Das Problem der Ukraine
Autor: George Cleinow (1873-1936) deutscher Politiker, Publizist, Autor, Erscheinungsjahr: 1915
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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Ukraine, Russland, Schwarzes Meer, Kuban, Don, Tschernigow, Kiew, Charkow, Poltawa, Podolien, Kaukasus,
Von den Herausgebern
Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers erlauben wir uns hiermit die Abhandlung, die ursprünglich in der Berliner Wochenschrift „Die Grenzboten“ vom 11. November 1914 erschienen war, separat herauszugeben, um die Aufmerksamkeit der breiteren Kreise der Öffentlichkeit, die sich für die ukrainische Frage interessieren, auf die Ansicht eines fremden, objektiven Forschers über dieses Problem zu lenken.
Wir müssen aber im Voraus betonen, dass die Ansichten des Verfassers nicht in allen Details damit übereinstimmen, was für uns als innigste, unwiderlegbare Lieberzeugung gilt. Indem wir uns erlauben, an entsprechenden Stellen in Anmerkungen auf die, unserer Meinung nach, nicht ganz zutreffenden Behauptungen des Verfassers hinzuweisen, beschränken wir uns hier auf eine allgemeine Bemerkung. Der Verfasser geht von der Voraussetzung aus, dass die ukrainische Frage für die mitteleuropäischen Mächte von großer Bedeutung ist, und befasst sich eingehend mit einer Frage, die das Hauptthema der Abhandlung bildet: ob die Ukraine die notwendigen Vorbedingungen hat, ein lebensfähiges, selbständiges Staatswesen zu bilden.
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Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers erlauben wir uns hiermit die Abhandlung, die ursprünglich in der Berliner Wochenschrift „Die Grenzboten“ vom 11. November 1914 erschienen war, separat herauszugeben, um die Aufmerksamkeit der breiteren Kreise der Öffentlichkeit, die sich für die ukrainische Frage interessieren, auf die Ansicht eines fremden, objektiven Forschers über dieses Problem zu lenken.
Wir müssen aber im Voraus betonen, dass die Ansichten des Verfassers nicht in allen Details damit übereinstimmen, was für uns als innigste, unwiderlegbare Lieberzeugung gilt. Indem wir uns erlauben, an entsprechenden Stellen in Anmerkungen auf die, unserer Meinung nach, nicht ganz zutreffenden Behauptungen des Verfassers hinzuweisen, beschränken wir uns hier auf eine allgemeine Bemerkung. Der Verfasser geht von der Voraussetzung aus, dass die ukrainische Frage für die mitteleuropäischen Mächte von großer Bedeutung ist, und befasst sich eingehend mit einer Frage, die das Hauptthema der Abhandlung bildet: ob die Ukraine die notwendigen Vorbedingungen hat, ein lebensfähiges, selbständiges Staatswesen zu bilden.
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Inhaltsverzeichnis
Die Analyse der natürlichen Vorbedingungen bot dem Verfasser die Gelegenheit, die große Macht seiner gründlichen Sachkenntnis sowie die Schärfe seiner Urteilskraft in glänzender Weise zu entfalten. In wenigen großzügigen und sicheren Strichen, an der Hand der statistischen Daten, fasst er die wirtschaftliche Vergangenheit und Gegenwart der Ukraine zusammen und zieht recht erfreuliche Schlüsse für ihre Zukunft.
Weniger zutreffend erscheint uns in der Abhandlung die Schilderung der ideellen Vorbedingungen einer selbständigen Ukraine. Der Verfasser überlässt die Lösung der wichtigen Frage, ob das ukrainische Volk die zur Erringung und Aufrechterhaltung seiner Selbständigkeit notwendigen Elemente in sich finden wird, der Zukunft. Wir erlauben uns hier die allgemeine Bemerkung, die wir an entsprechenden Stellen mit Tatsachen zu beweisen trachten, dass die nationale Bewegung des ukrainischen Volkes von dem Verfasser in quantitativer wie auch qualitativer Hinsicht nicht gehörig gewürdigt wurde. Die Schuld daran tragen natürlich ausschließlich die exzeptionellen Verhältnisse, in welchen das ukrainische Volk in Russland sein Leben fristet, und die es einem außenstehenden Zuschauer unmöglich machen, den wahren Sinn und die Tragweite einzelner äußerer Erscheinungen dieses Lebens nach Gebühr einzuschätzen. Man darf nicht vergessen, dass die ukrainische Bewegung in Russland bis zum letzten Augenblick dazu verurteilt war, das Tageslicht zu meiden, und dass sie nur ausnahmsweise eine Gelegenheit finden konnte, sich auf die Oberfläche empor zu wagen. Eines können wir jedoch feststellen: Sobald die russischen Zustände, wenn auch nur auf einen kurzen Moment, dem ukrainischen Volke eine Möglichkeit der Entwicklung boten, hat dasselbe jedes Mal eine große Zähigkeit und Lebensfähigkeit an den Tag gelegt. Kein einziges Mal hat der leider so seltene, für die Entfaltung der nationalen Kräfte günstige Moment das ukrainische Volk unvorbereitet, der Zeit nicht gewachsen gefunden.
Im Jahre 1905 wurde das Verbot der ukrainischen Literatur in Russland aufgehoben, und in einem Nu erscheint an der Stelle, wo bisher kein einziger Schritt gemacht werden durfte, eine imposante ukrainische Literatur, eine reiche politische und literarische Presse. Kaum wurde nach der Revolution den Ukrainern die Aussicht auf eine politische Organisation gegeben und es erscheint eine Reihe politischer Organisationen und in beiden Dumas treten starke ukrainische Klubs auf, welche als ersten Punkt ihres Programms politische Autonomie der Ukraine erheben. Die genossenschaftliche Bewegung in Russland wurde sofort von den Ukrainern als eine mächtige Stütze ihrer nationalen Bewegung ausgenützt. Als die Frage der Volksschule auf die Tagesordnung trat, wurde von der ganzen ukrainischen Gesellschaft einstimmig die Forderung erhoben: „Gebet uns die ukrainische Volksschule!“
Für einen außenstehenden Zuschauer, der dazu nur einen Teil dieser Ereignisse bemerken kann und dem es fast unmöglich ist, ihren inneren Zusammenhang zu entdecken, bilden diese Tatsachen wohl nur eine Reihe loser Episoden von ganz verschiedener Bedeutung und Qualität, die auf eine breite Volksbewegung kaum hindeuten. Tatsächlich sind es aber Sprösslinge eines und desselben mächtigen Baumes, dessen Wurzeln breit und tief unter die Oberfläche reichen und die breiten ukrainischen Volksmassen umfassen. So sieht auch der Verfasser zum Beispiel in der Forderung der ukrainischen Volksschule das ganze Programm der ukrainischen Anführer, für dessen Erfüllung jeder die Ukrainer gewinnen könnte, gleichgültig, ob er Österreicher, Deutscher oder Rumäne hieße. Für uns bildet diese Forderung nur eine der zahlreichen Emanationen einer einheitlichen Bewegung, deren Ziele, klar und kristallisiert, dem ukrainischen Volke seit dem ersten Augenblick der russischen Unterjochung in seinem ganzen verzweifelten Freiheitsringen vorschweben. Mit voller Zuversicht kann daher das ukrainische Volk auch dem Augenblick entgegensehen, in dem ihm von der Geschichte die obige wichtige Lebensfrage gestellt werden wird: Es wird dieselbe sicher in der Weise beantworten, wie es einer zur besseren Zukunft bestimmten Nation würdig ist.
Zu demselben Schluss führen den Leser auch die objektiven Feststellungen der natürlichen Vorbedingungen der Ukraine für ein selbständiges Dasein, die in folgender Abhandlung vom Verfasser in eklatanter Form geboten werden.
Weniger zutreffend erscheint uns in der Abhandlung die Schilderung der ideellen Vorbedingungen einer selbständigen Ukraine. Der Verfasser überlässt die Lösung der wichtigen Frage, ob das ukrainische Volk die zur Erringung und Aufrechterhaltung seiner Selbständigkeit notwendigen Elemente in sich finden wird, der Zukunft. Wir erlauben uns hier die allgemeine Bemerkung, die wir an entsprechenden Stellen mit Tatsachen zu beweisen trachten, dass die nationale Bewegung des ukrainischen Volkes von dem Verfasser in quantitativer wie auch qualitativer Hinsicht nicht gehörig gewürdigt wurde. Die Schuld daran tragen natürlich ausschließlich die exzeptionellen Verhältnisse, in welchen das ukrainische Volk in Russland sein Leben fristet, und die es einem außenstehenden Zuschauer unmöglich machen, den wahren Sinn und die Tragweite einzelner äußerer Erscheinungen dieses Lebens nach Gebühr einzuschätzen. Man darf nicht vergessen, dass die ukrainische Bewegung in Russland bis zum letzten Augenblick dazu verurteilt war, das Tageslicht zu meiden, und dass sie nur ausnahmsweise eine Gelegenheit finden konnte, sich auf die Oberfläche empor zu wagen. Eines können wir jedoch feststellen: Sobald die russischen Zustände, wenn auch nur auf einen kurzen Moment, dem ukrainischen Volke eine Möglichkeit der Entwicklung boten, hat dasselbe jedes Mal eine große Zähigkeit und Lebensfähigkeit an den Tag gelegt. Kein einziges Mal hat der leider so seltene, für die Entfaltung der nationalen Kräfte günstige Moment das ukrainische Volk unvorbereitet, der Zeit nicht gewachsen gefunden.
Im Jahre 1905 wurde das Verbot der ukrainischen Literatur in Russland aufgehoben, und in einem Nu erscheint an der Stelle, wo bisher kein einziger Schritt gemacht werden durfte, eine imposante ukrainische Literatur, eine reiche politische und literarische Presse. Kaum wurde nach der Revolution den Ukrainern die Aussicht auf eine politische Organisation gegeben und es erscheint eine Reihe politischer Organisationen und in beiden Dumas treten starke ukrainische Klubs auf, welche als ersten Punkt ihres Programms politische Autonomie der Ukraine erheben. Die genossenschaftliche Bewegung in Russland wurde sofort von den Ukrainern als eine mächtige Stütze ihrer nationalen Bewegung ausgenützt. Als die Frage der Volksschule auf die Tagesordnung trat, wurde von der ganzen ukrainischen Gesellschaft einstimmig die Forderung erhoben: „Gebet uns die ukrainische Volksschule!“
Für einen außenstehenden Zuschauer, der dazu nur einen Teil dieser Ereignisse bemerken kann und dem es fast unmöglich ist, ihren inneren Zusammenhang zu entdecken, bilden diese Tatsachen wohl nur eine Reihe loser Episoden von ganz verschiedener Bedeutung und Qualität, die auf eine breite Volksbewegung kaum hindeuten. Tatsächlich sind es aber Sprösslinge eines und desselben mächtigen Baumes, dessen Wurzeln breit und tief unter die Oberfläche reichen und die breiten ukrainischen Volksmassen umfassen. So sieht auch der Verfasser zum Beispiel in der Forderung der ukrainischen Volksschule das ganze Programm der ukrainischen Anführer, für dessen Erfüllung jeder die Ukrainer gewinnen könnte, gleichgültig, ob er Österreicher, Deutscher oder Rumäne hieße. Für uns bildet diese Forderung nur eine der zahlreichen Emanationen einer einheitlichen Bewegung, deren Ziele, klar und kristallisiert, dem ukrainischen Volke seit dem ersten Augenblick der russischen Unterjochung in seinem ganzen verzweifelten Freiheitsringen vorschweben. Mit voller Zuversicht kann daher das ukrainische Volk auch dem Augenblick entgegensehen, in dem ihm von der Geschichte die obige wichtige Lebensfrage gestellt werden wird: Es wird dieselbe sicher in der Weise beantworten, wie es einer zur besseren Zukunft bestimmten Nation würdig ist.
Zu demselben Schluss führen den Leser auch die objektiven Feststellungen der natürlichen Vorbedingungen der Ukraine für ein selbständiges Dasein, die in folgender Abhandlung vom Verfasser in eklatanter Form geboten werden.