Einiges Medizinisch-Topographische und Balneotechnische über das Seebad Warnemünde und über das Ostseewasser.

Das Seebad Warnemünde liegt 2 Meilen von der Handelsstadt Rostock, 2 Meilen von Doberan, unter 54° 7' 40" Nördlicher Breite und 29° 55' 36" östlicher Länge, westwärts am Ausfluss des Warnowstroms in die Ostsee. Der Ort, schon seit mehreren hundert Jahren ein, von einem friesischen Volksstamm angelegtes Fischerdorf, zieht sich in einer Vorder-, Hinter- und Querreihe von 260 recht freundlichen, durch Lindenanpflanzungen beschatteten Häusern von Süden (vom Ausfluss der Warnow) nach Norden bis zum neuen Hafendamm hin, hat 1 Kirche, 2 Schulen und zählt 1.200 Einwohner, welche teils Lotsen, teils Seefahrer und Fischer sind. Sie verdienen das Lob des Fleißes und der Sittlichkeit, auch der Ehrlichkeit, indem hier nie Dinge von Wert durch Diebstahl abhanden kommen. Übrigens ist Warnemünde der Hafen von Rostock und gehört zum Gebiet dieser Stadt. Seine Jurisdiktion ist das sogenannte Gewettgericht daselbst.

Schon vor 40 Jahren wurde Warnemünde nicht so sehr als Badeort, sondern vielmehr wegen seiner idyllischen Abgeschiedenheit, des einfachen, ungezwungenen und stillen Lebens und der erquickenden Seeluft daselbst, als Erholungsort gewählt. Wenngleich keine Vorrichtungen und Bequemlichkeiten zum Baden angetroffen wurden, und das Meublement der Wohnzimmer sehr einfach war, wo noch, wie Formey*) sagt, die an der Decke des Zimmers hängende blanke Kugel die Stelle des Spiegels vertrat, so wuchs doch die Zahl der Fremden mit jedem Jahre.


Erst im Jahre 1828 wurde durch ein Privatunternehmen diesem Mangel an Bequemlichkeit für die Badenden dadurch in Etwas abgeholfen, dass ein Damenbad, aus zwei geräumigen Badehäuschen bestehend, auf den sogenannten Kisten an der Ostseite des Hafens angelegt wurde**). Dagegen war für alle andern Badelustigen nur der offne Seestrand da, wo in gehöriger Entfernung, so dass der Anstand nicht verletzt werden konnte, Badeplätze sich befanden, an welchen man sich im Freien, hinter einem Kreuze, entkleidete und heiter und vergnügt ins große Meer ging.

Im Jahre 1833 wurde ich vielseitig aufgefordert, eine Anstalt für warme Bäder einzurichten. Diesem Wunsche und dem daraus zu entspringenden Nutzen entgegen zu kommen, baute ich im Herbste desselben Jahres mit Hilfe einiger Aktionäre ein Badehaus, welches schon zur Bade-Saison 1834 vollständig eingerichtet war. Diese neue Einrichtung zog viele Kurgäste hierher, so dass die Zahl der Fremden sich fast auf 1.000 belief.

Nun sah sich E. E. Magistrat der Stadt Rostock genötigt, zum nächstfolgenden Jahre (1835) auch Badeanstalten für kalte Bäder am Seestrande anzulegen.

*) Hufelands Journal, 1822, 4. St. Die Seebäder und Heilquellen zu Doberan und Warnemünde. S. 116 u. fg.
**) Diese Anstalt existiert gegenwärtig nicht mehr, weil sie den Damen, wegen der Wasserfahrt über den Strom, unbequem und durch bessere Einrichtungen überflüssig geworden ist.


Eine kurze Beschreibung dieser Badeanstalten wird hier wohl nicht am unrechten Orte sein. Wir betrachten:
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Seebad Warnemünde an der Ostsee