Eine Anleitung, von Swinemünde aus die Insel Rügen zu bereisen, enthaltend

Nicht wenige der Fremden, welche das Seebad zu Swinemünde besuchen, beabsichtigen, von hier aus die nur neun Meilen entfernte Insel Rügen zu bereisen. Das Interesse, welches diese Insel seit etwa zwanzig Jahren bei den gebildeten Bewohnern des In- und Auslandes erregt hat, ist nicht unbegründet; denn es möchten sich nicht leicht anderswo in einem Ländchen von noch nicht 17 Quadratmeilen so viele schöne und romantische Gegenden, so viele Denkmäler aus dem grauen Altertume finden lassen, als dieses reizende Eiland enthält. Es ist daher allen Badegästen, die Swinemünde wählten und Sinn für Naturschönheiten und geschichtliche Merkwürdigkeiten haben, gar sehr zu raten, von hier aus diese Insel zu besuchen; vorausgesetzt, dass ihre Zeit, Vermögens- und Gesundheits-Umstände ihnen eine Lustreise der Art erlauben, was zwar nicht bei allen, aber doch bei sehr vielen der hiesigen Badegäste der Fall zu sein pflegt.
Die Frage: „wie fangen wir es an, von hier aus in möglichst kurzer Zeit, mit möglichst geringen Kosten und auf die angenehmste und zweckmäßigste Weise Rügen zu bereisen?“ ist von Badegästen so oft an mich gerichtet worden, dass die ausführlichere Beantwortung derselben vielleicht kein unwillkommener Anhang einer Schrift über das Seebad zu Swinemünde sein möchte.
Nur die Beantwortung dieser Fragen soll den Inhalt der folgenden Seiten ausmachen. Eine ausführliche Beschreibung Rügens zu liefern ist der Verfasser weder im Stande, noch gesonnen. Es existieren deren auch mehrere, z. B. von Zöllner, Wadzeck, Rasch, R. S—r. u. A. m., welche aber alle andere Zwecke vor Augen hatten, als die nachfolgende Anleitung, die weder gelehrt, noch sentimental, noch humoristisch sein will, sondern nur als Wegweiser brauchbar sein möchte, an welchem der Reisende gern alle Zierraten und Redensarten entbehrt, wenn seine Arme ihm nur Weg und Meilenzahl deutlich anzeigen.
Also zur Sache. Die schicklichste Jahreszeit, Rügen zu bereisen, ist der Herbst, darüber stimmen Alle überein, die Rügen zu verschiedenen Jahreszeiten besuchten. Badegäste, deren Kur in den ersten Tagen des Septembers beendigt ist, reisen am passendsten nach derselben nach Rügen, und von da aus direkt nach ihrem Wohnort, wenn sich derselbe auf der linken Seite der Oder befindet. Wer zu dieser Zeit erst zur Hälfte mit seiner Kur gekommen, und die September Bäder nicht versäumen will, warte bis gegen das Ende des Septembers oder unterbreche schon gegen das Ende des Augusts seine Badekur, um, nach einigen Tagen von Rügen hierher zurückgekehrt, einen zweiten Badekursus zu beginnen, ein Verfahren, was besonders denen, die nur zur Stärkung ihrer Kräfte das Seebad besuchten, gar sehr zu empfehlen, ist.
Wer beim Reisen eine gewisse Art von Präzision liebt, dem rate ich, von hier bis Stahlbrode, wo man in einer starken Stunde nach Rügen übergesetzt werden kann, den Landweg über Wolgast und Greifswald zu wählen, und entweder gleich hier einen Wagen für die ganze Reise zu mieten, wofür man für jeden Tag ungefähr 2 Rthlr. gibt, oder auf den Fall, dass man von Rügen aus direkt nach Hause reisen will, von hier aus den Wagen nur bis Greifswald und daselbst einen andern zur Reise nach Rügen zu bedingen, weil im Allgemeinen während der Badezeit das hiesige Fuhrwerk in höherer Miete steht, als das Greifswalder. —
Wer die Abhängigkeit von Wind und Wetter nicht scheut, die Seekrankheit nicht zu fürchten und Zeit hat, den günstigen Wind abzuwarten, kommt am geschwindesten zu Wasser nach Rügen. Ein hiesiger Lugger segelt bei gutem Winde die neun Meilen bis Rügen in eben so viel Stunden, ja, wenn er stark weht, in noch kürzerer Zeit. Der Mietpreis für ein solches Fahrzeug ist sehr verschieden, und richtet sich teils darnach, ob man dasselbe nach einigen Tagen zur Rückreise benutzen, oder leer zurückfahren lassen will, teils und vorzüglich aber nach der Konkurrenz unter den Luggerführern.
Gewöhnlich landet man in der Nähe von Putbus. — Wenn sich eine zur Deckung der nicht unbedeutenden Kosten hinreichend große Reisegesellschaft findet, so unternimmt auch wohl das Dampfschiff während der Badezeit eine Fahrt nach Rügen. Dies ist unstreitig die angenehmste, am wenigsten zeit- und kostspielige Art zum Ziele zu gelangen; nur Schade, dass die Pläne und Wünsche von 20 bis 30 Personen nicht so leicht in Übereinstimmung zu bringen sind, als man bei einer Angelegenheit von so geringer Wichtigkeit wohl vermuten sollte; auch das Dampfschiff würde in diesem Falle in der Nähe von Putbus landen.
Da jedoch die Mehrzahl derer, die von hier aus Rügen besuchen, bis zur Stahlbroder Fähre zu Wagen zu reisen pflegt, so bemerken wir für Diejenigen, welche zu Wasser reisen, nur das, dass sie, bei gutem Winde mit dem Lugger oder unter nicht zu ungünstigen Umständen mit dem Dampfschiffe fahrend, um 24 Stunden früher in Putbus, dem ersten eigentlich interessanten Orte Rügens anlangen, als Diejenigen, welche über Wolgast und Greifswald reisen, und beschäftigen uns für jetzt nur mit Angabe der Reiseroute für letztere.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Seebad zu Swinemünde