Das Löschen — eine brennende Frage aus der Geschichte der Feuerwehr.

Aus: Die Gartenlaube, Illustriertes Familienblatt. Nr. 1. 1864. – Herausgeber Erst Keil.
Autor: Redaktion: Die Gartenlaube. Otto Faber, Erscheinungsjahr: 1864

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Feuerwehr, Brandschutz, Opferwilligkeit, Tatkraft, Willenskraft, Feuerlöscher, Wasserspritze, Feuer, Flammen, Feuerwehren, Berlin, Paris, London, Petersburg, Moskau,
Inhaltsverzeichnis
  1. Erste Fortsetzung
Der Gemeinsinn, jener Grundpfeiler einer tüchtigen Selbstregierung, jener Prüfstein freiwilliger Aufopferung, gegenüber dein vornehmen Zurückziehen, der Faulheit und Gleichgültigkeit, wenn es sich darum handelt, das liebe eigene Ich im Dienste der Gemeinde wie des Vaterlandes zu betätigen, dieser Gemeinsinn hat unstreitig in neuerer Zeit in unserem Volke mächtig Wurzel geschlagen und treffliche Erfolge zu Tage gefördert.

Ohne regen Gemeinsinn kein blühendes Gemeindewesen, und ohne dieses kein starkes, kräftiges Vaterland. Nichts ist daher wohl wichtiger, als allerwegen die Lust und Liebe am allgemeinen Tun anzuregen und zu fördern; denn dadurch wird das Volk zu derjenigen Selbstständigkeit erzogen, deren es bedarf, um mit Mut und Ausdauer der sich gestaltenden neuen Zeit entgegenzugehen und an dieser Neugestaltung selbst den so überaus nötigen eigenen Anteil zu nehmen.

Zu denjenigen Institutionen, welche, auf wahren, echten Gemeinsinn basierend, Opferwilligkeit, Tat- und Willenskraft erfordern und gleichzeitig im Dienste der Humanität stehen, gehören unstreitig die freiwilligen Feuerwehren. Diese Genossenschaften, die in der neueren Zeit, besonders in Folge des sich immer mehr und mehr ausbreitenden Turnwesens, in vielen Orten unseres deutschen Vaterlandes entstanden oder im Entstehen begriffen sind, können nicht genug der allgemeinen Beachtung und Nachahmung empfohlen werden. Denn vielleicht auf keinem Gebiete der öffentlichen Wohlfahrt ist eine gründlichere Verbesserung nötig, als gerade bei dem Feuerlöschwesen, das sich leider in nur wenig Fällen einer besonderen Aufmerksamkeit der Bevölkerung wie der Behörden zu erfreuen hat. Indifferentismus, Festhalten am Althergebrachten und die Scheu vor einigen, häufig gar nicht bedeutenden, Geldkosten bilden in der Regel das Trifolium einer geschlossenen Phalanx gegenüber den sich etwa gellend machenden Bestrebungen nach Verbesserung. „Wozu brauchen wir die Neuerungen? Unsere Anstalten genügen vollkommen, und am Ende erleben wir ja nur selten ein Brandunglück. Weshalb sollen wir uns also der Mühe neuer Einrichtungen unterziehen und obendrein Geld dafür verwenden, das wir für andere Zwecke nötig haben?"

So räsoniert man beim Bierglase und begibt sich, eben als der Nachtwächter den stereotypen Bars „Bewahret das Feuer und das Licht" etc. absingt, zur gewohnten Ruhe. Da, plötzlich, mitten im tiefsten Schlafe ertönt schauerlich die Sturmglocke! Erschreckt stürzen die Einwohner aus ihren Häusern. Ein Schrei des Entsetzens lässt sich überall vernehmen, denn es brennt an der gefährlichsten Stelle. Mit rasender Schnelligkeit verbreitet sich die Flamme und vernichtet Hab und Gut, Jetzt endlich langt die erste Spritze an, ein wahres Ungetüm, welches die Jahreszahl 1783 trägt, andere folgen, und mit einiger Ruhe sieht man nun den Ereignissen entgegen. Aber leider leistet nur eine einzige Spritze gute Dienste, während die andern wegen ihrer Untauglichkeit nach kurzer Zeit ihre Tätigkeit eingestellt haben und sogar teilweise von der Bedienungsmannschaft verlassen sind. Alles rennt durcheinander, Jeder sucht seine Habe in Sicherheit zu bringen, denn schon hat sich die Flamme bis zum Mittelpunkt des Ortes ausgebrütet. Unter solchen Umständen, und weil es leider auch an Wasser und Mannschaft fehlt, muss die einzige Spritze, die der Weiterverbreitung des Feuers einen Damm entgegensetzen könnte, ihre Tätigkeit einstellen und sich schleunigst zurückziehen. So ergreift das Feuer Kirche und Rathaus, ja selbst die geretteten Gegenstände, welche man an einem sichern Ort wähnte. In wenigen Stunden ist der Ort bis auf einzelne Häuser ein Schutthaufen. Weinend und wehklagend stehen die Einwohner auf dem Platze der Vernichtung, trüben, bekümmerten Blickes in die düstere Zukunft schauend, der allgemeinen Mildtätigkeit anheimgegeben. Und glücklich noch mögen sie sich bei all' dem Elend schätzen, wenn keiner von ihnen den schrecklichen Tod in den Flammen gefunden hat.

All' dies Unglück ist zum guten Teil die Folge von Sorglosigkeit und Mangel jeder dem billigsten Verlangen nur einigermaßen entsprechenden Organisation. Deshalb sollte jede Gemeinde darauf bedacht sein, bei guter Zeit die nötigen Sicherheitsmaßregeln durchzuführen, und nicht erst warten, bis das Sprichwort: Durch Schaden wird man klug, sich an ihr zu erproben sucht.

Die Hauptbedingungen einer tüchtigen Feuerwehr sind in einer wohlorganisierten, disziplinierten Mannschaft, unter einheitlicher Leitung, zu suchen. Dieser müssen dann brauchbare Geräte und namentlich hinreichendes Wasser zu Gebote stehen. Dass nur auf diese Weise tüchtige Resultate zu erlangen sind, dürfte jedem Einsichtigen klar sein. Wer aber noch daran zweifeln sollte, der gebe sich nur die Mühe, die Leistungen einer gut organisierten, streng disziplinierten und wohlausgerüsteten Mannschaft mit denen einer zusammengewürfelten Masse zu vergleichen, und er wird sehr bald zur Erkenntnis gelangen.

Hinsichtlich der Löschgeräte soll man alles Komplizierte vermeiden, und sich an das Einfache, Praktische halten. Ebenso einfach sei die Kleidung. Wenn es die Mittel erlauben, dass die Mannschaft, namentlich im Winter, mit einer Tuchjoppe versehen werden kann, dann um so besser. Wo dies nicht tunlich, muss eine Blouse aus derbem Leinenzeug, unter welcher man ein warmes Unterkleid tragen kann, den Dienst verrichten. Als Kopfbedeckung wähle man den Helm. Alle überflüssigen Abzeichen sind entschieden zu vermeiden. Die Mannschaft selbst aber darf nicht aus zu jungen Leuten bestehen. Das 18. oder 20. Lebensjahr muss jeder Eintretende erreicht haben und außerdem die erforderliche körperliche Tüchtigkeit besitzen. Besonders möge man darauf sehen, sich einen Stamm von solchen Leuten zu bilden, die ihren dauernden Wohnsitz im Orte selbst haben. Endlich sollen sich auch die intelligenten und durch ihre Verhältnisse unabhängigen Ortsangehörigen bei der Feuerwehr beteiligen; denn gerade sie sind es, welche in einer derartigen Genossenschaft besonders segensreich wirken können. Leider aber hat man in diesen Kreisen häufig mehr schöne Worte als Taten. Hat sich nun ein Stamm von Männern zu einer solchen freiwilligen Genossenschaft vereinigt, dann entwerfe man ein aus wenigen Paragraphen zusammengesetztes Grundgesetz nebst den nötigen Disziplinarbestimmungen und setze sich alsbald mit den Behörden in Verbindung, deren Unterstützung unter allen Verhältnissen notwendig ist. —

Der Impuls zu Gründung freiwilliger Feuerwehren ist schon vor länger als einem Jahrzehnt von Süddeutschland (besonders von Schwaben) aus gegeben worden. Von dort hat sich die Bewegung nach Mittel- und in jüngerer Zeit nach Norddeutschland verpflanzt. Auch in Österreich ist man neuerdings mit Gründung solcher Genossenschaften vorgegangen, deren Beispiel sicherlich Nachahmung finden wird. Vor Allem aber hat die Bewegung in den Turnvereinen Grund und Boden gefasst und sich mit deren Verallgemeinerung vergrößert. Die Turngenossen eignen sich ganz besonders zu Feuerwehren; denn einmal haben sie Gelegenheit, die auf dem Turnplatze erworbene körperliche Kraft und Gewandtheit, Tat- und Willenskraft in der Praxis zu betätigen, und dann ist in dem öfteren gemeinschaftlichen Zusammensein auf dem Turnplätze ein Bindemittel gegeben, welches für die Disziplin wie für das überaus wichtige sich gegenseitig in die Hand Arbeiten eine große Bedeutung hat.

Überhaupt muss die Turnerei mit den aus ihr gebildeten Feuerwehren als eine Hauptschule des Gemeinsinns betrachtet und darum ihre immer weitere Verbreitung mit allen Kräften angestrebt werden.

Russland, Feuer-Signalturm in Moskau

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Danzig, Feuerwehr im Stadthof

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Feuerwehr, Automobil-Dampfspritze

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Feuerwehr, Automobil-Gasspritze

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Feuerwehr, Der fertige Löschzug im Augenblick des Ausrückens

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Feuerwehr, Die Dampf-Feuerspritze

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