Freie Liebe und eheloser Sexualverkehr

Freie Liebe und eheloser Sexualverkehr.

Von einer freien Liebe im Sinne unserer Moderne kann im Orient bei der Stellung, die dort die Frau einnimmt, wohl schwerlich die Rede sein. Von den Völkern des Altertums, die ich bereits in früheren Kapiteln behandelt habe — ich will nur an die Massageten, die Ichthyophagen usw. erinnern — darf ich hier wohl völlig absehen, weil da, wo keine bestimmte Eheform besteht, die Gesellschaftsehe herrscht, also doch etwas, das ganz wesentlich verschieden ist von dem, was man freie Liebe nennen dürfte, wenn man darunter ein Verhältnis verstehen will, das von der allgemein anerkannten und gesetzlichen Form der Ehe abweicht, also eigentlich eine Ehe auf unbestimmte Zeit ist und vor allen Dingen ohne irgend welche Formalitäten, lediglich auf freie Vereinbarung eingegangen wird, wenn man den etwas paradoxen aber richtigen Ausdruck gebrauchen will, eine Ehe ohne Ehe. Eigentlich würde das ein Konkubinatsverhältnis sein; die freie Liebe unterscheidet sich aber von diesem wieder dadurch, daß das Konkubinatsverhältnis nur den Zweck hat, den sexuellen Verkehr zu pflegen, während die freie Liebe wirklich eine Ehe ohne Ehe, also ein Band ist, das nicht bloß die sexuelle Befriedigung bezweckt, sondern auch geistig ein Verein ist, dem also nichts zu einer richtigen Ehe fehlt als die gesetzliche Form ihrer Schließung.




Man kann darüber sehr wohl streiten, ob für ein solches Verhältnis bei uns ein plausibler Grund vorliegen kann, da doch zwei Personen, die den festen Willen haben, ein solches Verhältnis einzugehen, wahrlich alle Veranlassung haben müssen, auch öffentlich diesen Bund als einwandsfrei anerkannt zu sehen, zumal durch unsere Ziviltrauung auch der früher häufig vorhanden gewesene Grund, daß wegen der Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses eine gültige Ehe nicht geschlossen werden konnte, überhaupt nicht mehr existiert. Im Orient ist für die freie Liebe im allgemeinen erst recht kein Boden. Die Frau spielt selbst in der Ehe in den meisten Gegenden nicht die Rolle, die es ihr ermöglichte, im abendländischen Sinne die Genossin ihres Mannes zu sein; sie würde in einem Verhältnis der freien Liebe fast überall völlig undenkbar sein. Ja, warum bringe ich dann diesen Gedanken in das orientalische Liebesleben hinein?

Es hat gleichwohl auch im Orient so mancher Roman sich abgespielt, still und verschwiegen, wie das Feuer unter der Asche glimmt, bis es ein frischer Windhauch zur Flamme anfacht, die weithin sichtbar ist. Das ist für das stille Feuer und für die stille Liebe die Minute der Gefahr, denn das, was verborgen bleiben sollte und doch plötzlich entdeckt wird, das wird angegriffen und vernichtet. Im Orient ist ein solcher Roman schwer möglich, weil die Weiber und Mädchen sich nicht der Freiheit erfreuen, die solche Affären begünstigt; aber die Liebe ist erfinderisch. Sie findet Wege und Mittel, wo beide unmöglich erscheinen. Meist sind es Herzensbündnisse, die zwischen Personen verschiedenen Glaubens geschlossen werden. Ist der Mann Mohammedaner, die Geliebte vielleicht eine Christin, so hat das nicht viel zu sagen, wenigstens würde daraus noch kein Ehehindernis entstehen, wenn die Christin so weit über sich verfügen darf, daß sie dem Geliebten folgen will. Sie kann seine Gattin werden, und es ist selbst die Möglichkeit gegeben, daß sie die einzige bleibt, wenn der Mann dazu den Willen hat. Viel schwerer liegt die Sache, wenn der Christ die muselmännische Tochter liebt. Sie wird ihm schwerlich anvertraut, denn für den Türken ist er ein Christenhund, dem man nach dem Leben trachtet, wenn er es sich etwa in den Sinn kommen läßt, die Hand nach einer „Gläubigen“ auszustrecken. Ich sage dies natürlich ganz allgemein und lasse die Ausnahmefälle, die in unserer Zeit viel leichter vorkommen können, nur diese Regel bestätigen. Viel schwieriger lagen die Verhältnisse in früheren Zeiten, in denen doch auch bei uns die religiöse Verschiedenheit noch gesetzlicher Hinderungsgrund war. Selbst in christlichen Ländern wäre das bloße Liebesverhältnis zwischen Gläubigen und Ungläubigen ein Kapitalverbrechen, eine Ehe etwas völlig undenkbares gewesen. Das Satirische ist dabei, daß der Mohammedaner den Christen, der Christ den Mohammedaner für ungläubig erklärte, weil eben beide ihren Glauben für den allein richtigen hielten. Es ist schwer zu sagen, auf welcher Seite der größte Fanatismus bestand. Dieser Fanatismus hat freilich niemals zu verhindern gewußt, daß sich Herz zum Herzen fand, denn die Liebe pflegt denn doch nicht danach zu fragen, in welchem Dogma der Gegenstand der Liebe erzogen ist, weil immer die Liebe das Natürliche, das Dogma oder die Konfession aber nur etwas Willkürliches ist. Das hat allerdings die irdische Gerechtigkeit nicht anerkannt, sie ist den abscheulichsten Vorurteilen gefolgt und hat diese stets über den klaren Menschenverstand erhoben.



Ich will ein Beispiel geben, dessen Stiefler in seinem „Geistlichen Historien-Schatz“ gedenkt; es heißt da: „Vor etlichen Jahren trug sichs zu Constantinopel zu, daß eine Türckische junge Witfrau Lust zu eines Griechen Sohn bekahm, welchen sie durch heimliche Anstellung zu sich forden ließ, und ihr Gemüth entdeckt Der Jüngling schlug auch nicht schlim bey und trieben sie Unzucht miteinander etlichemahl. Nun waren zu beiden Theylen die Eltern noch am Leben, welchen das böse Geschrey übel gefiel, sonderlich der Türckin Vater, der ein reicher vornehmer Mann war. Die Wittibe begehrte den Griechen zur Ehe, so wider ihr Gesetz und keineswegs geschehen konnte, der Grieche würde dann zuvor ein Türck, welches er nicht gedachte zu thun. Ward dennoch wegen der Frauen Vater die Schwängerung in eine Geldbuße bei der Obrigkeit gemittelt, und ihr, wie auch dem Gesellen, bey höchster Strafe au ff erlegt, hinführo einander müßig zu gehen. Dem Weibe aber war es nicht möglich, wurden also über verhoffen beysammen in unkeuscher Brunst gefunden, und gefänglich eingezogen. Der Witwen Vater wollte sich seiner Tochter nicht mehr annehmen, so war der Grieche wegen Armuth seiner Eltern auch Hülfloß, und weil er sich zum Mohametischen Glauben nicht bekennen wolte, sie zu nehmen, mußte die Obrigkeit ihr Ambt thun, welches der Wittiben Vater selber begehrte. Wurden also diese beyde aus dem Kerker geführet, das Weib fürwärts, der Grieche rücklings auf einem Esel gebunden, ihr den Zaum, ihm den Schwantz in die Hand gegeben, durch die vornehmste Gassen der gantzen Stadt Constantinopel geführet, Männiglich zum Exempel gewiesen, biß sie endlich über den Fischmarckt zum Thor hinaus aufs Meer, allwo eine Gericht-Stelle aufgebauet, gebracht worden, da machte man sie beyde ledig. Und zwar nahm man zuerst den Griechen, zog ihn fasenacket aus (doch blieb die Scham mit einem Tuch bedecket) band ihm Hände und Füße auf dem Rücken zusammen, henckt ihn lebendig am Galgen, in einem eisernen Hacken; der ihm auf der Seiten durch die Rippen ging, daß er noch alles sehen konnte, was man mit seiner Buhlschafft würde vornehmen. Da die Türckin diese schreckliche Straffe sähe, ruffte sie ihm zu, er solte gedultig seyn. Aber man ließ sie nicht viel Worte machen, sondern fuhr auch mit ihr fort, band ihr die Augen zu, und ersäuffte sie im Meer, lieferte nachmahls den todten Körper der Freundschafft. Der Grieche mußte solchem Jammer zuschauen, mit großen Schmertzen, wäre zwar gerne tod gewesen, aber konnte nicht sterben, denn das Hertz war noch frisch im Leibe. Es ward auch das Gericht alsbald durch etliche Wächter besetzt, daß nur dem armen Sünder nicht vergeben möchte werden. Als er nun drey Tage und Nacht in unsäglicher Pein halb tod und halb lebendig hing, ist ein Wächter durch des Griechen Freunde bestochen worden, welcher ihm Gifft in einem Schwamm, anstatt Essigs beybracht, daran er den vierdten Tag gestorben.“

Die Geschichte zeigt, daß in Liebesaffären keineswegs zu spaßen war. Daß der türkische Vater noch Erbarmen hatte, als seine Tochter zum ersten Male mit dem „ungläubigen Hunde“ erwischt worden war, ist eine besondere Milde, auf die durchaus in solchen Fällen nicht zu rechnen war. Recht sonderbar berührt die Bemerkung, daß nach der zweiten Entdeckung der Grieche wegen der Armut seiner Eltern auch hilflos gewesen sei. Es scheint also doch ganz offenes Geheimnis gewesen zu sein, daß durch den Anblick des schnöden Mammons die türkische Gerechtigkeit Anfälle von Blindheit bekam, die es ihr unmöglich machten, die Schuld eines Menschen zu entdecken. Jedenfalls ist aber auch die Stelle beachtenswert, daß der Vater der Türkin nunmehr selbst die energische Strafe wünschte. Daß das sündige Paar auf einen Esel gesetzt und durch die ganze Stadt geführt wurde, damit jeder Brave sie sehen und sich ein Exempel nehmen sollte, war allgemeiner Brauch, wenigstens bei Sittlichkeitsdelikten; ich werde dafür noch ein Beispiel zitieren. Die Strafe selbst war äußerst grausam und wurde für den Ungläubigen noch dadurch verschärft, daß er in seiner jammervollen Situation die Leiden seiner Geliebten mitansehen und diesen Jammer zu seinen anderen übermenschlichen Qualen noch bis zu seinem Tode ertragen mußte. Daß man ihn furchtbar martern und keineswegs schnell sterben lassen wollte, das war der Hauptzweck dieser Strafart. Man versteht es nur eigentlich nicht, wie ein Mensch in solchen unerhörten Qualen noch Tage lang leben konnte. Wenn der eiserne Haken durch die Rippen geschlagen worden war, brauchten freilich keine Wunden zu entstehen, die absolut tödlich gewesen wären, immerhin ist diese Tötungsart aber doch so furchtbar qualvoll, daß sie kaum einige Stunden hätte überlebt werden können. Die Beispiele aber, daß in solchen und ähnlichen Situationen Menschen 3 bis 9 Tage am Leben blieben, sind so häufig, daß man sie wohl für wahr halten muß, so unwahrscheinlich sie auch klingen mögen. Auch hier trat der Tod erst durch Vergiftung ein. Der Wächter war also erheblich weniger anspruchsvoll als das Gericht, denn zu einer Bestechung reichten die Mittel der Freunde aus. Vielleicht hatten die Wächter auch selbst mit einem Ungläubigen noch etwas Mitleid, mindestens viel mehr als das Gericht, so daß sie die Vergiftung vornahmen, wenn nach ihrer Ansicht der Delinquent genug gelitten hatte, und mit einem dreitägigen martervollen Leiden war eigentlich wohl auch das Verbrechen, geliebt und diese Liebe genossen zu haben, überreichlich gesühnt.

Ich habe dieses Beispiel gewählt, weil es in Wirklichkeit ein Verhältnis darstellt, daß ungefähr dem entspricht, was man freie Liebe nennen darf. Es war ein Liebesband, das auf die Dauer berechnet war. Die Türkin wollte den Bund sogar in eine Ehe verwandeln, und der Grieche wäre damit wohl auch einverstanden gewesen, wenn er in diesem Falle nicht hätte zum Glauben der Türkin übertreten müssen. Das wollte und konnte er nicht, weil diese Zumutung ihm unerfüllbar erschien; er hätte wohl schon die Beschneidung, die mit dem Glaubenswechsel verbunden war, nicht dulden mögen. Wie es scheint, ist aber gerade die Weigerung, den mohammedanischen Glauben anzunehmen, der Grund gewesen, aus dem man ihm so furchtbare Qualen bereitete. Das läßt sich wenigstens aus der Erzählung ohne weiteres entnehmen.



Daß die Türken, so unglaubhaft das auch erscheint, sehr eifrig auf die Wahrung der öffentlichen Moral hielten, obwohl sie doch eigentlich hierzu herzlich wenig Talent besitzen, geht aus einer Stelle hervor, die ich Döplers „Schau-Platz derer Leibes- und Lebensstraffen“ entnehme. Es heißt da: „Sonst wird es auch in der Türkei wegen Abstraffung der Unzucht folgender gestalt gehalten, nemlich zu Nachts gehet der Subaci oder Stadt-Richter in den Gassen um, findet er welche in Huren-Winckeln, so nimmt er sie zu sich, und setzet sie gefangen biss auf den Morgen. Dann setzet er das Weib auf ein Saumthier, mit ein paar Hörnern auf dem Kopf, und der Buhler muß den Esel führen, welchem die Augen mit einer Farbe gefärbt sind, da werffen ihn die Buben mit faulen Pommerantzen, Äpffeln oder anderen Dingen, verhöhnen und verspotten sie. Der Buhler bekömmt noch dazu hundert Streiche, und sie muß den Esel bezahlen, oder der Ehebrecher muß sich mit Gelde lösen, und sie wird aufm Esel zur Schande herumgeführet, nackend durch alle Gassen, mit Kühund Ochsen-Kutteln behenkt, gegeißelt und gesteiniget.“

Das wäre also schon eine Art Sittenpolizei gewesen. Die nächtliche Revision der Gassen ist übrigens tatsächlich erfolgt, und die losen Vögel, die bei den Werken der Liebe erwischt wurden, nahm die Wache ebenso mit wie alles andere zweideutige Gesindel, das in der Nacht aufgetrieben wurde. Im übrigen ist aber Döpler doch nicht recht im Bilde gewesen; er hat offenbar die einfache Unzucht mit dem Ehebruch zusammengeworfen und so ein Gemenge erzielt, das an sich nicht als eine genügende Quelle zum Studium der alttürkischen Verhältnisse dienen kann, das aber noch, wenn man das Nichthinzugehörige ausmerzt, doch eine ganz gute Schilderung gibt. Wahr ist alles, was Döpler anführt; er hätte nur die Ehebruchsstrafe nicht in die Unzuchtsstrafe hineinziehen dürfen. Vor allen Dingen ist auch hier wieder das Reiten der Vettel auf dem Esel charakteristisch. Das war stets die Einleitung. Wie es scheint, ist dieses Herumführen der Dirne auf dem Esel, oft die einzige Strafe, also eine Schandstrafe, gewesen. Der Aufputz wurde so grotesk wie nur irgend möglich gestaltet, wenn auch aus der Döplerschen Erzählung nicht klar hervorgeht, ob der Esel oder das Weib mit den Hörnern „geschmückt“ wurde. Daß der Buhle den Esel führen mußte, das war eine weise Vorsicht, die darauf berechnet war, ihn auch bei der öffentlichen Schändung nicht leer ausgehen zu lassen. Dieses Führen des Esels ist übrigens wahrscheinlicher als die Angabe des ersten Beispiels, nach der beide Schuldige auf dem Esel gesessen hätten. Es mag das aber wohl nicht immer in der gleichen Weise gehandhabt worden sein. Der Buhle soll auch 100 Streiche erhalten haben, wenn der Weg der Schande zurückgelegt war. Ob dies stets geschah, das ist schwer zu sagen. Dass aber 100 Streiche eine außerordentlich harte Strafe darstellten, besonders wenn sie auf die Fußsohlen erteilt wurden, wie dies im Orient besonders gern getan wurde, da die Bastonade ein sehr beliebtes aber auch ebenso gefürchtetes Strafmittel bildete, je nachdem ob die Strafe erteilt oder empfangen wurde, das kann keinem Zweifel unterliegen. Daß Döpler nun ganz plötzlich von der Ehebrecherin erzählt, während er bisher doch bloß von der einfachen Unzucht gesprochen hat, zeigt, wie gesagt, daß er sich selbst nicht völlig klar über das war, was er aus den verschiedenen Quellen über die Zustände in der Türkei zusammengetragen hatte. Da Döpler sonst ein äußerst klarer und besonders in Strafsachen hervorragend unterrichteter Kopf ist, mag die Unklarheit wohl mehr seinen Quellen als ihm selbst zur Last zu legen sein. Wahr ist, daß auch Ehebrecherinnen nackt auf einem Esel herumgeführt zu werden pflegten, es mag vorgekommen sein, daß sie in unmenschlicher Weise gegeißelt und dann gesteinigt wurden, wie dies, wenn auch ohne Geißelung, bei den Juden die gewöhnliche Strafe für Ehebrecherinnen war. In der Regel dürfte allerdings im orientalischen Altertum die Strafe wegen des Ehebruches von dem Gatten der Ehebrecherin selbst vollzogen worden sein. Daß diese Strafe deshalb etwa milder ausgefallen sei, wird man wohl nicht behaupten dürfen. Wie Ehemänner ihre Weiber bestraften, wenn sie sich erlaubt hatten, den Zorn des strengen Gebieters herauszufordern, davon ist die Geschichte jener Länder mit geradezu greulichen Beispielen erfüllt. Ich will nur eins auswählen, das „Straußens Reise-Beschreibung“ entlehnt ist. „In der Armenier Stadt Scamachy begab sich den 9. Juni 1671 folgende Geschieht: Ein Persianer hatte eine Polnische Sklavin zum Weibe genommen, diese war ihm aus Uneinigkeit weggelauffen, und wolte heimlich mit dem Gesandten heimreisen, alwo sie ihre Mutter und Geschwister noch hatte, ward aber dem Manne verkundschaffet, welcher sie ließ wiederholen. Unter dessen schichte er sich auf ein höltzern t, warff durch Beyhülffe seines Volckes das arme Weib nackent drauf, schnürte sie fest an, und zog ihr selbst, nach grimmigen Fürworff, das Fell lebendig über die Ohren, schmiß den abgezogenen Leib auf die Gasse, von dannen er ins freie Feld, als ein Aaß, den Raben und Hunden zur Speise geschleppet ward. Das abgezogene Leder aber nagelte er im Hause an die Wand, denen andern Weiber, deren er noch 12 hatte, zur Warnung, daß sie sich forthin daran spiegeln solten. Zu solcher Unsinnigkeit brachte diesen unbarmhertzigen Hencker der Argwohn und Ehe-Eifer.“

Daß es gerade die 13. Gattin war, die in dieser furchtbaren Weise ums Leben kam, hätte abergläubischen Leuten den alten Unsinn, daß die 13. Person immer sterben müsse, sicherlich als eine schöne Bestätigung ihres Aberglaubens gelten können. Hier ist nun von einem Ehebruch offenbar nicht die Rede gewesen, sondern das Weib, das eine Polin und deshalb an die Haremsfreuden wohl nicht gewöhnt war, hatte das Leben an der Seite ihres Dreizehntels Gatten satt und wollte in die Heimat zurückkehren, was man ihr schließlich gewiß nicht verdenken konnte. Der Mann allerdings faßte diese Absicht völlig anders auf; er mochte wirklich denken, daß die Gattin mit dem Gesandten ihres Landes eine Liebschaft anknüpfen wollte Auf keinen Fall hatte sie übrigens ein Recht, ihn zu verlassen, selbst wenn sie der Meinung gewesen wäre, daß ihr Gatte sich mit seinen 12 übrigen Frauen genügend über ihren Verlust trösten könne. Er ließ sie verfolgen, und als sie eingefangen war, heftete er sie ans Kreuz, nachdem sie völlig entkleidet war, und zog ihr lebendigen Leibes die Haut ab. Das war damals an und für sich keine so völlig unbekannte Manipulation, denn das Hautabziehen wurde durchaus nicht so selten geübt, wie man jetzt vielleicht glaubt. Jedenfalls ist dieses Rachemittel aber eine der größten Scheußlichkeiten, die sich der menschliche Geist überhaupt auszudenken vermag. Eine furchtbarere Qual kann nicht ersonnen werden; sie ist so groß und entsetzlich, daß kein Mensch sie lebend bis zu Ende ertragen kann. Die Schmerzen rauben das Bewußtsein, und der Tod tritt durch Verbluten ein. Man könnte nun demnach vielleicht zu der Ansicht gelangen, daß die Marter deshalb nicht so schlimm sei, weil ihre Dauer nicht erheblich war. Das ist aber ein schwacher Trost, denn so schnell, wie man vielleicht glaubt, ging die Sache nicht. Zunächst wurde die Haut aufgeschnitten und dann Glied für Glied abgezogen. Das dauerte immerhin ziemliche Zeit, und zunächst blieben die entsetzlichen Schmerzen in vollster Heftigkeit fühlbar. Daß die Opfer dabei auf das Kreuz festgebunden wurden — in der Regel brauchte man zu diesem Zwecke das sog. Andreaskreuz, das Arme und Beine weit auseinandersperrte —, geschah deshalb, damit die Gemarterten nicht durch heftige Bewegungen dem Schinder die Arbeit erschweren oder gar unmöglich machen konnten. Man mochte vielleicht auch gefunden haben, daß die Schmerzen noch heftiger peinigten, wenn es dem Opfer unmöglich gemacht wurde, sie durch krampfhafte Bewegungen zu mildern. Entsetzlich ist die viehische Roheit, mit der der abgezogene Körper einfach auf die Straße geschmissen wurde, von wo ihn erst später die Knechte fortschleiften, damit er den Raben und Hunden zum Fraße diente. Die Haut wurde als eine Art Trophäe an die Wand genagelt und diente zur Warnung. Daß diese entsetzliche Gräueltat dem Manne irgendwie verdacht worden wäre, oder daß ihn wegen des grausamen Mordes etwa gar eine Strafe getroffen hätte, davon enthält die Geschichte kein Wort, sie konnte auch keins enthalten, da es das „gute Recht“ des Mannes war, seine Frau für die „Pflichtvergessenheit“ zu strafen. Die Art der Strafe war ihm überlassen, und es kam sehr, sehr oft vor, daß ein Mann seine Gattin, oder richtiger gesagt, eine seiner Gattinnen einfach in den Sack nähen und ins Meer werfen ließ. Das war nicht einmal eine Strafe, sondern nichts als eine zarte Andeutung, daß er sie nicht liebe und gern los sein wollte.



Die Geschichte der unglücklichen Polin erinnert übrigens an das Schicksal eines großen Mannes, der sich berufen fühlte, die Rolle eines gottgesandten Religionsstifters zu spielen. Ich meine den Propheten Mani, der selbst weniger bekannt ist als die Religionssekte, die nach ihm benannt wurde, die Sekte der Manichäer. Mani, oder wie er auch genannt wird, Manes, stammte aus Babylon und trat 242 n. Chr. in Persien als ein Gesandter des wahren Gottes auf. Er wollte die verschiedenen Religionen zu einem bestimmten Religionssystem vereinigen, hatte also einen Gedanken, der zweifellos gut und richtig war, der aber natürlich auf den heftigsten Widerstand stoßen mußte, da alle Religionssysteme natürliche Gegner dieses Mannes sein mußten. Er wurde meist als ein gefährlicher Zauberer bekämpft, verstand es aber doch, eine begeisterte Anhängerschaft um sich zu sammeln. Wie behauptet wird, verwarf Manes die Ehe und gestattete die freie Liebe ohne jeden zeremoniellen Zwang; man warf ihm daher vor, daß er die freie Unzucht predige, um seinen orientalischen Anhängern die unbegrenzte Befriedigung ihrer Lüste als den Köder hinzuwerfen, auf den sie am leichtesten anbissen. So ist Manes wirklich eine Persönlichkeit, die in unserm Kapitel nicht fehlen darf. Er wurde allerdings schließlich, nachdem ihn zunächst Hormizd I. aus der Hand der Feuerpriester befreit hatte, von dessen Nachfolger Bahran I. gekreuzigt und geschunden. Er erlitt also dasselbe Schicksal wie die polnische Gattin des Persers in Armenien. Die Manichäer haben sich aber nach dem furchtbaren Tode ihres Propheten noch gehalten, allerdings durften sie sich nicht als seine Anhänger zeigen und bekennen. Ob sie seine Ansichten über Ehe und Liebesleben weiter praktisch betätigt haben, wer wollte das sagen?

Im Orient war für so etwas freilich kein günstiger Boden. Wer da ein Weib haben wollte, konnte es ja leicht genug bekommen und ebenso leicht wieder los werden. Gerade das letztere Moment darf nicht unterschätzt werden. Es würde für viele Leute die Heirat nicht so bedenklich erscheinen, wenn nicht dieses Verhältnis auf alle Zeit geschlossen würde. Ich will nun freilich nicht behaupten, daß die Moral etwa gehoben werden könnte, wenn solche Ehen blos deshalb geschlossen würden, damit die Flitterwochen alle die Wonnen und Freuden des jungen Ehestandes brächten, nicht aber die Sorgen und Pflichten, die doch in jeder Ehe das Salz bilden, durchkostet werden müßten. Im Orient war das nun freilich anders. Da war die Frau nur dazu da, dem Manne zu dienen und sich für seine Zärtlichkeiten auf Wunsch zu jeder Minute bereit zu halten. Im übrigen tat der Mann, was ihm beliebte, die Gattinnen hatten kein Recht auf seine Gesellschaft, sondern nur die Pflicht, sie zu dulden. Daß es trotzdem eine Prostitution gab, das ändert an der Sache nichts. Der Mann, der sie benutzte, machte sich nicht strafbar, wenn er sich nicht gerade in den Gassen von dem Stadt-Richter erwischen ließ. Dazu hatte er nun aber eigentlich auch gar keine Veranlassung. Das mag nun jedoch sein, wie es will, jedenfalls gab es eine freie Liebe im modernen Sinne nicht, auch keine im Sinne des unglücklichen Manes, oder wenn es so etwas gab, dann blieb die Strafe nicht aus. Vielleicht ist das der Grund gewesen, daß man sich durch religiöse Prostitution und den Kult der Liebesgötter schadlos zu halten suchte.




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Liebesleben im Orient