Das Residenzmuseum in München - Päpstliche Zimmer

Autor: Feulner, Adolf Dr. (1884-1945) Kunsthistoriker. Konservator des Residenzmuseums. In seinem Spätwerk ist der Einfluss nationalsozialistischer Ideologie erkennbar, Erscheinungsjahr: 1922
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deutschland, Bayern, München, Residenzmuseum, Architektur
Die Kunstpolitik eines fürstlichen Hofes hängt oft von äußerlichen, an sich nebensächlichen Umständen ab, die mit Kunst gar nichts zu tun haben. Der überwiegende Einfluss, den im späten 17. Jahrhundert die italienische Kunst im südlichen Deutschland gewann, ist mit eine Folge fürstlich hauspolitischer Tatsachen. Kurfürst Ferdinand Maria (1651 bis 1677) war mit einer savoyischen Prinzessin, Henriette Adelaide, verheiratet. Der Geschmack der am Turiner Hof erzogenen Fürstin bestimmte die neue Stilrichtung am bayerischen Hofe, er gewann auch Einfluss auf die einheimische Kunst. Die Räume, die bald nach der Übersiedlung der Kurfürstin nach München als Wohnräume hergerichtet wurden, unterscheiden sich auffällig von den Steinzimmern und Trierzimmern, den wenig älteren Räumen im Stil der niederländisch-italienischen Spätrenaissance des Kurfürsten Maximilian. Sie unterscheiden sich, obwohl sie im Bau und sogar in Teilen der Wandverkleidung aus dieser Renaissanceperiode stammen. Der neue Stil des schweren, italienischen Barock überwiegt, er bestimmt den Gesamteindruck und nimmt die älteren Reste der Dekoration in sich auf, so sehr, dass die Verschiedenheiten sich jetzt nur mehr dem genauen Blick zeigen.

Kurfürst Maximilian I. hatte diese Gruppe von Zimmern im südöstlichen Trakt schon 1640 für seine Gemahlin Maria Anna herrichten lassen. Die Jahreszahl findet sich im Herzkabinett, Wappen und Monogramm der Fürstin sind auch in der Wandbekleidung des Grottenzimmers angebracht. Päpstliche Zimmer werden sie erst seit dem Besuche des Papstes Pius VI. im Jahre 1782 benannt; eine Büste des Papstes von J. Ceracchi (1788) ist im Grottenzimmer aufgestellt zum Andenken an den Kirchenfürsten, der hier gewohnt hat. Die geringen Ausmaße, die unregelmäßige Gruppierung der Räume waren also schon gegeben. Sie vertragen sich gut mit der intimen Feinarbeit der Stuckmarmorverkleidung aus der Maximilianischen Zeit, mit den perspektivischen Architekturen, den Hallen in deutschen Renaissanceformen im Herzkabinett, mit den bunten Füllungen im exotischen Geschmack, den Papageien und anderen Vögeln in ornamentalen Umrahmungen im Grottenzimmer, sie vertragen sich gut mit der leichten Profilierung der Wandgliederung, der Feldereinteilung, der Kaminumrahmung, die aus der Maximilianischen Zeit geblieben ist. Aber sie bildeten für die Italiener, die die Umarbeitung, die Neudekorierung leiteten, für die bolognesischen Architekten Agostino Barelli und Pistorini mehr ein Hindernis als einen Anreiz. Die schwellenden, üppigen Formen des italienischen Barockstiles konnten sich nur in großen Räumen entfalten. Das schwulstige Relief der Ornamentik, die schweren Profile der Deckenfelder, die üppigen, ausladenden Formen des Mobiliars, die prunkvolle Abtönung mit Gold und satten Farben, alles erweckt den Eindruck einer sinnenberauschenden, schweren Pracht, einer dumpfen Weihrauchstimmung, für die ein riesiger Kirchenraum, ein großer Palast der richtige Platz wäre. Hier wirkt das Überschwellende der Formen beklemmend, erdrückend. Der Begriff fürstlichen Prunkes, höfischer Repräsentation ist der bestimmende Faktor selbst in diesen für einfache Wohnbedürfnisse gebauten Räumen. Er bestimmt, noch mehr wie früher, auch die Formen des Mobiliars. Die Armstühle im Grottenzimmer tragen hohe Lehnen mit überreichem ornamentalen Zierrat, sie ruhen auf schweren Voluten, die durch Querleisten mit Blattkränzen, Blumengirlanden verbunden sind, alle geschnitzt, mit Ausladungen, Kanten, Ecken, die auf die praktische Zweckbestimmung keine Rücksicht nehmen. Die Platte des Mitteltisches im Grottenzimmer ist auf vier Karyatiden gelegt, die in Akanthusvoluten endigen; diese liegen auf Leisten mit Kugelfüßen. Die einzelnen Teile sind unter sich noch stark abgesetzt; die Übergänge durch die Kurven sind bereits versucht; erst ein Rokokomöbel zeigt wie der ganze Aufbau linear verschmolzen werden kann. In der Marketterie der Platte, den ornamentalen Messingeinlagen auf Schildpatt findet sich die Signatur Esser und Wolfhauer. Demnach haben deutsche Handwerker, vermutlich Augsburger Meister, die Ausführung nach der Zeichnung der italienischen Architekten besorgt. Ähnlich dürfen wir uns auch die Entstehung bei den übrigen Möbeln aus der Zeit Ferdinand Marias denken. Wie in der Maximilianischen Zeit wurde das einheimische Kunsthandwerk zur Ausführung herangezogen; es bildete sich unter Leitung der ausländischen Künstler, es lernte an fremden Erfindungen bis es sich in die neue Art hineingelebt hatte, bis es die eigenen Ideen mit den neu erlernten Formen ausdrücken konnte. Dieser italienische Barockstil weicht von der flämisch-deutschen Renaissance der Maximilianischen Epoche so stark ab, dass er als fremdes Element empfunden werden musste. Er hat auch viel vom Wesentlichen verloren, bis er sich dem einheimischen Empfinden vermählte. Für den Anfang wirkte er sicher imponierend. Ein zielbewusster, auf das Grandiose gerichteter Wille offenbart sich in diesen Erfindungen, ein Wille, der auch vor seltsamen Gebilden nicht zurückschreckt, der der Idee von Luxus und Repräsentation die Brauchbarkeit, Zweckbestimmung unterordnet. Selbst die primitivsten, menschlichen Bedürfnisse geben Anlass zu zeremoniellem Schaugepränge. Im Schlafzimmer ist der Alkoven durch einen eigenen Einbau abgegrenzt : er ist in eine Bühne verwandelt, die durch Balustrade und Vorhang abgetrennt, hervorgehoben ist. An sich gibt dieser Einbau durch Überschneidung, Durchblick und Abdunkelung dem Raum echt malerisch barocken Reiz, so sehr auch das überschwellende der Formen bedrückt. Hier, an diesem Einbau, an dem die ursprüngliche Absicht klarer zum Ausdruck kommt als im Schlafzimmer, in dem durch die späteren Veränderungen des 18. Jahrhunderts der originale Eindruck gestört ist, zeigt sich die malerische Absicht dieser Architektur deutlich. Die Aufwärtsbewegung in der Wand ist durch die Verkröpfung, durch ein überleitendes Gesims, viel unmittelbarer in die Decke übergeführt, als in den Steinzimmern, wo ein Fries die Gelenke trennt. Es beginnt hier schon eine Verschmelzung, die in den Rokokozimmern Effners und Cuvillies weiterentwickelt wird, bis sie eine letzte Lösung im Spiegelzimmer und Schlafzimmer der Reichen Zimmer findet. Zum prunkvollen Formenschwall der Zierformen in den Päpstlichen Zimmern stimmt auch der schwulstige, geschraubte Gedankeninhalt, der in Emblemen, Zierraten und vor allem in den Deckengemälden niedergelegt ist. Die Allegorien von Triva im Schlafzimmer und Grottenzimmer mit den Verkörperungen abstrakter Begriffe, die leichter verständlichen Symbole und Drolerien, die die Qualen liebeskranker Herzen versinnbilden, im Herzkabinett, dem Boudoir der Fürstin, das früher Liebeszimmer benannt wurde, die Darstellungen verschiedener Audienzen bei Fürsten fremder Völker, die J. H. Schönfeld und Kaspar Amort im Goldenen Saal gemalt haben, alle führen den Beschauer auf das schwer verständliche Gebiet der Versinnbildung abstrakter Ideen, auf dem sich die zum Transzendenten neigende Barockkunst gerne bewegt. An das Wissen des Betrachters stellt diese Malerei ein starkes Maß von Anforderungen; ohne die alten Erklärungen wäre der Inhalt überhaupt nicht verständlich.

Die Päpstlichen Zimmer sind nicht ganz erhalten geblieben. Ein Flügelbau mit der Bibliothek, dem Rosen- und Liebeszimmer, der sich an Stelle des heutigen Königsbaues längs des Südrandes des Residenzgartens hinzog, ist verschwunden. Reste davon bewahrt das Nationalmuseum. Auch in den vorhandenen Räumen hat die spätere Zeit modernisierend eingegriffen. Die Kamine sind im 18. Jahrhundert verändert worden. Der Schreibtisch in Bouletechnik (mit Metalleinlagen) im Vorraum des Schlafzimmers, mit dem Monogramm des Kurfürsten Karl Albert, ist eine süddeutsche Arbeit des frühen i8. Jahrhunderts. Der Konsoltisch im gleichen Raum verrät die Erfindung Effners; ähnliche Beispiele stehen in den Trierzimmern und in Nymphenburg. Aus der gleichen Zeit ist auch das Prunkbett im Alkoven mit dem schweren Rokokoornament in Silberstickerei.

Die Wohnzimmer aus der späteren Barockzeit, aus der Bauperiode des Graubündener Architekten Enrico Zuccali sind nicht mehr erhalten und damit fehlt ein für die künstlerische Entwicklung wichtiges Zwischenglied. An Stelle dieser kurfürstlichen Sommer- und Alexanderzimmer entstanden unter Kurfürst Karl Albert die wertvollsten Innenräume der Münchner Residenz, die Reichen Zimmer.

020 Schlafzimmer in den päpstlichen Zimmern

020 Schlafzimmer in den päpstlichen Zimmern

022 Audienzsaal

022 Audienzsaal

023 Reiche Zimmer . Salon

023 Reiche Zimmer . Salon

024 Reiche Zimmer. Aus dem Salon

024 Reiche Zimmer. Aus dem Salon

025 Reiche Zimmer. Spiegelzimmer

025 Reiche Zimmer. Spiegelzimmer

026 Reiche Zimmer . Uhr im Audienzsaal

026 Reiche Zimmer . Uhr im Audienzsaal

027 Reiche Zimmer . Schlafzimmer

027 Reiche Zimmer . Schlafzimmer