Singvögel, Gattung Sänger (Sylvia)

Die Gattung Sänger (Sylvia), welche den geschätztesten aller Singvögel, die Nachtigall, enthält, ist eine der Gattungen, in welche neuere Naturforscher die von Linné aufgestellte Gattung Bachstelze geteilt haben; außer der genannten gehören dahin noch die Gattungen Bachstelze (im engern Sinne), Steinschmätzer, Flüevogel, Schlüpfer und Goldhähnchen. Die Gattung Sänger enthält eine sehr große Menge von Arten, die sich sämtlich durch den mehr oder weniger vorzüglichen Gesang der Männchen auszeichnen und hinsichtlich ihrer äußern Bildung den Drosseln sehr ähnlich, nur kleiner und von zarterem Körperbau sind. Man zählt allein in Europa 37 Arten, von denen 25 in Deutschland vorkommen; nächst Europa enthält Nordamerika die meisten Arten, die sich von den europäischen, welche sämtlich sehr einfache dunkle Farbe haben, durch bunte und lebhafte Färbung unterscheiden, ihnen aber hinsichtlich des Gesangs weit nachstehen; noch unbedeutender ist der Gesang der in den Tropenländern heimischen Arten. Am besten teilt man sie in folgende fünf Familien: 1) Schilf- oder Rohrsänger, 2) Laubsänger, 3) Erdsänger, 4) Grasmücken, 5) Rötlinge, die sich weniger durch ihre Körperbildung als durch ihre Lebensart unterscheiden. Allen gemeinsam ist, dass sie lebhaft, aber ungesellig sind, viel hüpfen, sich von Insekten, Würmern und Beeren nähren, Zugvögel sind und paarweise leben; sie legen fünf bis sieben Eier, meistens jährlich zweimal, und beide Geschlechter sind wenig oder gar nicht verschieden.

Die Schilf- oder Rohrsänger lieben Rohr, Schilf und niedriges Gesträuch am Wasser, bauen ihre künstlichen Nester meistens zwischen Rohrstängeln und sind durch ihren Gesang weniger ausgezeichnet. Hierher gehört der Drosselrohrsänger, besonders in Holland häufig, der Sumpfrohrsänger, mit angenehmem flötenähnlichen Gesang, der Teichrohrsänger, der sein Nest nicht neben dem Wasser, sondern über dasselbe baut, der Binsen-, Fluss-, Busch- und Seggenrohrsänger uw.


Die Laubsänger leben meist im Gebüsch und auf Bäumen und bauen ihre künstlichen, zuweilen backofenförmigen Nester auf die Erde. Dahin gehört der Gartenlaubvogel, auch Spottvogel oder Bastardnachtigall genannt, eine der größten unter den in Deutschland einheimischen Arten, mit sehr schönem Gesange; der grüne Laubvogel, Weidenlaubvogel usw.

Die Erdsänger halten sich immer in der Nähe der Erde auf und lieben feuchtes und niedriges Gebüsch; ihr dichtes Nest bauen sie auf die Erde, auf alte Stämme und in Höhlen, seltener auf Büsche und Bäume. Hier ist vor allen die Nachtigall zu nennen, welche als Zugvogel in ganz Europa bis Schweden hinauf vorkommt, im August fortzieht (bis nach Ägypten und Syrien) und im April zurückkehrt; sie baut ihr Nest in dickes Gebüsch, brütet jährlich nur einmal und singt nur etwa zwei Monate, bis ihre Jungen ausgekrochen sind, länger jedoch in der Gefangenschaft, wo sie schon früh im Winter zu singen beginnt. Außer Insekten frisst sie auch Johannis- und Fliederbeeren. Merkwürdig ist die Verschiedenheit des Gesangs, die zwischen den Nachtigallen verschiedener Gegenden beobachtet wird, sowie auch verschiedene Nachtigallen in einer und derselben Gegend nicht selten sehr voneinander abweichen. Die Sprossernachtigall, auch Sprosser, große, wiener oder ungarische Nachtigall genannt, ist etwas größer und hat einen weit stärkern, aber weniger angenehmen Schlag; in Deutschland kommt sie nur in einigen Gegenden, häufiger im südöstlichen Europa vor. Die orientalische Nachtigall (Bulbul) ist eine Drosselart (Turdus melanocephalus) und gehört also nicht hierher. Das Rotkehlchen oder Rotbrüstchen, von der orangeroten Farbe der Kehle und Oberbrust so genannt, bleibt vom März bis zum Oktober oder November bei uns und findet sich in ganz Europa bis nach Norwegen; das Blaukehlchen hat eine schön lasurblaue Kehle, die aber nur dem Männchen eigentümlich ist, und ist nicht sehr häufig, kommt aber ebenfalls in ganz Europa vor.

Die Grasmücken sind den Erdsängern ähnlich und in Europa sehr häufig; sie bauen sehr leichte Nester ins Gebüsch und singen sehr fleißig. Von den vielen Arten nennen wir nur die graue Gattengrasmücke; die gemeine oder Dorngrasmücke; die Zaungrasmücke oder das Weißkehlchen; die Sängergrasmücke, auch Meistersänger genannt; die Mönchgrasmücke, auch Mönch genannt, durch die schwarze Kopfplatte, von der sie ihren Namen hat, und den trefflichen Gesang des Männchens ausgezeichnet, usw.

Die Rötlinge, so genannt von ihrem rostroten Schwanze, den sie beständig schütteln, leben in felsigen Gegenden, auf Mauern, Häusern und Brunnen und nisten in Höhlen und Mauerlöchern. In Europa kommen nur zwei Arten vor: der Gartenrötling oder das Baumrotschwänzchen und der Hausrötling oder das Hausrotschwänzchen, die sich beide weit nach Norden verbreiten.

003 Die Sänger