Fortsetzung 06 bis 20

6.
So ist es auch mit der Veränderlichkeit der Natur, die nie und nirgend in aller Endlichkeit eine Grenze hat. Das Kleine ändert sich rascher, das Größere langsamer, das unendlich große All gar nicht. Hieraus ergibt sich, was von der häufig aufgeworfenen Frage über Veränderlichkeit und Dauer der Welten, wie von der Irrlehre der Stabilität zu halten ist, wonach die Veränderlichkeit in irgend einer Sphäre der Natur ihre Grenzen finden soll; bald bei den einzelnen Himmelskörpern, namentlich unserer Erde, bald bei den einzelnen Sonnensystemen oder Welten. Es ist dies nichts, als eine aus der Beschränktheit menschlicher Wahrnehmung entsprungene Vorstellung. Jene Frage lässt keine andere Antwort zu. Die Welt als Inbegriff des unendlichen Alls ist ewig und unveränderlich; die einzelnen räumlich begrenzten Himmelskörper. Sonnen- oder Sternensysteme sind es nicht. Bei diesen kann nur zur Frage kommen, ob die Veränderungen und Wechsel, denen sie unterworfen sind, sich nachweisen lassen oder nicht, was selbstverständlich nur von dem jeweiligen Stande der Wissenschaft und Forschung abhängt.

7.
Daher ist auch jede Änderung wieder der Abänderung. jeder Wechsel wieder der Abwechslung unterworfen. Keine Erscheinung, kein Vorgang, weder im Kleinen noch im Großen wiederholt sich auf ganz gleiche Weise, sondern immer, wenn auch noch so wenig verschieden, nach Zeit, Ort und Umständen. Was sich immer auf dieselbe Weise wiederholte, wäre als solches etwas Unveränderliches, nichts in Raum und Zeit Begrenztes, sondern nur das unendliche All. Jedes kleinere Ganze ist zugleich auch Glied eines größeren Ganzen, und als solches auch an den Änderungen des letzteren teilnehmend.



8.
Den Inbegriff solcher Änderungen indes, die nahezu gleichmäßig nur mit sehr geringen Unterschieden in gewissen Zeiten oder periodisch sich wiederholen, nennen wir Wechsel. Je nachdem dieser sich auf ein größeres oder kleineres Ganze erstreckt, kann man ihm eine besondere Ordnung beilegen, oder verschiedene Ordnungen davon annehmen; alle aber bedingen sich gegenseitig, wie die Krümmung des ganzen Kreises, die feiner einzelnen Teile und umgekehrt.


9.
Dies findet denn auch Anwendung auf die Erscheinungen welche durch die Einwirkung der Sonne auf die Erde, oder vielmehr die Wechselwirkung beider Himmelskörper auf einander hervorgebracht werden. Sie sind genau genommen in jedem Augenblick andere, aber doch nur sehr wenig verschieden von einem Tage zum andern. Daher der Inbegriff der in diesen Zeitraum fallenden Erscheinungen den Tageswechsel ausmacht.


10.
In den Tageswechsel wird wieder Abwechslung gebracht durch den in längerem Zeitraum vor sich gehenden Jahreswechsel, der die verschiedenen Tageslängen und Jahreszeiten in sich befasst.


11.
Und ebenso ist der Jahreswechsel wiederum dem in noch viel längerer Zeitperiode vor sich gehenden Klimawechsel unterworfen, wodurch darin wieder die nötige Abwechslung gebracht und bewirkt wird, dass die zeitweilige Verteilung der Klimate auf der Erdoberfläche sich regelmäßig ändert, so dass die einzelnen Erdteile sukzessive den verschiedenen Klimaten ausgesetzt werden,


12.
Der Klimawechsel ist wieder einem Wechsel noch höherer Ordnung unterworfen, der aber hier nicht mehr in Betracht kommt.


13.
Diese Wechsel entspringen alle aus einer und derselben Ursache, der Einwirkung der Sonne und der Erde auf einander; sie bedingen und bestimmen sich gegenseitig. jeder erfüllt gewisse Bedingungen. alle aber find gleich notwendig für die Vorgänge und Verhältnisse auf der Erdoberfläche.


14.
Wäre es immer Tag oder immer Nacht so würden Pflanzen, Tiere und Menschen nicht so wachsen, leben und tätig sein können, wie jetzt, sie würden teils gar nicht, teils doch nicht so existieren können.


15.
Eben so wenig würden sie es. wenn auch auf eine kurze Zeit. doch nicht auf die Dauer können, ohne den Wechsel der Jahreszeiten. Dadurch werden die nötigen Bedingungen dazu in noch weiterem Umfange erfüllt. Wäre es immer Sommer oder immer Winter, so fehlten natürlich auch die Übergänge zwischen beiden. Frühling und Herbst; so würde weder in der unorganischen noch in der organischen Natur solche Wechselwirkung und Tätigkeit herrschen können; die dazu nötigen Agentien und Kräfte: Licht, Feuchtigkeit, Wärme, Magnetismus, Elektrizität würden des Antriebes und Stoffes dazu ermangeln. Im Winter sammeln sich die Stoffe an, die chemischen und andere Kräfte sind weniger tätig; der, zur organischen Entwicklung nötige Umsatz geht nur langsam von Statten; bis sie im beginnenden Sommer oder Frühling mit verjüngter und gestärkter Triebkraft zu neuer Tätigkeit erweckt werden. Ein immer andauernder Winter würde sie töten, ein immer andauernder Sommer sie erschöpfen.


16.
Dasselbe würde wiederum, wenn auch nicht in wenigen Jahren, so doch im Laufe der Jahrhunderte erfolgen, ohne den Klimawechsel, wodurch die nötigen Bedingungen wiederum nur noch in viel weiterem Umfange erfüllt werden.


17.
Hätte irgend ein Erdteil fortwährend viele Jahrtausende hindurch ein heißes, tropisches Klima, so würde er am Ende vollständig unfruchtbar werden und veröden. Die zur organischen Entwicklung nötigen Stoffe würden mehr und mehr zersetzt, verflüchtigt und am Ende vollständig erschöpft werden.


18.
Und hätte irgend ein Erdteil fortwährend ein Polarklima, so würde er im Laufe der Jahrtausende mit einer ungeheuren, Alles erstarrenden Eiskruste bedeckt werden. Und die Wirkung davon würde sich über einen immer größeren Teil der Erdoberfläche erstrecken, da natürlichen Gesetzen zufolge die Masse des Eises, sowohl in der Dicke und Höhe, als in der Fläche, und damit auch die Kälte immer zunehmen würde.


19.
Nehmen wir an, dass zuerst auch nur einige tausend Quadrat-Meilen oder ein rundliches Stück der Erdoberfläche von 3-4 Meridiangraden Durchmesser mit Schnee und Eis bedeckt sei, und dass dieses während eines Zeitraums von 30.000 Jahren - in Folge des daselbst ununterbrochen herrschenden Polarklimas - jedes Jahr durchschnittlich 1 Fuß in der Höhe und 240 Fuß oder 1/100 Meile nach der Fläche ringsum zunehme (welche Größen höchst wahrscheinlich eher zu klein als zu groß angenommen sind), so würde nach Verlauf jenes Zeitraums von 30.000 Jahren die Eismasse 30.000 Fuß oder über eine Meile hoch sein und einen Flächenraum von zirka 44 Meridiangraden Durchmesser, also von nahezu 300.000 Quadrat-Meilen bedecken.


20.
Die Polargegenden sind nicht so beschaffen, nicht mit solcher Eiskruste bedeckt, noch es je gewesen. Vielmehr finden sich dort Überreste tropischer Pflanzen und Tierarten in zahlloser Menge, woraus zu schließen, dass in denselben jetzigen Polargegenden einst ein tropisches Klima herrschte, und zwar noch vor nicht so übermäßig langer Zeit, da leicht vergängliche organische Teile, z. B. Fleisch und dünne Knöchelchen jener Tiere und ihrer Jungen noch in verhältnismäßig wohlerhaltenem Zustande vorgefunden werden.