Automaten und Androiden

Automaten heißen diejenigen Maschinen oder sich bewegenden leblosen Gegenstände, welche die bewegende Kraft in sich versteckt haben und sich daher von selbst zu bewegen scheinen; wenn sie die Gestalt eines Menschen haben und menschliche Handlungen verrichten, so nennt man sie auch Androiden. Die bewegenden Mittel bestehen in der Regel in Federn und Gewichten, welche wegen des kleinen Raums, den sie einnehmen, leicht verborgen werden können.

Schon die Alten kannten Automaten. Der älteste Automat, dessen Erwähnung geschieht, war die hölzerne Taube des um 400 v. Chr. lebenden pythagoräischen Philosophen Archytas aus Tarent, welche nach der Angabe des Gellius fliegen konnte. Ferner erwähnt Pausanias einen sich bewegenden ehernen Adler, Polybius eine kriechende Schnecke des bekannten athenischen-Redners und Staatsmanns Demetrius Phalereus, Achenäus einen Androiden des Ptolemäus Philadelphus, Königs von Ägypten. Im Mittelalter ist von einem redenden ehernen Haupte, das der Mönch Roger Baco verfertigt haben soll, die Rede; der als Schwarzkünstler berühmte Philosoph Albert der Große, Graf von Bollstädt (1193 — 1280) soll eine menschliche Figur verfertigt haben, welche den Besuchenden die Türe öffnete, sie begrüßte und scheinbar anredete, worüber der gleichfalls berühmte scholastische Philosoph Thomas von Aquino so erschrocken sein soll, dass er den Kopf der Figur zerschlug; dies soll dem Verfertiger derselben die Klage entlockt haben, dass nun die Arbeit von 30 Jahren vernichtet sei.


Der ausgezeichnete Mathematiker Johannes Müller, bekannt unter dem Namen Regiomontanus, verfertigte unter andern eine Fliege, die auf dem Tische herumlief, und einen Adler, welcher auf dem Tore zu Nürnberg angebracht wurde und den Kaiser Maximilian II. bei seiner Ankunft in dieser Stadt im Jahr 1570 durch eine Bewegung der Flügel und des Kopfes begrüßte. Kaiser Karl V. fand in der letzten Zeit seines Lebens an Kunstwerken dieser Art großes Vergnügen. Als Verfertiger von Automaten machten sich in frühern Zeiten noch bekannt: Bullmann in Nürnberg, dessen Figuren hin und her gingen und nach dem Takte Pauken schlugen und die Laute spielten; Schlottheim in Augsburg, welcher 1581 für Kaiser Rudolf II. eine automatische Galeere verfertigte; Achilles Langenbucher, der nach Vollendung einer Orgel, welche die aus 2.000 Takten bestehende Vesperbegleitung selbst spielte, wegen seiner Geschicklichkeit im Jahr 1610 das Bürgerrecht in Augsburg erhielt. Schon im 15. Jahrhundert soll ein Töpfer in Rom einen Flötenspieler verfertigt haben; 1688 verfertigte der französische General Graf Genner einen Pfau, welcher ging und fraß; der Missionar Thibaut fertigte für den Kaiser von China einen gehenden Löwen und dergleichen Tiger u. s. w.

In der neueren Zeit haben namentlich die Automaten Vaucansons, der beiden Droz und Kempelens großes Aufsehen erregt. Vaucanson (geboren zu Grenoble 1709, gestorben zu Paris 1782) zeigte 1738 zu Paris seinen Flötenspieler, eine 5 1/2 Fuß hohe Figur, die auf einem Piedestale saß, in welchem der Mechanismus enthalten war; diese Figur legte die Flöte an die Lippen, bewegte diese und die Finger regelmäßig, brachte gute und deutliche Töne hervor und spielte mehre Stücke. Ein anderer Automat spielte auf einer Schäferflöte, die er in der linken Hand hielt, und schlug mit der rechten den Takt dazu auf einem Tambourin. Ein drittes Kunstwerk, 1741 verfertigt, bestand in einer Ente von bronziertem Kupferbleche, welche mit den Flügeln schlug, den Hals ausstreckte, vorgestreutes Korn fraß und nach einiger Zeit wieder von sich gab. Den Verfertiger dieser Kunstwerke, deren Mechanismus aus zahllosen Ketten, Federn und Hebeln bestand, wollten die Seidenarbeiter in Lyon nach seiner Ernennung zum Inspektor der Seidenmanufakturen steinigen, weil sie durch seine Maschinen Nachteil zu leiden fürchteten; zur Strafe dafür verfertigte er die Figur eines Esels, der eine Art geblümtes Zeuch webte.

Noch kunstvoller sind diejenigen Automaten, welche die beiden Jacquet Droz, Vater und Sohn, aus Chaur de Fonds im schweizer Kanton Neuschatel (der ältere, Pierre, geboren 1721, gestorben 1790, der jüngere, Henri Louis, geboren 1752, gestorben 1791), verfertigten. Unter den von ihnen verfertigten Androiden sind zu bemerken: die sitzende Figur eines zweijährigen Kindes, das zusammenhängende französische Worte schrieb, dabei die Feder eintauchte, die Linien absetzte und nach jedem Worte auf eine Vorschrift sah; der Zeichner, gleichfalls von der Größe eines zweijährigen Kindes, welcher mit Bleistift zeichnete und von Zeit zu Zeit den Bleistiftstaub wegblies; ein anderer Zeichner von der Größe eines erwachsenen Mannes, der mit einem Metallstift auf Pergament mehre verschiedene Zeichnungen hintereinander zeichnete und nach Vollendung jeder einzelnen so lange malte, bis ein neues Stück Pergament untergelegt wurde; die Klavierspielerin, ein junges Mädchen, das verschiedene Stücke auf dem Klavier spielte, dem Notenblatte mit Kopf und Augen folgte, nach geendigtem Spiele aufstand und die Gesellschaft grüßte u. s. w. Ein von dem jüngeren Droz gefertigtes Kunstwerk bestand in einer Schnupftabaksdose, die einen kleinen, nur Zoll langen Vogel von grün emailliertem Golde enthielt, welcher auf einem goldenen Tischchen sitzend den Schwanz bewegte, mit den Flügeln schlug und einen melodischen Gesang hören ließ. Auf einer Uhr, welche beide Künstler dem Könige von Spanien überreichten, befand sich ein blökendes Schaf und ein Hund, der einen Korb mit Früchten bewachte und bellend aufstand, wenn Jemand denselben wegzunehmen versuchte.

Um dieselbe Zeit machte der Ungar Wolfgang von Kempelen (geboren zu Presburg 1734, gestorben zu Wien als Hofrat und Referendar bei der dasigen ungarischen Hofkanzlei 1804) durch seine Sprachmaschine und mehr noch durch seine Schachmaschine das größte Aufsehen. Die erstere, 1778 erfunden, bestand in einem viereckigen, drei Fuß langen, einen Fuß breiten hölzernen Kasten, worin durch einen Blasebalg, verschiedene Klappen u. s. w. die Stimme eines drei - bis vierjährigen Kindes nachgeahmt wurde. Ähnliche Maschinen sind später auch von Andern verfertigt worden, z. B. von Mical, Kratzenstein, Posch, größtenteils mit geringem Erfolge. Die noch rätselhaftere Schachmaschine, welche der Verfertiger im Jahr 1769 der Kaiserin Maria Theresia zum ersten Male zeigte, bestand aus einem türkisch gekleideten Manne von natürlicher Größe, welcher vor einem 3 1/2 Fuß langen, 2 1/2 Fuß breiten, an den Füßen mit Rollen versehenen Tische saß und auf demselben Schach spielte. Die Maschine spielte mit den geschicktesten Spielern und gewann fast immer, wobei der Erfinder immer gegenwärtig war; ob dieser selbst das Spiel leitete, wiewohl keine direkte Einwirkung desselben wahrzunehmen war, oder ob ein anderer Mensch in der Maschine anwesend war, ist nicht auszumitteln gewesen; das eine Menge Räder, Hebel, Federn und Ketten enthaltende Innere der Maschine zeigte der Erfinder Jedem bereitwillig, nur dann nicht, wenn die Maschine spielte. Die Meinung, dass der Magnetismus bei derselben eine Rolle gespielt habe, ist völlig grundlos; dagegen ist es gar nicht anders denkbar, als dass ein Mensch fortwährend die Maschine regierte, weil die große Mannigfaltigkeit der Züge des Schachspiels und die immer wiederholte Überlegung, welche dieselben erheischen, eine bloß mechanische Tätigkeit völlig ausschließen; auch soll der Erfinder selbst eingestanden haben, dass ein großer Teil des Wunderbaren auf der Geschicklichkeit beruhe, womit er die Zuschauer zu täuschen gewusst habe. Übrigens befand sich die Maschine 1812 zu Mailand, 1819 zu London und 1822 zu Paris; was später aus ihr geworden, ist nicht bekannt.*) Eine andere Schachmaschine zeigte später der Uhrmacher Bayer aus Neuburg; sie bestand in einer vier Fuß hohen Puppe, die durch verborgene Hebel von dem in einem Nebenzimmer befindlichen und durch feine Wandritzen das Schachbrett beobachtenden Erfinder regiert wurde.

*) Eine Abbildung und ausführlichere Beschreibung dieser Maschine ist in Nr. 70 des Pfennig-Magazins enthalten.

Viel Aufsehen machten vor einiger Zeit in London die Automaten des Schweizers Maillardet, besonders eine weibliche Figur, welche atmete, Kopf, Augen und Körper natürlich bewegte und auf dem Fortepiano 18 verschiedene Tenstücke spielte. Unter den neuesten Automaten sind Siegmeiers Flötenspieler und die Trompeter Mälzls und Kaufmanns zu erwähnen. Der letztere besteht in einer menschlichen Figur in Lebensgröße, die in der rechten Hand eine Trompete hält, welche auf das im Munde befestigte Mundstück geschoben wird; am Kopfe und verschiedene, durch Klappen verschlossene messingne Röhren für die tiefren und höheren Töne, in der Brust aber ein Blasebalg befindlich, der die Luft ungewöhnlich stark komprimiert, sodass diese in die Röhren dringend einen vollständigen Trompeten-Ton hervorbringt. Wohlklingender, aber als automatische Kunstwerke weniger merkwürdig sind zwei andere von demselben Künstler verfertigte musikalische Instrumente, von denen das eine ein Fortepiano mit einem Flötenregister vereinigt und selbst größere Musikstücke sehr schön und vollständig vorträgt. Endlich verdient noch eine automatische Vase Erwähnung, welche von Frizard in Biel für den damaligen ersten Konsul Bonaparte verfertigt wurde, und welche sich, wenn man eine Feder berührt, zu einem Palmbaum entfaltet, unter welchem eine spinnende Schäferin sitzt.