Napoleon und die Fürstin von Hatzfeld.*)

Bald nach dem Einzuge der französischen Armee in Berlin, am 28. Oktober 1806, ließ Napoleon den Fürsten von Hatzfeld verhaften, dem sein Schwiegervater, der Graf von Schulenburg-Kehnert, Staatsminister und Gouverneur von Berlin, bei der Räumung der Hauptstadt durch die preußischen Truppen die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten übertragen und der auch von den Franzosen die Zivilverwaltung der Stadt Berlin übernommen hatte.

Der Fürst war der Verräterei angeklagt, weil ein Brief von ihm an den König von Preußen aufgefangen worden war; indes war dieses Schreiben bereits am 24. Oktober Morgens, sieben Stunden bevor die französische Avantgarde Berlin erreichte, geschrieben worden und enthielt weiter nichts als die Meldung, er wisse von der französischen Armee nichts Offizielles, eine an den Magistrat der Stadt Potsdam gerichtete Ausschreibung abgerechnet, und jene Armee sei nach den eigenen Angaben der Franzosen 80.000, nach Andern aber noch nicht 50.000 Mann stark; dem Vernehmen nach wären die Pferde ihrer Kavallerie äußerst ermüdet. Etwas Verräterisches oder Straffälliges konnte demnach in diesem Schreiben gar nicht gefunden werden.


Gleichwohl schwebte die Familie des Fürsten nicht ohne Grund in großer Besorgnis im sein Schicksal, namentlich war die Fürstin außer sich; sie eilte sogleich selbst nach dem Schlosse, wo Napoleon seine Wohnung hatte, wurde von Duroc bei ihm eingeführt und flehte die Gnade des Kaisers an, die Unschuld ihres Gemahls beteuernd. Der Kaiser reichte ihr mit den Worten: „Sie kennen die Hand Ihres Gemahls und mögen selbst urteilen; ist dieser Brief von ihm, so ist er strafbar“, das Schreiben des Fürsten, und als die Fürstin darüber in der größten Bestürzung war, fügte er hinzu: „Nehmen Sie den Brief und werfen Sie ihn ins Feuer, dann habe ich keinen Beweis mehr gegen Ihren Gemahl, und er ist frei.“

*) Diese Abbildung ist aus dem bereits früher empfohlenen Werke: „Geschichte des Kaisers Napoleon von Laurent“ entlehnt, von welchem bis jetzt 22 Lieferungen erschienen sind (Leipzig bei Weber).

Natürlich säumte die Fürstin nicht, von der Erlaubnis, die ihr Napoleon gab, Gebrauch zu machen und den Brief zu vernichten, wozu ein im Zimmer vorhandenes Kamin Gelegenheit gab; der Marschall Berthier erhielt darauf sogleich Befehl, den Fürsten in Freiheit zu setzen. Kann man aber wohl geneigt sein, bei Berücksichtigung der vorwaltenden Umstände dem Kaiser diese Regung von Großmut sehr hoch Hinzurechnen, während im Gegenteil eine harte Behandlung des Fürsten und vollends die über ihn verhängte Todesstrafe als unverantwortliche Ungerechtigkeit hätte erscheinen müssen?