Isaak Newton, Alles wurde Licht

In einem kleinen Tale im Kirchspiel Colsterworth, unweit Grantham in der Grafschaft Lincolnshire, gegen 20 Meilen von London, steht das Herrenhaus von Woolsthorpe, wo der unsterbliche Newton geboren wurde. Das Gebäude an sich ist nicht geeignet, Aufmerksamkeit zu erregen, aber als der Geburtsort eines der scharfsinnigsten und verdienstvollsten Gelehrten nicht nur der neueren Zeit, sondern aller Zeiten kann es von allen Denen, welche Sinn für wissenschaftliche Größe haben, nicht ohne die lebhafteste Teilnahme betrachtet werden.

Isaak Newton wurde am 25. Dezember 1642 geboren, fast drei Monate nach dem Tode seines Vaters; seine Familie stammte nach Einigen aus Schottland und wohnte seit 1561 in Woolsthorpe. Anfangs war er sehr schwächlich, sodass man wenig Hoffnung hatte, ihn am Leben zu erhalten, überwand aber, als er älter wurde, immer mehr und mehr die Schwäche seiner Konstitution. Seit seinem zwölften Jahre besuchte er die gelehrte Schule zu Grantham und zeigte hier zwar viel Lebhaftigkeit und schnelle Fassungskraft, aber ohne sich gerade besonders auszuzeichnen; nur für Mechanik legte er eine seltene Anlage an den Tag und beschäftigte sich am liebsten mit Verfertigung kleiner Windmühlen, Sonnen- und Wasseruhren und ähnlicher Modelle. Er selbst erzählte später oft, er sei in der Schule sehr nachlässig gewesen und habe in seiner Klasse stets einen sehr niedrigen Platz gehabt, bis ihn einmal ein über ihm sitzender Mitschüler beleidigt habe; dies habe ihn zu dem Entschlusse gebracht, sich an ihm nicht bloß durch Tätlichkeiten, sondern auf eine edlere Weise, nämlich dadurch zu rächen, dass er es ihm in den Studien zuvorzutun suchte; von dieser Zeit an verdoppelte er seinen Fleiß mit gutem Erfolge. Gleich: wohl hatte ihn seine Mutter zur Leitung ihrer ländlichen Wirtschaft bestimmt und konnte nur durch das Zureden ihres Schwagers, der das Talent seines Neffen besser zu würdigen wusste, bestimmt werden, ihn wieder auf die gelehrte Schule, von der sie ihn bereits entfernt hatte, zu bringen.


Im Jahr 1660 bezog er die Universität Cambridge und legte sich hier mit dem größten Eifer auf die abstrakten Wissenschaften, Philosophie und Mathematik. Die Pest, welche im Jahr 1665 in ganz Europa so große Verwüstungen anrichtete, nötigte ihn, in diesem Jahre Cambridge zu verlassen und sich auf seine Besitzung zu Woolsthorpe zurückzuziehen, die er zwei Jahre zuvor von seiner Mutter geerbt hatte. Damals soll, während er in seinem Garten unter einem Apfelbaume, der noch jetzt gezeigt wird, saß und der Ursache nachdachte, die den Mond am Himmel schwebend erhält, ein Apfel, der neben ihm herabfiel, ihn zuerst auf die Theorie von der Gravitation oder allgemeinen Schwere, die seinen Namen ganz eigentlich unsterblich gemacht hat, geführt haben. Freilich ist dies nichts als eine Sage, eine Überlieferung, deren Wahrheit aus mehren Gründen, unter denen das gänzliche Stillschweigen seiner Zeitgenossen nicht der geringste ist, sehr bezweifelt werden muss. Im Jahre 1666 konnte Newton wieder nach Cambridge zurückkehren und hatte sich schon durch drei große Entdeckungen in den Gebieten der Physik, der Analysis und der Optik unsterblich gemacht, bevor er im Jahr 1669, in seinem 27. Jahre, eine Professur erhielt. Er fuhr in diesem Amte fort, die mathematischen und physikalischen Wissenschaften mit Entdeckungen und Forschungen zu bereichern, deren Wichtigkeit näher zu erörtern hier nicht der Ort ist, die aber zu dem Außerordentlichsten gehören, was jemals in diesen Wissenschaften geleistet worden ist. Seinem stillen wissenschaftlichen Leben wurde der große Mann im Jahr 1696 durch seine Ernennung zum Münzwarde entrissen, da dieses Amt ihn nach London berief und dem Strudel des politischen Lebens näher führte.

Im Jahr 1703 wurde er Präsident der königlichen Sozietät der Wissenschaften, deren Mitglied er 1672 geworden war; auch saß er mehrmals als Vertreter der Universität Cambridge im Parlamente. Er beschäftigte sich in seiner neuen Stellung sehr eifrig auch mit chemischen Untersuchungen, hatte aber das Unglück, bei einer Feuersbrunst sein Laboratorium und einen großen Teil seiner Manuskripte zu verlieren. Dieser Unglücksfall soll nicht nur auf seine Gesundheit, sondern auch auf seine Geisteskräfte nachteilig gewirkt haben; wenigstens scheint er seitdem den Wissenschaften ziemlich abgeneigt gewesen zu sein. In den letzten zehn Jahren seines Lebens beschäftigte er sich, wie es scheint, mit Mathematik gar nicht mehr, desto mehr aber mit religiösen Betrachtungen, indes sind seine dem Gebiete der Theologie angehörigen Arbeiten unter allen seinen Leistungen am mindesten bedeutend, um nicht zu sagen, ganz wertlos, und können füglich der Vergessenheit anheimfallen. Kurz vor seinem Tode zog sich Newton nach Kensington bei London zurück, wo er am 20. März 1727 nach kurzer Krankheit im 85. Jahre seines Lebens starb. König Georg I. befahl, seinen Leichnam auf einem Paradebette auszustellen und in der Westminsterabtei beizusetzen, wo ihm seine Familie, der Newton ein sehr ansehnliches Vermögen hinterlassen hatte, 1731 ein prächtiges Denkmal errichten ließ. Außerdem wurde ihm 1755 im Trinitycollege zu Cambridge eine Marmorstatue errichtet.*)

Newton war von mittlerer Statur und angenehmem, freundlichem Äußern; aber von dem Scharfsinne, der ihn auszeichnete, war in seinem Auge und seinem ganzen Wesen, das etwas Langsames und Schlaffes hatte, nichts zu entdecken. Sein Charakter war sanft und gleichförmig; in Gesellschaft war er sehr zurückhaltend und außerordentlich zerstreut, wovon viele seltsame Beispiele erzählt werden. So vertiefte er sich oft so in seine Forschungen, dass er die Zeit des Mittagsmahls vorübergehen ließ und nachher öfter in Zweifel war, ob er bereits gegessen habe oder noch nicht. Verheiratet war Newton nie; für Liebesglück und eheliche Freuden hatte der große Mann keine Zeit, vielleicht auch keinen Sinn, wiewohl er auf der gelehrten Schule zu Grantham in vertrautem Verhältnisse zu einer Miß Stovey gestanden oder doch Neigung für sie empfunden haben soll; fast 20 Jahre lang lebte er mit seiner Nichte zusammen, die an einen gewissen Conduit verheiratet war, der nachher Newtons Biograph wurde.

Das Landhaus in Woolsthorpe wird noch jetzt von der Familie Turner, in deren Besitz es sich seit 1732 befindet, in seinem ehemaligen Zustande erhalten; im Jahr 1798 wurde bei Gelegenheit, einer Reparatur in dem Zimmer, wo Newton geboren war, eine Marmortafel mit folgenden Versen Popes befestigt:

In Dunkel lag begraben Natur und ihr Gesetz,
Gott sprach, es werde Newton, und Alles wurde Licht.