Das Regenwasser als Trinkwasser der Marschbewohner, sowie die Sterblichkeit als im umgekehrten Verhältnisse stehend mit der jährlichen Zu- und Abnahme der Regenmenge.

Autor: Prestel, Michael August Friedrich Dr. (1809-1880) Professor, Mathematiker, Meteorologe und Kartograph, Erscheinungsjahr: 1871

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Inhaltsverzeichnis
  1. Erste Fortsetzung
An den meisten Stellen in der Marschgegend ist die Anlage von Brunnen, welche gutes Trinkwasser liefern, so schwierig und kostspielig, dass die Bewohner der Marschen in der Regel auf das Brunnenwasser verzichten und sich des Regenwassers bedienen müssen. Auch die Insulaner sind auf das Regenwasser angewiesen, und zwar meist auf solches, welches, nachdem es durch den Sand der Dünen hindurch gesichert ist, sich in Gruben wieder angesammelt hat.

Das Regenwasser, welches als Trinkwasser und zum Haushalt dienen soll, wird, wie bekannt, mittelst Rinnen von den Dächern in die unter der Erdoberfläche von Backsteinen aufgemauerten, überwölbten Behälter geleitet und darin aufbewahrt. Solche Behälter waren schon den Alten unter dem Namen Zisternen bekannt; hier zu Lande nennt man dieselben Regenbakken (hell. Regenbak).

Gutes Wasser ist so durchsichtig wie Kristall, gänzlich farblos, ohne irgend welchen Geruch und Geschmack. Fängt man das Regenwasser in sauberen Glas— oder Porzellangefäßen auf, so besitzt es die genannten Eigenschaften in hohem Maße. Die sehr geringe Menge von organischen Bestandteilen, welche sich in dem so gesammelten Regenwasser durch ihre Reaktion auf übermangansaures Kali zeigt, und die Spur von Salzsäure, welche in demselben hier an der Nordseeküste vorkommt, beeinträchtigen den Werth des Regenwassers als Trinkwasser nicht im geringsten. Das von den Dächern in die Regenbakken geleitete Regenwasser ist von solcher Reinheit und Güte nicht. In diesem kommen schon mehrere Stoffe vor, welche in demselben, entweder chemisch aufgelöst, oder mechanisch beigemengt, enthalten sind. Wenn indes nicht besondere Umstände stattgefunden haben, so sind auch in solchem Regenwasser, vorausgesetzt, dass es frisch und in reichlicher Menge gefallen ist, die fremdartigen Bestandteile nicht in der Menge enthalten, dass der Genuss desselben irgend welche schädlichen Folgen wahrnehmen ließe.

Schon die Griechen und Römer, welche so große Sorgfalt auf die Gesunderhaltung des Volks verwendeten, haben da, wo sich das Wasser nicht durch Anlage von Wasserleitungen herbeischaffen ließ, um dem Wassermangel abzuhelfen, Zisternen gebaut. Die Zisternen zu Konstantinopel, Bajae, Alexandria u. a. zeichnen sich durch ihre Größe und Schönheit aus. Auch in Palästina gab es Zisternen, in den Städten und auf dem platten Lande. Noch jetzt finden sich Ruinen von solchen, welche bis 150 Fuß Länge und 60 Fuß Breite haben.

Die vorzüglichste Ursache des Verderbens des Wassers in den Regenbakken ist der Luftstaub. Wenn auch die in der Luft treibenden und durch den offenen Mund eingeatmeten Staubteilchen nicht allein die Ursache von Croup, Diphtheritis, Kinderpneumonie, Zahnübel, Masern, Scharlach u. s. w. sind, wie Catlin glaubt (Shut Your Mouth. 4. Edit. London 1869, übersetzt von Dr. F. E. Flachs „Geschlossener Mund erhält gesund,“ Leipzig 1870), so reichen die, welche sich auf den Dächern niederschlagen und ablagern und mit dem Regenwasser in die Regenbakken gelangen, doch schon hin, um den Wert des in den letzteren aufbewahrten Wassers, als Trinkwasser, mehr oder weniger zu beeinträchtigen. Ungemeine Mengen von Staub gehen beim Fahren, Reiten, sowie auf andere Weise, von den Straßen und vom Erdboden in die Luft über, und ebenso gelangt eine große Menge von Staubteilchen und Fäserchen beim Ausklopfen der Tapeten, beim Bürsten der Kleider, beim Bettmachen u. s. w. in die Luft. Bei weitem die größere Menge des Luftstaubes ist indes vegetabilischer Staub. Dieser besteht vorwiegend aus Blütenstaub, aus dem Pappus der Synantheren (Löwenzahn, Meerstrandsaster u. a.), der Samen-Wolle der Amentaceen, ferner aus Pflanzenhaaren u. s. w. Der Blütenstaub ist schon in solcher Menge im Luftmeere vorgekommen, dass er, durch Regen niedergeschlagen, zu den Sagen von Blutregen und Schwefelregen Veranlassung gegeben hat. Ein höchst sinnreiches Verfahren, um die in der Atmosphäre stets und ständig herumtreibenden kleinen Körperchen sichtbar zu machen, hat Schimper in seiner Abhandlung „Wasser und Sonnenschein“ angegeben. Es ist diese Abhandlung in der, von der Direktion der naturforschenden Gesellschaft in Emden, bei der 50jährigen Jubelfeier am 22. Dezember 1864 herausgegebenen Festschrift veröffentlicht.

Der besonders aus Pflanzenteilchen bestehende, vom Winde fortgeführte Luftstaub sammelt sich, in gewaltigen Mengen, besonders auf den stehenden Gewässern. Hier bildet er eine, zahllose Infusorien beherbergende, schleimige Haut, welche bei Platzregen die bekannten Schleimblasen erzeugt. Die Menge des Luftstaubes, welcher sich auf den Dächern ablagert und von diesen durch den Regen in die Bakken geführt wird, ist aber noch bei weitem größer.

Wenn der Luftstaub mit dem Regen in die Bakken gelangt ist, so sinken die größeren und schwereren Teilchen zu Boden, die feineren treiben, kaum sichtbar, in dem Wasser herum. So lange die dem Regenwasser beigemengten Staubteilchen noch nicht in Zersetzung und Gärung übergegangen sind, zeigen sie sich, wenn sie mit dem im Übrigen hellen und durchsichtigen Wasser genossen werden, als der Gesundheit wenig nachtheilig. Wenn es von Zeit zu Zeit regnet und so immer frisches Wasser zu dem Vorrate in der Bakke kommt, so bleibt dieser, wenn er nicht zu knapp bemessen ist, leidlich gut. Tritt aber eine längere Zeit anhaltende, regendürftige oder regenlose Zeit ein, so fallen die in dem Bakkwasser enthaltenen organischen Bestandteile dem Verwesungsprozesse anheim und zersetzen sich. Das Wasser wird dann mehr oder weniger trübe und nimmt einen fauligen Geruch und Geschmack an. Dieser Gärungs-Prozess ist indes nach kurzer Zeit vollendet. Der widerliche Geruch, welchen das Wasser hat, während sich die in demselben enthaltenen organischen Bestandteile zersetzen, wird durch die sich dann entwickelnden Gasarten verursacht. Letztere steigen, den hydrostatischen Gesetzen folgend, nach oben und gehen in die über dem Wasser befindliche Luft über; andererseits fallen die ausgeschiedenen, im Wasser unlöslichen Bestandteile, den Gesetzen der Schwere gehorchend, zu Boden. Während die in den Regenbakken enthaltenen organischen Teilchen in der Zersetzung begriffen sind und das Wasser übel riecht, sagt man von demselben in der Volkssprache sehr bezeichnend „das Wasser kehrt sich“.

Wenn der Zersetzungsprozess vollendet ist, oder, wie es in der Kunstsprache heißt, „das Wasser sich gekehrt hat“ wird es wieder hell, durchsichtig, geruch- und geschmacklos. Es sind nun die dem Tierleben nachteiligen Stoffe ausgeschieden und es macht sich in demselben wieder das lebenerhaltende und erweckende Prinzip geltend. Es stellen sich eine Menge zur Ordnung der Kiefenfüße (Entromostraceen), gehörende kleine, niedliche Tierchen ein, und tummeln sich munter in demselben herum. Der Wasserfloh (Cypris conchacea), der Hüpferling und die Wasserläuse (Daphnia pulex, Cyclops quadricornis, Cyclops staphylinus) kommen nun, zuweilen in unzählbarer Menge, in demselben vor. So lange diese Tierchen, welche hier zu Lande unter dem Namen „Waterluisjes" allgemein bekannt sind, lebenskräftig in dem Wasser herumschwimmen, ist das Wasser durchaus gesund und gibt, nachdem man es durch ein Haarsieb durchgeseiht und so von den genannten Tierchen gereinigt hat, ein klares, geschmack- und geruchloses Trinkwasser ab. In solchem Bakkenwasser, dessen Genuss dem Menschen gesundheitsnachteilig sein würde, gehen auch jene Tierchen zu Grunde. Wenn das Wasser nach lange regendürftiger Zeit bis auf einen kleinen Rückstand aufgebraucht ist, so findet man die Kadaver jener Entromostraceen in demselben treibend. Es ist dieses ein unfehlbares Zeichen, dass das nun noch vorhandene Wasser verdorben ist und ohne Nachteil als Trinkwasser nicht mehr benutzt werden kann.

Anderer Art und nachteiliger ist es, wenn ein größeres Säugetier, eine Katze, Ratte o. e. a., in eine solche Bakke gerät, darin umkommt und, ohne dass es bemerkt wird, in dem Wasser verwest, oder wenn eine hundert und mehrere Jahre alte Regenbakke baufällig und leck wird, so dass Stoffe aus Latrinen, Kloaken usw.‚ welche sich etwa in der Nähe befinden, in dieselbe gelangen können. Wenn dieses nicht frühzeitig genug beachtet und die gehörigen Maßregeln getroffen werden, so hat dieses immer typhose Krankheitserscheinungen bei den Personen zur Folge, welche solches Wasser genießen.
Es gehört nicht hierher, auf Vernachlässigungen der eben genannten Art genauer einzugehen. Nur der Umstand muss besonders hervorgehoben werden, dass die vorhandenen Regenbakken weder der Zahl, noch der Größe nach ausreichen, um auch in regenarmen Zeiten, dem Bedürfnisse des auf das Wasser in den Bakken angewiesenen Teils der Bevölkerung zu genügen.

Das Volumen der Regenbakke steht nur zu häufig nicht im richtigen Verhältnis, weder zu dem Areal des Gebäudes, von dessen Dachs das Wasser darin zusammenfließt, noch zu der Anzahl der Hausbewohner, die auf den Gebrauch des Wassers einer solchen Bakke angewiesen sind. Leider ist der innere Raum vieler Regenbakken so klein, dass sie das im Sommer während eines einzigen recht ergiebigen Gewitterregens hinzukommende Wasser nicht mehr in sich aufzunehmen vermögen, so dass ein Teil desselben durch die Sicherheitsröhren abgeleitet werden und so unbenutzt wegfließen muss. Die nicht gehörige innere Größe der Wasserbakken ist eine der hauptsächlichsten Ursachen des Wassermangels, welcher sich, leider zu häufig, fühlbar macht. Tritt nach der Regenzeit, welche sich im Sommer, bald früher, bald später, einzustellen pflegt, trocknes Wetter ein, so mangelt es, weil man zur gehörigen Zeit nicht gespart hat, sofort an Wasser.

Prestel, Michael August Friedrich Dr. (1809-1880) Professor, Mathematiker, Meteorologe und Kartograph

Prestel, Michael August Friedrich Dr. (1809-1880) Professor, Mathematiker, Meteorologe und Kartograph

032 Vornehmer Mann, Bauer, Ostfriesland, 16. Jahrhundert

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033 Vornehme Leute, Ostfriesland, 16. Jahrhundert

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034 Bäuerin, Vornehme Frau, Ostfriesland, 16. Jahrhundert

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037 Vornehme Frau, Friesland, Braut, Föhr, (1820)

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038 Braut, Brautjungfer, Sylt, 17. und 18. Jahrhundert

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039 Frau, Braut, Sylt, 17. und 18. Jahrhundert

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040 Braut, Frau zur Kirche gehend, Amrum, 17. und 18. Jahrhundert

040 Braut, Frau zur Kirche gehend, Amrum, 17. und 18. Jahrhundert

041 Mädchen, Frau, Halligen (Wyk), Ende des 18. Jahrhunderts

041 Mädchen, Frau, Halligen (Wyk), Ende des 18. Jahrhunderts

042 Frauen im Sonntagsanzuge, Föhr (1850) Halligen

042 Frauen im Sonntagsanzuge, Föhr (1850) Halligen