Erste Fortsetzung

In einer Regenbakke, deren Volumen im gehörigen Verhältnis zu der Dachfläche steht, wird immer Vorrat von Wasser enthalten sein, welches kürzlich als Regen niedergefallen, oder welches sich bereits gekehrt hat.

Dass die Regenwasserfrage in neuerer Zeit von so großer praktischer Bedeutung geworden ist, zeigt eben, dass die Regenbakken nicht geräumig genug sind. Der Mangel an Trinkwasser und Wasser zum Haushalt stellt sich in Emden sehr oft heraus. Die städtische Verwaltung sieht sich dann genötigt, um den Wassermangel einigermaßen abzuhelfen, mit nicht unbedeutenden Kosten süßes Wasser aus dem Oberlaufe der Ems, bei Halte weg, oder aus den Binnenmeeren herbeischaffen zu lassen.
Im Laufe der letzten fünfzig Jahre musste dem Wassermangel auf dem angegebenen Wege abgeholfen werden:


1825, in den ersten Tagen des August;
1826, Ende Juni;
1840, Ende April;
1842, im Mai und Juni;
1843, im Februar;
1846, im September, November und Dezember;
1853, im Dezember. In diesem letzteren Falle konnte dem Wassermangel selbst durch Wasser aus der Ems oder den Binnenmeeren nicht gesteuert werden, da das Wasser überall gefroren und mit dickem Eise belegt war.
Ferner stellte sich Wassermangel heraus:
1854, in der Mitte des Monats April. Dann in den aufeinander folgenden trocknen Jahren:
1857, im Mai, im November und im Dezember;
1858, im Mai.
1859, im Juli und August.

Wenn die Anzahl der Regentage und die Regenmenge der Monate und Jahreszeiten hinter der mittleren nicht zurückbleibt, so reicht das Wasser, welches in den Regenbakken enthalten ist, als Trinkwasser und zum Gebrauche im Haushalte aus. Empirisch ist man im Laufe der Zeit dahin gekommen, die Wasserbakken von der Größe zu bauen, dass sie die, unter gewöhnlichen Umständen fallende, mittlere Regenmenge aufnehmen können. Bei abweichender, trockener Witterung, wenn die Anzahl der Regentage und die Regenmenge hinter der mittleren zurückbleibt, macht sich aber der Wassermangel, mit allen seinen Folgen, immer fühlbar.

Die mittlere Anzahl der Regentage beträgt für den Winter 1835, für das Frühjahr 1837, für den Sommer 1842, für den Herbst 1843. Das Wetter im Frühjahr 1846 war nass, es kamen 49 Regentage, also 12 mehr, als die mittlere Anzahl vor. Der dann folgende Sommer, sowie der Herbst, waren trockner wie gewöhnlich. Die Anzahl der Regentage blieb im Sommer um 20 und im Herbst um 14 Tage hinter der mittleren zurück. In Folge der unzureichenden Größe der Regenbakken fehlte es schon im August an Wasser. In den darauf folgenden Herbstmonaten wurde der Wassermangel denn aber außerordentlich groß. 1853 war die Anzahl der Regentage bis zum Oktober wenig von der mittleren verschieden. Im November aber kamen, statt der mittleren Anzahl 12, nur 2, und im Dezember, statt 12, nur 5 vor. Wie es nicht anders sein konnte, fehlte es im Dezember an Wasser. Im Januar und Februar 1854 war die Anzahl der Regentage von der mittleren wenig verschieden; der März hatte aber statt 13 nur 7 und der April statt 12 nur 2 Regentage. Es mussten von Seiten der Stadt aufs Neue außerordentliche Maßregeln getroffen werden, um dem Wassermangel abzuhelfen.

In den Herbstmonaten des Jahres 1856 und im Winter 1857, bis zum Januar, war die Anzahl der Regentage und die Menge des gefallenen Regens wenig von der mittleren verschieden; die Anzahl der Regentage im März ging selbst über die mittlere hinaus. Die Höhe der im Februar, März und April gefallenen Regenmenge betrug aber 14 Par. Linien weniger als die mittlere. Da nun auch in der ersten Hälfte des Mais der ersehnte Regen sich noch nicht einstellte, so musste der Wassermangel wieder anderseitig beseitigt werden. Wie in solchen Fällen immer, lässt sich dieses, selbst mit nicht unerheblichen Kosten, nur mangelhaft beschaffen.

In Emden hat man allerdings auf verschiedene Weise versucht dem Wassermangel vorzubeugen. Eine Erörterung der Maßregeln, welche man zu diesem Zwecke getroffen hat, liegt außer dem Kreise der Klimatologie. Auf die Beziehung hingegen, welche zwischen der Morbilität und Mortalität und dem Wasservorrat stattfindet, muss hier, weil dieselbe eben so sehr ein klimatologisches, als aetiologisches Moment ist, genauer eingegangen werden.

Wenn die Statistik der Krankheits-Erscheinungen mit der Statistik der Vorgänge im Luftmeere, welche doch auch erst der neueren Zeit angehört, gleichen Schritt gehalten hätte, so würde sich die Ätiologie vieler Krankheiten schon jetzt mathematisch begründen lassen. Leider ist aber die Statistik der Krankheiten gegenwärtig noch zu unvollständig, und somit fehlt für die angedeuteten Untersuchungen die gehörige Grundlage. Um die Sterblichkeits-Statistik steht es schon besser; für diese ist wenigstens das erforderliche Material in den Zivilstands-Registern vorhanden. Eine Statistik der Sterblichkeit in Emden für den Zeitraum 1858 bis 1867 hat Herr Dr. med. Lohmeyer mit viel Fleiß, Umsicht und Ausdauer ausgeführt. Die allgemeine Übersicht der Anzahl der Todesfälle, welche ich der gütigen Mittheilung des genannten Autors verdanke, veröffentliche ich hier mit dessen Zustimmung.

Anzahl der Todesfälle in Emden, in den Monaten und Jahren
von 1858 bis 1867.

Im Januar 1858 kamen in Emden 47 Sterbefälle, also fast das Doppelte der mittleren Anzahl vor. Schon am 5. November 1857 war der Wassermangel so groß geworden, dass die städtische Verwaltung sich genötigt sah, ein Schiff nach Halte zu senden, um von daher Wasser aus der Ems herbeizuführen. Die gesamte Regenmenge im Herbst 1857 (September, Oktober, November) war um 4,41 Par. Zoll geringer als die mittlere. Im Dezember fehlten an der mittleren Regenmenge abermals 13,15 Par. Linien. Dieser Wassermangel war somit die hauptsächlichste Ursache der großen Sterblichkeit. Die Sterblichkeit ging auch in den folgenden Monaten, bis zum Juni, bedeutend über die mittlere hinaus, was eben wieder dadurch verursacht wurde, dass die Regenmenge fort und fort hinter dem Mittel zurückblieb. An der mittleren Regenmenge fehlten: im Januar 8,17”’, im Februar 13,46 ”‘, im März 0,40‘”, im April 7,12’“, im Mai 3,47’“. Am 18. Mai musste die städtische Verwaltung abermals Wasser für die Einwohner von der Ems herbeischaffen lassen. Der Monat Juni war dann sehr regenreich, es fielen 12,92‘” mehr als das Mittel. Die Sterblichkeit ging, auf 29 herunter.

Eine große Sterblichkeit stellte sich darauf im November und Dezember 1859 aufs Neue heraus. Der Sommer 1859 hatte, nach den Regenmesser—Beobachtungen, an Regenwasser einen Ausfall von 2,93 Zoll (was beiläufig bemerkt, auf jedes Areal von 100 Kubikfuß 13 Kubikfuß beträgt), so dass sich der Magistrat sowohl im Juli als im August abermals genötigt sah, Wasser aus der Ems holen zu lassen. Im September war das Niederschlagsquantum denn sehr reichlich (31,12 Par. Linien mehr als die mittlere Regenmenge). Dieses hatte zur Folge, dass die Anzahl der Todesfälle, welche im September 39 Personen, also 20 mehr als die mittlere Anzahl betrug, sich im Oktober auf 32, 7mehr als die mittlere Anzahl, verminderte. Dann folgte abermals eine
regenarme Zeit, welche zur Folge hatte, dass die Anzahl der Todesfälle im November auf 38 und im Dezember auf 40 stieg.

Im Jahre 1860 beträgt die Anzahl der Todesfälle 17 mehr als die mittlere. In
den Monaten August und September war zu wenig Regen gefallen, durch den Niederschlag im September war dieses gerade ausgeglichen, der November war dann wieder zu trocken und so machte das wenige, verdorbene Trinkwasser, was dann noch in den Bakken vorhanden war, und das gleichzeitig erniedrigte Grundwasser aufs Neue seinen Einfluss geltend. Da dann auch im Dezember der Regen 4,86 Linien zu wenig Wasser lieferte, somit das Trinkwasser knapp bemessen war, und die Verminderung des Grundwassers nachtheilig auf die wenigen Brunnen (von welchen die öffentlichen, der Mehrzahl nach, schon während regenreicher Zeit nur Wasser liefern, dessen Einfluss auf die Gesundheit sehr problematisch ist) einwirkte, so stellt sich die Anzahl der Todesfälle auch im Januar 1861 um 7 größer heraus als die mittlere.

In den Monaten März und April des Jahres 1862 beträgt die Anzahl der Sterbefälle gerade das Doppelte der mittleren. Im September und Oktober 1861 war 9,26 Linien Regen zu wenig gefallen, November hingegen hatte 19,29’“ Überschuss, dadurch war der vorhergehende Ausfall gerade ausgeglichen und das übrige Wasser reichte hin, um den Konsum im November zu decken. In den dann folgenden drei Monaten blieb die Niederschlagsmenge wieder hinter der mittleren zurück. Es fehlte bis Ende des Winters 1862 2,30 Zoll. Die Anzahl der Sterbefälle wuchs nun im März auf 64 und im April auf 60 an. Der Regen floss dann im Mai und Juni reichlich hernieder, die Anzahl der Sterbefälle wurde immer geringer und kam im September auf die Normalzahl zurück.

Im Januar 1864 liegen wieder 64 Sterbefälle vor. In den Herbstmonaten 1863 fielen 2,33 Zoll Regen zu wenig. Dieser Ausfall wurde durch den Überschuss von 1,8 Zoll im Dezember bei Weitem nicht ausgeglichen und so macht sich der Mangel im Januar 1864 geltend. Da dann im Januar und Februar 1864 ebenfalls die Regenmengen hinter der mittleren zurück blieb, so ging auch die Sterblichkeit im März wieder um 13 Personen über die mittlere hinaus.

Im April 1867 ist die Anzahl der Sterbefälle nur um 4 größer als die mittlere.
Die Regenmenge im vorhergehenden Märzmonate war aber auch nur um 5,70 Linien geringer als die mittlere, während die Regenbakken in den vorhergehenden Monaten reichlich durch Regen mit Wasser versorgt waren und das Grundwasser Zuwachs erhalten hatte.

Man kann gegen die vorstehenden Ergebnisse der Beobachtungen immer noch das Mangelhafte der Beweisführung durch das post hoc, ergo propter hoc einwenden. Dieser Einwurf ist beseitigt, wenn das Besondere, als im Allgemeinen begründet und als mit letzterem übereinstimmend, nachgewiesen werden kann. Zu diesem Zwecke habe ich für die Monate der Beobachtungsperiode 1858 bis 1867 die Mittel und die Abweichung der Regenmenge berechnet und, um sie mit den der Mortalität vergleichen zu können, beide in Prozent der Gesamtsumme ausgedrückt. Das Ergebnis ist in folgender Tafel enthalten.

Mittel der Regenmenge und der Anzahl der Sterbefälle von 1858 bis 1867.

Aus Vorstehendem folgt, dass der aus den Beobachtungen in Emden abgeleitete Satz: Eine Abnahme der Regenmenge hat im nächstfolgenden Monate eine Zunahme der Sterblichkeit zur Folge, und umgekehrt: wächst die Regenmenge, so nimmt die Sterblichkeit im nächsten Monat ab, für diese Örtlichkeit wenigstens, allgemeine Geltung hat.

Vom November bis zum Dezember wird die Regenmenge um 0,6 % geringer. Im Januar wird die Sterblichkeit um 1‚0 % größer. Im Januar ist die Regenmenge um 0,5 % größer, im Februar ist die Sterblichkeit um 1,2 % kleiner u. s. w. — Vom Mai bis August ist die Regenmenge größer als das durchschnittliche Monats-Mittel, andrerseits ist die Mortalität geringer als durchschnittlich.

Außer der Wassermenge sind noch andere Faktoren auf die Mortalität von Einfluss. Aus den Zahlen der vorstehenden Tabelle folgt aber unwiderleglich, dass die, durch den reichlichen Vorrat des Regenwassers bedingte, Güte des Trinkwassers den vorwiegenden, man kann sagen normierenden Einfluss auf den Gesundheitszustand hat. In der graphischen Darstellung habe ich die Veränderung der Regenmenge und der Mortalität auf dieselbe Einheit reduziert. Letzteres ist die Differenz zwischen dem Maximum und Minimum der in Betracht kommenden Größen. Die graphische Darstellung macht es auch den Laien anschaulich, dass die Veränderung der Sterblichkeit der Zu- und Abnahme der Regenmenge auch der Zahl nach umgekehrt proportional ist. Die größten qualitativen, jedoch auch nicht sehr erheblichen Abweichungen kommen in den Wintermonaten bis zum März vor. Es ist dieses ganz natürlich, da von den übrigen Faktoren, welche auf die Sterblichkeit von Einfluss sind, die Kälte gewiss voransteht.

Für die Jahreszeiten stellt sich genau dasselbe Gesetz heraus. Die Regenmenge ist im Frühling am kleinsten, die Sterblichkeit am größten; im Sommer ist die Regenmenge am größten, die Sterblichkeit am kleinsten.

Das absolute Maximum des Niederschlags fällt auf August, das absolute Minimum der Mortalität auf September.

Wenn es auch nicht immer in der Macht des Menschen steht, die schädlichen Einflüsse der Elemente zu paralysieren, so ist doch schon viel gewonnen, wenn erkannt, was Ursache, was Wirkung ist. Den nachteiligen Folgen, welche der Mangel an gutem, trinkbarem Regenwasser auf die Mortalität und Morbilität hat, lässt sich abhelfen. Setzt man: die Länge, Breite und Höhe einer Regenbakke betrügen je 10 Fass, so würde für jeden Fuß, welchen man einer einzigen der genannten Dimensionen zusetzte, die Kapazität der Regenbakke um 100 Kubikfuß wachsen. Die Übel, welche Folge von Wassermangel oder verdorbenem Regenwasser sind, würden, selbst nach langer, regenloser Zeit, wenn nicht ganz verschwinden, doch auf das Minimum herabgedrückt werden, wenn die Regenbakken, welche ein unentbehrliches Zubehör der Gebäude in den Marschgegenden sind, dem Areal des Gebäudes und der durchschnittlichen Regenmenge genau entsprechend ausgeführt würden.

Wenn nicht die gehörigen Maßregeln getroffen werden, dass auch während regenarmer Zeit gehöriger Vorrat von Trinkwasser vorhanden ist, so werden die nachteiligen Folgen, welche der Wassermangel und das verdorbene Wasser auf den Gesundheitszustand und die Sterblichkeit haben, in eben dem Maße wachsen, in welchem die Bevölkerung zunimmt.

Ein besonderer Übelstand ist der, dass in den kleinen Häusern, mit kleinen Bakken, oft mehrere Familien wohnen und so die Kopfzahl der Personen, welche auf das Wasser in der zum Hause gehörigen Regenbakke angewiesen sind, unverhältnismäßig groß ist. Deshalb ist zu wünschen, dass die bereits begonnene Maßregel, neben den öffentlichen Gebäuden und Kirchen, von welchen das Regenwasser noch unbenutzt abfließt, Regenbakken zu bauen und in diese das Wasser zu leiten, ausgedehnt werden möge.

Die Bodenbeschaffenheit ist im ersten Abschnitte der Klimatologie dargestellt. Aus derselben ergibt sich, dass man im Untergrunde des Marschdistricts an den meisten Stellen den Diluvialsand erst in größerer Tiefe antrifft. Da man nun nur da, wo man schon in mäßiger Tiefe bis auf den Diluvialsand gelangt, hoffen darf durch einen Brunnen gutes Wasser zu erhalten, so wird der größere Teil der Marschbewohner auf das in den Regenbakken gesammelte atmosphärische Wasser angewiesen bleiben. Wenn das in den Bakken vorhandene Wasser reichlich vorhanden und gehörig rein ist, so entspricht es den Anforderungen an ein gutes Trinkwasser vollständig. Ersteres wird aber der Fall sein, wenn die Regenbakken von gehöriger Größe, letzteres, wenn sie aus gut gebrannten, mit Zement gefugten Steinen aufgeführt sind. Die Reinheit des Wassers wird außerdem sehr gewinnen, wenn das von den Dächern herabgeleitete Regenwasser, bevor es in die Bakke gelangen kann, durch einen Filtrier-Apparat gehen muss. Schon die Griechen und Römer hatten oberhalb ihrer Zisternen Filtrier-Apparate angebracht. Dass in unserer, an patentierten und unpatentierten Erfindungen so reichen und mit technischen Hilfsmitteln so vollständig ausgerüsteten Zeit, die Regenbakken nicht schon sämtlich mit Filtrier-Apparaten versehen sind, welche allen Anforderungen genügen, muss auffallen.

Ungeachtet die Regenbakken in Emden nicht immer von gehöriger Größe, außerdem nicht selten leck sind, und ungeachtet es oft an Regenwasser mangelt, so ist doch die Sterblichkeit in Emden geringer als an vielen anderen Orten. Aus den oben auf Seite 181 übersichtlich dargestellten klimatischen Verhältnissen im äußersten Westen und Osten der Küstenstrecke des preussischen Staates geht hervor, dass wenn sich die Sterblichkeit für Emden so günstig herausstellt, dieses vorzugsweise Folge der Temperatur-Verhältnisse ist. Indes trägt auch die tägliche, periodische Ventilation, Welche eine notwendige Folge der zweimal täglich in den beiden Delften wechselnden Flut und Ebbe ist, das ihrige zur Salubrität der Stadt bei.