Von Berlin nach Koserow

Die Abreise. — Im Eisenbahnwaggon. — Anklam, — Wolgast, — Überfahrt nach der Insel Usedom. — Die Wolgaster Fähre. — Der Name Usedom. — Ankunft in Koserow.

Es war wieder einmal Sommer geworden. Die letzte Hälfte des Monats Juni hatte mit so warmen sonnigen Tagen begonnen, dass der Aufenthalt in der Hauptstadt drückend wurde. Die Sonnenstrahlen entwickelten an den hohen Häuserreihen und auf den Granitplatten eine so intensive Wärme, dass das Thermometer am 21. Juni, dem längsten Tage des Jahres, eine Höhe von 25 Grad Réaumur erreichte. Ich fühlte mich in den Mauern Berlins, wo die Häuser wie die langen Grenadiere der Potsdamer Garde in Reihen nebeneinanderstehen, wie eingepfercht, und suchte meine Vorbereitung und Ausrüstung zu einem mehrwöchentlichen Besuch des Seebades Koserow auf Usedom so bald wie möglich zu treffen. Damit war ich denn auch bald zu Ende, denn eine gefüllte Börse ist nicht nur der beste Pass, sondern auch das unfehlbare Mittel, an jedem Orte sich dasjenige zu verschaffen, dessen man für den nächsten Tag bedarf. Eisenbahnen, Dampfschiffe, Postkutschen und Lohnfuhrwerke nehmen den Reisenden dann überall freundlich auf, um ihn an den Ort zu führen, wohin er sein Ziel gesetzt. Die ausgedehnten Eisenbahnlinien, auf denen die lange Reihe der Wagen sich wie eine geflügelte Riesenschlange dahin bewegt, so wie die Dampfboote, welche alle Meere und größeren Flüsse der Welt keuchend auf und abfahren, vereinigen ein bequemes und schnelles mit einem billigen Reisen, und es ist in der Tat, seit diese Dinge die Welt durchsausen und brausen, ein ganz anderer Verkehr unter die Menschen gekommen.


Zum ersten Male in meinem Leben wollte ich die nervenstärkenden Luft- und Wasserwellen der Ostsee genießen, die Küste von Usedom, den in die See hervortretenden Streckelberg mit seinen schattigen Waldungen und die grünblauen Wogen der Ostsee sehen, aus der alljährlich am Ostermorgen die vor vielen hundert Jahren in das Meer versunkene Stadt Vineta emporsteigt und ihre Häuser, Wälle und Türme sehen lässt, welche man bei stillem Wetter, wenn die Geister der Winde schlafen, unter dem durchsichtigen Spiegel des Wassers begraben sieht, und wo man aus der Tiefe die Glocken tönen hört, als wäre es das Grabesgeläut alter versunkener Herrlichkeit.

Mein Reisekoffer war gepackt, und eine Droschke brachte mich Morgens um 6 Uhr, nachdem ich meinen Magen durch ein reichliches Frühstück zu der Reise präpariert hatte, nach dem Stettiner Bahnhofe, wo ich gerade zur rechten Zeit eintraf, um mit dem nach Stralsund um 6 Uhr 25 Minuten abgehenden Schnellzuge nach Wolgast zu fahren. Die Benutzung dieses Frühzuges der Vorpommerschen Bahn hat den Vorteil, dass man nicht genötigt ist, unterwegs zu übernachten; der Bahnzug trifft Mittags um 12 ½ Uhr in Wolgast ein, und hat man von hier bis Koserow noch 2 Meilen, die sich an dem Tage noch bequem zurücklegen lassen. Von Berlin bis Wolgast beträgt die Taxe für die dritte Wagenklasse 2 Thlr. 28 Sgr. und von der Wolgaster Fähre (der Stadt Wolgast gegenüber, auf der Insel Usedom liegend) bis Koserow zahlt man gewöhnlich für einen hochrädrigen zweisitzigen Korbwagen 1 ½ Thlr. Man trifft, wenn man von der Wolgaster Fähre gleich mit einem Fuhrwerke die Weiterreise antritt, bei guter Zeit, Nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr in Koserow ein. Ist dem Reisenden, die Tour in einem Tage zu machen, zu anstrengend, dann mache man aus einem Reisetage zwei und fahre am ersten Tage mit der Eisenbahn nur bis Anklam, und bleibe dort in Böhmers Hotel zur Nacht, wo man recht gut und nicht teuer logiert. Von hier kann man am nächsten Tage mit der Eisenbahn bis Wolgast weiter fahren, oder aber, wenn man sich für eine Wasserfahrt interessiert, sich von Anklam aus direkt nach Koserow einschiffen. Ist Wind und Wetter günstig, dann hat man in 4—5 Stunden auf dieser nicht uninteressanten Fahrt Koserow erreicht. Größeren Reisegesellschaften von vier bis zehn und mehr Personen möchte ich diese so plaisirliche, durch den vielfach gewundenen Lauf der Peene und das 1 ¾ Quadratmeilen große Achterwasser gehende Tour nicht bloß des Vergnügens, sondern auch der Billigkeit halber empfehlen. In dem Schiffer Freudenberg in Anklam, welcher durch die vielen Fahrten, die er alljährlich während der schönen Jahreszeit mit seinem schnellsegelnden, sehr praktisch und nett eingerichteten Fahrzeuge von Anklam nach Koserow gemacht hat und macht (die Anklamer Badegäste und Vergnügungsreisende benutzen vorzugsweise diesen Weg), findet man nicht nur einen honnetten, sondern auch erfahrenen Bootsmann, dem man sich selbst bei weniger günstigem Wetter ohne Gefahr anvertrauen kann.

Doch wer noch niemals auf dem Wasser gefahren, der wird bei windigem Wetter wohl tun, mit der Eisenbahn bis Wolgast und von da auf einem Korbwagen, auf welchem drei bis vier Personen Platz finden, gezogen von zwei kräftigen Usedomschen Pferden, nach Koserow zu fahren. Auf dem sonst glatten Spiegel des Achterwassers gehen bei starkem Winde nicht unbedeutende Wellen, durch welche sich das Fahrzeug durchzuarbeiten hat. Dem Binnenländer, welcher zum ersten Male und bei ungünstigem Wetter aus dem Wasser fährt, bekommt das ungewöhnliche Schaukeln und Schwanken, veranlasst durch das Fahrzeug, fast immer nur schlecht; er wird seekrank. Die Seekrankheit, vomitus navigantium, beginnt mit Schwindel, Ohnmacht, Mutlosigkeit und Hinfälligkeit, worauf ein akutes Erbrechen folgt.

Dass sich die Konstitution des Einen mehr als die des Andern zu der Seekrankheit hinneigt, ist selbstverständlich; für den Unbeheiligten aber hat es wirklich etwas Komisches, wenn er sieht, dass selbst der Magen robuster Männer rebellisch wird und auch sie wie ein Kind zu jammern anfangen. Ein wirksames Präservativ gegen die Seekrankheit gibt es nicht, wenn nicht die Ursache gehoben wird. So kann denn dies Übel dem Reisenden, welcher sich an den malerischen Uferpartien und dem Anblick der Wellen weiden wollte, die Wasserreise total verleiden.

Anders aber ist es, wenn man statt des zu mietenden Segelboots das Anklamer Dampfschiff benutzen kann, welches während der Saison, bei günstigem Wetter, fast allsonntäglich eine Vergnügungsfahrt von Anklam nach Koserow unternimmt. Der Preis für Hin- und Rückfahrt, als auch die Einzelfahrt, beträgt à Person 7 ½ Sgr.; die Fahrzeit zirka 2 ½ Stunden.

Im Waggon finde ich Platz zwischen einem dicken, gutmütig aussehenden Vorpommerschen Gutsbesitzer und einem langen, hageren Herrn mit wohlgepflegtem Schnurrbart, der einen Sekretär der königlichen Justiz verrät. Uns gegenüber hat die Familie des Sekretärs Platz genommen, eine Dame mittleren Alters mit ihren drei goldhaarigen, hübschen, blühenden Töchtern. Die wasserblauen helleren Augen dieser, voll von Bonhommie, lassen den Typus der Familienähnlichkeit aus dem Gesichte der Kinder mit dem der Eltern nicht verkennen. Daneben befanden sich in dem Waggon noch einige junge Preußische Offiziere und einige ältere Herren, welche eine lebhafte Konversation über die Politik der Dänen, die Deutsch-Schleswig-Holsteinische Frage und die letzte Bundestagssitzung führten. Die nationalen, industriellen und kommerziellen Verhältnisse der Dänen zu dem übrigen Europa werden dort mit solchem Eifer und so viel Gründlichkeit verhandelt, dass man hätte glauben mögen, man habe hier die diplomatischen Agenten aller kriegführenden und bei dem Krieg interessierenden Mächte vor sich. Die Konversation schwärmt hinüber und herüber. Aus dem von Luft und Sonne gebräunten Gesicht des Gutsbesitzers lächelt die Wohlhäbigkeit und Zufriedenheit. Nachdem dieser ein ausführliches Referat über den Ausfall des Berliner Wollmarktes gegeben, von dem er eben mit reich gefülltem Säckel heimkehrt, erkundigte er sich nach dem Ziel meiner Reise. Von der Familie des Sekretärs erfuhr ich, dass auch sie sich auf der Badereise zu einem vierwöchentlichen Besuch Koserows befänden und ihre Körper während dieser Zeit in Gottes schöner freier Natur einmal ordentlich zu restaurieren gedächten. „Ja, wer’s irgendwie möglich machen kann,“ erwiderte der Landwirt, „mag er krank oder gesund sein, der sollte es nicht versäumen, alljährlich auf einige Zeit sein Geschäft, sein Haus zu verlassen, um seinen Körper ordentlich abzumausern. Sie glauben nicht, Herr Sekretär,“ fuhr er fort, „was so ein paar Wochen Freiheit aus dem Lande für köstliche Medizin sind; ich weiß es an mir und habe von mehreren Anklamern, die alljährlich in Koserow die Luft- und Wasserbäder gebrauchen, erzählen hören, dass sie immer gesund sind und nur in seltenen Fällen eine Doktor- und Apothekerrechnung zu bezahlen haben.“ Der Sekretär stimmte ihm bei, wahrend das jüngere Fräulein erzählte, wie sie an die Gnomen des Streckelberges, den lautlos flüsternden Hain desselben, die schönen Augen der verzauberten Bernsteinjungfrau im breiten Stein, die große weite Ostsee und die alten Sagen und Ruinen von Vineta denke, wo man bei klarem Wetter unten die Stadt sehen und aus der Tiefe heraus ein Gesumme und Getöse, Klingen und Läuten höre. Damit waren wir der alten weithin sichtbaren Pommernstadt Anklam näher gekommen; die Lokomotive tat einen schrillenden Pfiff und hielt bald daraus vor dem Bahnhofsgebäude.

Anklam, nach Stettin die bedeutendste Stadt Altvorpommerns, liegt an der schiffbaren Peene, ist der Mittelpunkt dieser Wasserstraße und der Haupthaltepunkt der auf diesem Stromgebiet fahrenden Dampfer. Die Stadt steht durch zwei Schienen-Wege mit den in der Handelswelt bedeutendsten Städten Pommerns und der Mark Brandenburg in Verbindung und treibt einen nicht unbedeutenden Handel zu Wasser und zu Lande. Der Verkehr wird außer den genannten Verkehrsstraßen noch durch trefflich unterhaltene, nach allen vier Himmelsgegenden gehende Steinbahnen aus das Vorteilhafteste begünstigt. Die Entstehung der Stadt verliert sich ins Dunkel des Altertums. Als eine wendische Burg erhob sie sich nach dem Untergange der nahe gelegenen Stadt Groswin, welche in den verheerenden Polenkriegen des zwölften Jahrhunderts zerstört worden, allmählich zur Stadt. Nach mancherlei harten Schicksalen, welche sie während des 30jährigen Krieges zu ertragen hatte, kam sie im Stockholmer Frieden (1720) unter die Krone von Preußen. Nicht minder als im 30jährigen Kriege hat die Stadt in dem 7 jährigen (wegen der Nähe der schwedischen Besitzungen) und dem französischen Krieg, von 1806 bis 1812, gelitten. Seit den letzten Dezennien aber steht die Stadt in der besten Blüte und haben sich in der neuesten Zeit, namentlich seit der Reorganisation des Gymnasiums und der Eröffnung der Vorpommerschen Bahn, dort verhältnismäßig viele wohlhabende Leute niedergelassen. Von den beiden Kirchen Anklams, der St. Marienkirche und der St. Nikolaikirche, zeichnet sich der Turm der letzteren durch eine vorzügliche Pyramidenspitze aus. Der Turm, mit einer Kupferbedachung, aus dem Jahre 1580 stammend, hat eine Höhe von 300 Fuß und darüber.

Nach fünfviertelstündiger Weiterfahrt sollten wir unsere letzte Station: Wolgast, erreichen. Der Gutsbesitzer, unser Reisegefährte, in der Nähe dieser Stadt ansässig, erzählte uns von diesem freundlichen Seestädtchen, dem nicht unbedeutenden Kornhandel, welchen es nach dem Auslande, insonderheit nach England betreibe, und dem wohlklingenden niederdeutschen Dialekt der Einwohner. In uns erwachten alte historische Erinnerungen aus der Vergangenheit der Stadt. Wolgast, am Peenestrom, war in alter Zeit als starke Feste, an der damals zugänglichsten Odermündung, ein gar wichtiger Ort, und wird seiner schon zu Anfang des zwölften Jahrhunderts als einer wohlhabenden Stadt gedacht. Bei der Teilung des Herzogtums Pommern, in mehrere besondere Fürstentümer, wurde sie der Sitz der Pommerschen Herzöge Wolgast'scher Linie. Als befestigter Ort schon durch alle Kriegsdrangsale des Mittelalters geschädigt, wurde sie im Jahre 1713 von den Russen, zur Vergeltung der Einäscherung Altonas durch die Schweden, ganz niedergebrannt. Nach 1713 musste sie neu aufgebaut werden, und jetzt zeichnet sie sich durch eine lebendige Teilnahme an dem See- und Handelsverkehre vorteilhaft aus. Die Stadtkirche, von nicht unbeträchtlicher Größe, besitzt eine Bibliothek, die viele sehr wichtige Incunabeln enthält.

Wir sind in Wolgast angekommen, ein Heer von Lohndienern und Gasthofsdeputierten überfällt uns wie ein hungriger Harpyenschwarm, und Jeder sucht durch Wort oder handgreifliche Tat uns, für seine Fahne zu gewinnen. Unter dem besten Wunsche, Stärkung geschwächter Lebenstätigkeit in dem Seebade zu finden und traulichem Händedruck, nahm unser freundlicher Mitreisender (der Landwirt) herzlichen Abschied von uns. Wir eilten dann dem Gasthofe zum Deutschen Hause zu (Wirt: Herr Danzig), wo man für einen mäßigen Preis, um 1 Uhr, vortrefflich zu Mittag speist.

Die Kommunikation des Festlandes mit der Insel Usedom wird in Wolgast für Personen durch kleinere Fährboote vermittelt, für Fuhrwerke und Vieh aber bedient man sich eines starken Prahms, der mittelst einer Leine durch den nicht breiten, aber ziemlich reißenden Strom gezogen wird. Die Fähre, ehemals königlich, ist vor mehreren Jahren in das Privateigentum übergegangen; doch besteht hier ein besonderer Taxis für die Übersatzkosten, wonach die Person 6 Pf. zu zahlen hat. Wir bestiegen das Fahrboot, als ein großer an der Brücke liegender Räderdampfer unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Die Besatzung desselben war beim Löschen beschäftigt und stimmte unter der anstrengenden Arbeit soeben ein lustiges Matrosenlied an. „Vor 15 Jahren,“ hob darauf der Fährknecht mit seiner rauen Stimme an, „hätte mir die „Anna Liese“ (so hieß das Dampfschiff) bald mein Leben geraubt. Ich war damals noch ein junger Bursche und fuhr mich' zuweilen selber mit einem Boote auf dem Strom. Da kam einmal die Anna Liese binnen, in voller Kraft fahrend. Ich dachte, Du sollst Dir ein Vergnügen machen, dicht an sie heranfahren, und Dich mit dem Boote in den hinter ihr zusammenschlagenden Wellen hin- und herschaukeln lassen. Dies brachte mir aber ein unfreiwilliges gefahrvolles Bad ein. Die Wellen rollten hinter dem Schiffe meeresgleich und hoben mich, mit dem Ruder in der Hand, aus dem Boot. Ich war dem Ertrinken nahe, wenn nicht alsbald aus mein Rufen von hüben und drüben Hilfe herbei kam und mich dem Wellengrabe entriss. In alter Zeit,“ fügte er noch hinzu, „ließ man den Mann ertrinken und rettete bloß den Hut, weil man ein Gottesgericht darin sah.“

Wir betraten den Boden der Insel, das Vorwerk und Dorf Wolgaster Fähre vor uns. Der Fähr- und Gasthofsbesitzer Herr Kropka daselbst besorgte uns einen Korbwagen, welcher nach kurzem Aufenthalte vor der Steintreppe, die zum Hausflur führte, hielt. Ich kletterte aus den hohen Wagen, die Pferde zogen an, und im gestreckten Trabe ging es fort. Nur langsam wechselt die Landschaft, doch war es eine Lust, in schöner Jahreszeit hoch oben zu sitzen und das Landschaftsbild zu genießen. Üppige und magere Getreidefelder, oft in überraschender Weise neben einander stehend, Wiesen- und Waldflächen flogen an unserm Wagen vorüber.

Warum mag die Insel Usedom heißen? Es ist ein sonderbarer Name! fragte ich meinen nicht kleinen, aber untersetzt gebauten, breitschultrigen Kutscher, der mir darauf, sich halb auf die Seite setzend und mich mit seinen gleichgültigen, gutmütigen Augen, ohne Ausdruck und Leidenschaft, wie man sie bei den Bewohnern des Nordens nur findet, ansehend, nachfolgende seltsam klingende Sage erzählte: „Zu alten Zeiten, als die Insel noch keinen Namen hatte, aber schon viel Volks darauf wohnte, dachten die Leute daran, dass sie ihrem Lande doch einen Namen geben müssten. Sie kamen deshalb Alle an einem Orte zusammen und machten unter sich aus, dass nach dem ersten Worte, so Einer von ihnen spräche, die Insel benannt werden sollte, indem sie des Dafürhaltens waren, auf solche Weise einen recht hübschen Namen zu erhalten. Wie sie aber so beisammen waren, da wollte Keinem ein gutes Wort einfallen und sie standen Alle still und stumm. Darüber ärgerte sich ein alter Mann unter ihnen also, dass er sich vergaß und plötzlich ausrief: O so dumm! damit auszudrücken, wie dumm sie doch wären, dass Keiner einen Namen finden könne. Also mussten sie nun selbst sich die Osodummer nennen, woraus nachher Usedommer entstanden ist.“

Die Akten der Pommerschen Gesellschaft für Geschichte aber geben über die Entstehung des Namens folgende Erklärung: Vor Zeiten lebte auf der Insel Wollin ein Fürst, der auch die benachbarte Insel, welche damals noch keinen Namen führte, gern unter seine Botmäßigkeit bringen wollte. Er fing deshalb Krieg mit ihren Bewohnern an, die sich aber tapfer wehrten. Zuletzt, des Streitens müde, bot er ihnen den Frieden unter sehr billigen Bedingungen, und wie sie den nicht nehmen wollten, rief er aus: O, so dumm! um anzuzeigen, wie dumm er die Leute erachtete. Von der Zeit hießen die Bewohner der Insel zuerst die Osodummer, und nachher die Usedommer.

Die Straße, über die Dörfer Bannemin und Zinnowitz gehend (auf letzteren Ort, auch mit einer Seebadeeinrichtung versehen, kommen wir später zurück), ist zum Teil sandig und läuft oberhalb des Dorfes Zempin im tiefsten Sande. Diese sandige Strecke führt den Namen Gripow. Eine Steinbahn, von Wolgast nach Swinemünde, über Koserow laufend, gibt es noch nicht, obwohl man den Bau schon lange projektiert hat und eine solche sich bei dem jetzigen Aufschwunge des Handels und Verkehrs sehr ersprießlich erweisen würde. Nicht minder, so sagt man, sei für die Küstenverteidigung der Inseln Usedom und Wollin eine Schienenwegverbindung mit dem Binnenlande erforderlich, und sind in Betracht so wichtiger Interessen schon mehrere Entwürfe gemacht worden. Mein Kutscher machte mich, eine Strecke vor der Gripow, auf die vor uns liegende köstliche Waldhöhe des Streckelberges und die darauf befindliche Bake (eine Seemarke) aufmerksam. Die Pferde zogen rascher an und trabten durch eine wohlgepflegte Allee hoher Pappeln und dunkler Weiden dahin. Nach kurzer Zeit hatten wir Koserow erreicht, vom roten Abendschimmer der bald untergehenden Sonne beleuchtet. Der Kutscher knallte einige Male mit der Peitsche; wir hielten vor dem hübsch gebauten „Gasthofe zur Stadt Vineta“. Dies ist eins der gemütlichen Gasthäuser, wie man sie nur in kleineren Landstädten antrifft. Man diniert und soupiert dort ganz passabel, schläft in guten Betten und wird nicht durch aufdringliche, den Fremden vom Fuße bis zum Scheitel messende Kellner, ob man auch gut Goldfüchse mitbrachte, sondern durch die Töchter des Wirtes bedient. Herr Beyer setzte mir bald eine vortreffliche Suppe, eine frischgebratene Krickente und ein so gut zubereitetes Stück Rinderbraten nebst Gemüse vor, dass ich glaubte, in dem Hotel einer Großstadt zu speisen. Für denjenigen, welcher noch die Preise kennen lernen will, füge ich hinzu, dass ich für Abendessen, Nachtquartier und Frühstück nur 17 ½ Sgr. zahlte, ein Preis, der zu dem, was ich erhalten, einen enormen Abstand bildete.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Seebad Koserow auf Usedom
Stettin, Am Hafen

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Stettin, Dampfschiffbollwerk

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Stettin, Dampfschiffbollwerk und Hakenterrasse

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Wolgast, Hafen mit Zugbrücke

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Wolgast, Marktplatz und Rathaus

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Anklam in Vorpommern, Steintor

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Ostseebad Koserow, Damenbad

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