Sechster Reisetag

Der Vormittag sei der Besichtigung der Stadt und der Sehenswürdigkeiten, die sie enthält, gewidmet. Stralsund (sonst Sumnonia, Sundia genannt) ward 1209 vom Fürsten Jaromar I. erbaut und mit sächsischen Einwohnern bevölkert, 1212 aber von den Pommerschen Herzögen Casimir II, und Bogislav II. zerstört und bald darauf von dem Fürsten Witzlaff I., Sohn des Jaromar, von neuem, jedoch auf einer andern Stelle, erbaut. Dieser neue Ort soll damals den Namen Schadegard oder Schadenstadt geführt haben, um an den Ruin der alten Stadt zu erinnern; derselbe wurde aber nachher wieder niedergerissen, worauf der Bau von Stralsund von neuem begonnen und vom Fürsten Witzlaff I. 1231 beendigt worden ist, Die Stadt gelangte bald zu neuem Ansehen, ward aber auch 1277 von den Lübeckern und 1316 von dem Fürsten Witzlaff III. und seinen Bundesgenossen, mit welchen sie in Streitigkeit geraten, hart mitgenommen. Ums Jahr 1331 trat die Stadt in den Hansebund; 1407 ward sie von dem Papst in den Bann und von dem Kaiser in die Reichsacht erklärt, weil die Bürger sich gegen den Magistrat, der schlechte Pfennige hatte prägen lassen, empört und bei dieser Gelegenheit einen Geistlichen erschlagen harren. Nach sieben Jahren wurde sie jedoch gegen Erlegung einer beträchtlichen Geldsumme von diesem Banne losgesprochen. 1412 belagerten die Dänen Stralsund vergeblich, und erlitten von den Bürgern auf der vor der Stadt gelegenen kleinen Insel Strela eine Niederlage, zu deren Andenken die Insel noch jetzt der Dänholm genannt wird. 1459 empörten sich die Bürger, was sie schon öfter getan, gegen ihren Landesherrn Wratislav X. und nahmen ihn gefangen. Er musste, um aus der Gefangenschaft entlassen zu werden, das noch jetzt stehende, wegen seiner Bauart sehenswürdige Rathaus erbauen lassen. 1628 schloss die Stadt ein Bündnis mit dem Könige Gustav Adolph von Schweden; auch fand in diesem Jahre die merkwürdige Belagerung Stralsunds durch Wallenstein Statt, der die Verheißung gab: „die Stadt zu erobern, wenn sie auch mit Ketten an den Himmel geschlossen wäre“, aber genötigt war, die Belagerung aufzuheben, nachdem er 10.800 Mann Fußvolk und 1.200 Reiter verloren hatte. 1673 eroberte der große Kurfürst die Stadt nach einem heftigen Bombardement. 1680 erlitt sie eine große Feuersbrunst, durch welche sowohl, als auch durch den 30 jährigen Krieg, ihr Wohlstand sehr zerrüttet wurde, der nie wieder zu der früheren Höhe gelangt ist. 1715 wurde Stralsund von den vereinigten Preußen, Dänen und Sachsen belagert, und nach beinahe 5 Monaten erobert, nachdem der König Carl XII. von Schweden selbst die Stadt eine Zeit lang verteidigt hatte, 1808 fiel sie in die Hände der Franzosen, und 1809 fand Schill am 31. Mai im Kampfe gegen die Holländer, deren General Carteret er eigenhändig vom Pferde gehauen, seinen Tod. — Die nicht besonders gebaute Stadt besitzt, so merkwürdig sie auch in historischer Hinsicht ist, nur wenig Sehenswürdigkeiten. Das Rathaus mit einer auf demselben befindlichen Kunstsammlung, welche der Ober-Ratsdiener zeigt, verdient die Aufmerksamkeit und den Besuch der Fremden eben sowohl, als die schöne Nicolai-Kirche. Ganz besonders ist den Fremden der Besuch des Saales im Resourcen- Hause zu empfehlen, welcher 13 recht gute Ölgemälde, die Mehrzahl der Schwedischen Regenten darstellend, enthält. Der Besitzer des Hotel de Brandenbourg, Hr. Claußen, welcher zugleich Ökonom der Resourcen-Gesellschaft ist, macht sich ein Vergnügen daraus, denen, die ihn darum ersuchen, diesen Saal öffnen zu lassen. Da die Bilder nicht mit Namens-Unterschriften versehen sind, so wird die nachfolgende Angabe der Personen, die auf denselben vorgestellt sind, den Reisenden willkommen sein. Wenn man aus dem Vorzimmer in den Saal kommt, beginnt auf der gegenüberstehenden Wand die Reihe links mit 1) Gustav Wasa; ihm folgt nach rechts 2) Siegmund, dann 3) Gustav Adolph der Große und 4) Christine; auf der Seitenwand nach rechts 5) Ulrike Eleonore; über der jetzt folgenden, nach dem Damenzimmer führenden Türe 6) Gustav Adolph IV. mit seiner Mutter (Brustbilder); rechts von dem Ofen 7) Carl X., dann 8) Carl XI.; über der nun folgenden Türe 9) Carl XIII. nebst seiner Mutter (Brustbilder); dann weiter nach rechts 10) Carl XII.; über der nun folgenden Eingangstüre vom Vorzimmer 11) Friedrich von Ostgotland mit der Prinzessin Albertine (Brustbilder); dann 12) Adolph Friedrich, und zuletzt auf der linken Seitenwand zwischen 2 Fenstern allein stehend Gustav III.
Haben die Reisenden diesen Saal, und etwa noch die Stelle in der Knieper-Straße, wo Schill kämpfend fiel, besucht, so wird nichts Sehenswertes von ihnen übergangen und der Mittag herangekommen sein. Nachmittags fahren sie noch bis Greifswald, und am folgenden Tage über Wolgast nach Swinemünde zurück.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Seebad zu Swinemünde