Wölbung überraschend. Das schöne Altarbild, die Kreuzesabnahme darstellend, ist das Werk eines talentvollen hiesigen Malers, des Herrn Lengerich, welcher es im Auftrage der Bürgerschaft neuerlich in Italien vollendet, und damit seiner Vaterstadt ein würdiges Kunst-Denkmal übergeben hat. Die herrliche Orgel ist im vorigen Jahre wieder hergestellt worden; sie füllt den großen Raum der Kirche hinreichend aus, und begleitet auf würdige Weise den Gottesdienst. Wir möchten den Reisenden raten, wenn es anders ihre Kräfte erlauben, den Turm der Kirche zu ersteigen; die Treppe ist bequem, und die Mühe der Wanderung wird hinreichend durch eine Übersicht belohnt, welche unvergleichlich zu nennen ist. Das ganze Oder-Tal mit den vielen Armen dieses Stromes, welche weite Wiesenflächen durchschneidend der Damm'sche See und weit umher ein überall angebautes Land mit Landhäusern und Gärten, unter den Füßen aber die große volksbelebte Stadt bieten sich dem Anblick dar. Glicht weit von der Jakobi-Kirche in der Mönchen-Straße liegt das Gymnasium, ein ehemaliges Kloster der weißen Karmeliter-Mönche, mit einer Sternwarte. Das Gebäude ist für die stark besuchte, unter ausgezeichneten Lehrern stehende Schule zu klein, und es wird daher, dem Vernehmen nach, ein neues größeres Schulgebäude, welches einer solchen Bestimmung entsprechend ist, aufgeführt werden. Mit dem Gymnasium ist eine bedeutende Bibliothek und eine Sammlung von Mineralien, Conchylien, physikalischen und mathematischen Instrumenten, jedoch in besonderen Gebäuden der ehemaligen Marien-Kirche verbunden.
Wir wandern nach der Oder hinab; ein breiter schöner Strom, welcher, von der fernsten Grenze Schlesiens kommend, auf seinem weiten Lauf nur das Gebiet Preußens berührt und dessen reichste Provinz mit dem Meere verbindet. Einen solchen Strom muss man ehren, er gehorcht keinem fremden Herrscher.
Zwei Brücken von Holz verbinden die Stadt selbst mit dem am rechten Oder-Ufer liegenden Teil derselben, Lastadie genannt. Wir nehmen unsern Standpunkt auf der sogenannten Langen Brücke, und übersehen hier ein reges bewegtes Leben; denn vor uns, zwischen beiden Brücken, ist der Hafen der Stadt; alle Schiffe, welche den auswärtigen Handel betreiben, und aus England, Frankreich, Spanien, oder aus Amerika und Westindien selbst hierher die Handels-Produkte bringen, und deren Größe die Reise auf dem Strom bis zur Stadt erlaubt, werden hier angelegt, und von der Steuerbehörde zuvörderst kontrolliert und sodann an den auf beiden Seiten des Stroms befindlichen Speichern oder Lagerhäusern ausgeladen zu werden. So trifft es sich denn oft, dass eine bedeutende Zahl von Schiffen hier zu gleicher Zeit versammelt ist, und das anziehende Bild des tätigen Handels, des schaffenden Erwerbes liegt alsdann vor uns ausgebreitet. An den Flaggen erkennen wir das Vaterland der Schiffe, aber auch das Schiffsvolk unterscheidet sich bald durch eigentümliche Bildung als Engländer, Amerikaner, Holländer, Dänen, Schweden u. s. w. Stettin hat im vorigen Jahre durch seine Reederei 159 eigene Seeschiffe mit einer Größe von 16.878 Lasten beschäftigt; eingelaufen sind nahe an 700 Schiffe; außerdem ist der Stromhandel sehr bedeutend, durch welchen Schlesien, die Marken und Westpreußen mit den Produkten des Seehandels versorgt werden. Zu diesem Zweck dienen die langen Oderkähne, welche bis Breslau hinauffahren. Früher ward der Handel durch die Leichtigkeit des Swinemünder Hafens sehr erschwert, denn ein großer Teil der Schiffe konnte selbst in diesen nicht einlaufen, viel weniger aber bis zur Stadt selbst gelangen. Der tätigen Sorge Sr. Exzellenz des Hrn. Ober-Präsidenten Sack jedoch, welcher mit rastlosem Eifer das Interesse der Provinz zu fördern sucht, verdanken wir in dem großen Hafenbau zu Swinemünde, mit welchen, auch die Austiefung des Stroms verbunden ist, ein Werk Königl. Großmut, durch welches jenem Mangel größtenteils abgeholfen wurde.
Rechts, am Ende der Langen Brücke, liegt der Packhof mit verschiedenen Gebäuden, in welche noch unversteuerte Waren unter den Verschluss der Steuer-Behörde gelegt werden können; dem gleichen Zweck dient das auf derselben Seite des Stroms, weiter aufwärts gelegene Gebäude. Weiter hinauf über diesem liegt die Badeanstalt, mit welcher auch russische Dampfbäder verbunden sind; gegenüber aber an dem andern Ufer das Königl. Militär-Lazarett und das Waisenhaus der Stadt. —
An beiden Ufern des Stroms gewährt der Spaziergang mannigfache Abwechslung; auf dem rechten Ufer — auf der Lastadie — liegt der größere Teil der Speicher, oft sehr große Gebäude, in welchen die eingehenden Waren aufgelagert werden; unter ihnen ist die Provinzial-Zuckersiederei, deren innere Einrichtung sehr sehenswert sein dürfte. An dieser Seite pflegen die Schiffe gewöhnlich auszuladen , und wenn die Reisenden ein Seeschiff zu besteigen wünschen, so ist hier der passende Ort dazu; jedoch wäre zu raten, nur ein größeres auszusuchen. Die Kapitäne pflegen übrigens gern bereit zu sein, ihre Schiffe zu zeigen, und, es ist allerdings merkwürdig, ein solches Gebäude in seinen inneren Räumen zu sehen.
Auf dem linken Ufer bildet sich gewöhnlich ein lauter Markt, und unter den Verkäufern aller Art, welche Gemüse, Früchte u. s. w. bringen, ragen auch unsere Fischverkäuferinnen als Dames de la halle kräftig und eigentümlich hervor.
Kehren wir zur Stadt zurück, so ist auf dem Heumarkt das Rathaus zu bemerken, äußerlich zwar nur durch seine Größe ausgezeichnet, allein durch sein Alter ehrwürdig, wenn gleich die Baulust neuerer Zeit die ursprüngliche alte Form verändert hat. An Festtagen, welche für die Stadt denkwürdig sind, prangen aus den Fenstern die alten Fahnen der Bürgerschaft. Einen Schatz eigener Art bewahrt indes das Rathaus. Die Kaiserin Catharina II. von Russland, welche, so wie die jetzige Kaiserin Mutter, Maria Fedorowna, hier in Stettin geboren ist, hat, eingedenk ihrer Vaterstadt, derselben an ihrem jedesmaligen Geburtstage die bis dahin geschlagenen russischen Denkmünzen zum Geschenk gemacht. Die Nachfolger der großen Kaiserin, insbesondere aber der Kaiser Alexander, haben diese Geschenke fortgesetzt, und auch Se. Majestät der jetzt regierende Kaiser, Nikolaus, hat in dieser Beziehung dem hiesigen Magistrat eine huldvolle Zusicherung gegeben. Der Wert dieser Denkmünzen ist sehr bedeutend, und übersteigt bereits einige tausend Thaler.
Weiter hinauf in der Schuh-Straße liegt das sogenannte Seglerhaus, in welchem sich die Vorsteher der Kaufmannschaft versammeln; in dem Hauptsaale des zweiten Stockwerkes befindet sich eine Abbildung von Stettin, im Jahre 1659 auf Kosten der Stadt gemalt; dort zeigen sich noch die hohen, schönen Türme, welche in späteren Belagerungen zertrümmert wurden. Auf dem Hofe des Segler-Hauses steht das Schauspielhaus, zwar nicht sehr geräumig, allein dem Bedürfnis; der Stadt und einer nicht ausgedehnten Kunstleistung, wie wir sie gewöhnlich hier nur zu sehen pflegen, hinreichend angemessen. Die Gesellschaft pflegt sich nur im Winter hier zu versammeln, sollte sie indes auch im Sommer ihre Darstellungen versuchen, so möchten wir dem Reisenden, welcher von den Leistungen der Berliner oder anderer Hofbühnen erfüllt ist, mit Dante am Eingange zurufen: „lasciat’ ogni speranza!“
Außer den bisher bezeichneten öffentlichen Gebäuden und Anstalten der Stadt dürften noch zu nennen sein das Zeughaus am Frauenthor und das Schützenhaus am heiligen Geist-Tor; ersteres hat früher eine heiligere Bestimmung gehabt (es war die Kirche eines Zisterzienser-Klosters), allein die heiligen Töchter haben den rauen Waffen weichen müssen. In die flauer des Gebäudes, vorn am Eingange, ist das in Quaderstein gehauene Bildnis des Herzogs Barnim IV. von Pommern eingefügt, von welchem die Inschrift — vom Jahre 1543 — kräftig gesagt:
„er sei ein löblicher gottglückseeliger Fried- und Kriegsfürst gewesen, der sein Geschlecht und Herzogtum mit fürstlicher Mannheit zu den alten fürstlichen Freiheiten wiederum gebracht, Lob und langen Frieden auf seine Nachkommen vererbet usw.“
Das Schützenhaus ist in neuerer Zeit erbaut und den Festlichkeiten der Schützengesellschaft gewidmet. In dessen zweitem Stockwerk ist ein ausgezeichnet schöner und geräumiger Saal, welcher zu Bällen und Konzerten benutzt wird. Unter den ehrenwerten Reliquien, welche die Schützengesellschaft aus alter guter Zeit besitzt, befindet sich ein Pokal, welchen König Friedrich Wilhelm I. bei der Huldigung — er verband im Jahre 1729 durch den Stockholmer Frieden Pommern mit seiner Krone — der Gesellschaft schenkte; auf diesem Pokal prangen ungefähr die Worte: „Vivant Alle, die gut Preußisch seynd, und die es nicht seynd, dass sie Alle der Teufel hol'!" — — — Solche Worte sind damals nicht ohne nahe Beziehung gesagt, denn es hat, wie die Sage meldet, noch lange nachher Bürger hier gegeben, welche „abgöttisch schwedisch“ gesinnt waren. Hier im Schützenhause versammelt sich auch die Börse der hiesigen Kaufleute Montage, Mittwochs und Freitags.
Dem Schützenhaufe gegenüber liegt das Johannis-Kloster. Als die Mönche dasselbe zur Zeit der Reformation verließen, wurden ihre Zellen armen Bürgern als Zuflucht für ein sorgenfreies Alter geöffnet, und sie dienen noch jetzt zu diesem milden Zweck, welchem auch noch die ehemaligen Klostergüter gewidmet sind; mit dieser Anstalt ist das Waisenhaus verbunden.
Haben wir nun die Reisenden mit dem Innern der Stadt, so viel ihnen darin Sehenswertes sein kann, bekannt gemacht, so dürfte auch auf die Umgebungen derselben aufmerksam zu machen sein.
Zuvörderst wäre ein Spaziergang auf den Wällen anzuraten; zwar ist ein solcher nur mit einer Wall-Charte des Kommandanten erlaubt, allein diese wird ohne Schwierigkeit erteilt. Auf dem Wall selbst sind besonders die beiden hohen Bastionen am Frauen- und am heiligen Geist-Tore zu besuchen, denn von beiden ist der Überblick über die Stadt und vorzüglich über den nahen belebten Strom sehr freundlich. Die beiden Tore, welche den Hauptwall durchschneiden, das Berliner und das Anklamer, hat Friedrich Wilhelm l. erbauen lassen; sie tragen größtenteils kriegerische Embleme. Gleich vor dem Anklamer Tore liegt ein freundlicher, offener Garten, die Plantage, seit 1814 durch patriotische Bürger, welchen zu diesem Zweck reichliche Gaben aus der Stadt zuflossen, angelegt. Alljährlich gewinnt die Anlage an Ausdehnung, und sie wird bald das ganze Glacis der Stadt umkränzen. Hier pflegt sich denn zu jeder Tageszeit die schöne Welt Stettins in den schattigen Gängen zu versammeln, und bis zum Frauentor hin den heitern Spaziergang zu wandeln. Vor diesem letzteren Tore, am Ende der Plantage, gewährt der Hügel am Wall einen freundlichen Überblick über den untern Teil der Stadt, und weiterhin über den Damm, welcher 5/4 Meilen lang die Wiesenfläche durchschneidet, und Stettin mit dem Städtchen Damm, dessen hoher, spitzer Turm sich drüben zeigt, in Verbindung setzt. Rückwärts stößt der große städtische Kirchhof an die Plantage; hier ruhen unsere lieben Toten nahe den Lustwandelnden! —
Ein entfernterer, angenehmer Spaziergang führt durch die Unterwiek, eine Art Vorstadt, am Strom hin nach Grabow. Für Fremde ist dieser Weg aus dem Grunde anziehend, weil hier der größere Teil der Schiffbauplätze sich befindet, auf welchen gewöhnlich jeden Sommer mehrere Schiffe gebaut werden. Trifft es sich, dass ein solches Schiff nach seiner Vollendung vom Stapel herab ins Wasser läuft, so gehört unstreitig der Anblick dieses Schauspiels zu dem Merkwürdigsten, was wir den Reisenden bieten können.
Das freundliche Dorf Grabow enthält viele Landhäuser, von welchen besonders dasjenige des Hrn. Toussaint mit schwarzen glasierten Dachziegeln, welche im Sonnenschein weithin glänzen, mit vielem Geschmack angelegt ist.
In früherer Zeit hat oben auf dem Hügel über Grabow ein Kartäuser-Kloster gestanden, später ward es in ein herzogliches Lustschloss, die Oderburg, verwandelt, und hier war es, wo der Aberglaube dunkler Zeiten sein letztes trauriges Opfer fand. Die schöne Sidonia von Borck, Stiftsfräulein des Klosters Marienflies, war der Hexerei angeklagt — ihre Schönheit soll Eifersucht erregt haben — und nach einem unendlich langen Prozesse und qualvollen Foltern ward sie am 19. August 1620 hier verbrannt!
Stettin rühmt sich mit Recht einer schönen Lage; mögen die Berge der Umgegend auch nur Hügel zu nennen sein, so gewähren sie doch manche wirklich malerische An» sichten. Vorzüglich ist Frauendorf der auserwählte Lustort der Einwohner, und täglich pflegt sich dort eine zahlreiche Gesellschaft zu versammeln. Der Weg dorthin kann entweder zu Wasser oder zu Wagen ohne Beschwerde zurückgelegt werden; zu jenem Zweck liegen stets an der Baumbrücke in der Stadt mehrere Gondeln bereit. In einer kleinen Entfernung von dem Dorfe selbst liegt aus einem Hügel das Wirtshaus, in welchem eine sehr anständige Bewirtung zu finden ist. Vor diesem Hause tritt der Hügel weiter hervor, und man überschaut vorn einen weiten blühenden Garten, aus welchem die freundlichen Häuser des Dorfs heraufblicken; über diese hinaus den belebten breiten Strom, und weiter hin, jenseits der Wiesen, die schöne ruhige Fläche des Dammschen Sees, welcher sich in einer Ausdehnung von einer Meile ausbreitet. Rechts hinab geht der Blick an dem bebauten Ufer des Stromes hinauf, fernhin nach der Stadt, welche sich mit ihrem hohen Schloss und einem Wald von Masten imposant darstellt. Im Vorgrunde tritt das prächtige Landhaus der Frau Geheimrätin Tilebein aus schattigen Baumgruppen heraus, eine reizende Anlage, welche ein gebildeter Sinn reich auszustatten wusste; links aber folgt der Blick dem Lauf des Stroms, welcher sich hinter grünen Bergen verliert. Früher waren alle diese Hügel am Strom mit Reben bekränzt, und selbst bis zur Stadt Garz hin, in einer Entfernung von 4 Meilen, war eine ununterbrochene Reihe von Weinbergen. So erzählt die Chronik; und noch Cosmus von Simmern, ein alter Chronikenschreiber, meldet, dass er im Jahre 1616 an der Tafel des Herzogs Philipp zu Stettin sowohl alten als neuen Wein getrunken habe, welcher bei der Stadt in solcher Menge gewachsen sei, dass nach der Aussage des herzoglichen Marschalls bei 1O0 Ohm gepresst worden seien. Unser Klima muss indes die Kinder der wärmeren Zone verscheucht haben, und nur in dem Namen dieses Hügels, welcher bis jetzt der Weinberg hieß, haben wir das Andenken an unsere goldenen Reben erhalten. Im Jahre 1825 hat Ihre Königl. Hoheit die Kronprinzessin bei ihrem hiesigen Besuch zu genehmigen geruhet, dass er fortan „Elisenhöhe“ genannt werde. Hinter dem Wirtshaufe, hinauf bis zur Kirche des Dorfs, und an dieser vorüber bei den Gärten, gewährt der Spaziergang mannigfache Abwechslung, denn die Umsicht wird freier und ausgedehnter. Weiterhin erheben sich die Berge bei Gotzlow, der kleine und große Julow, und hier, so wie weiter hinab am Oderufer bieten sich gleich schöne Partien dar. —
Außerdem werden häufig Lustfahrten nach den gegenüber liegenden Bergen von Podjuch gemacht; herrliche Buchenwälder, ungleich schöner als die heiligen Hallen bei Tharand, bekränzen diese Höhen, auf welchen die Prinzen unseres Königl. Hauses bei einer früheren Anwesenheit eine Eiche, als bleibendes Zeichen Ihres Besuches, gepflanzt haben; der Standpunkt ist hier ausgezeichnet schön.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Seebad zu Swinemünde