Der Ehestörer

Die Ehestörer.

Wenn auch im Orient die Ehe, wie wir gesehen haben, in der Regel kein Idealverhältnis, wenigstens nicht in unserem Sinne, ist, so glaubte man doch, daß dieses Verhältnis ganz besonders unter dem Einfluß guter oder auch böser Geister stehe. Die guten Geister waren nach dem Glauben des alten Heidentums die göttlichen der Liebe und besonders die der Fruchtbarkeit, die ja ohnehin nicht selten beide Ressorts in einer Person vertraten. Selbst Völker, die an einen einzigen Gott glaubten, wie die Israeliten und die Mohammedaner, nahmen doch an, daß bestimmte Geister sich sehr eingehend um die Eheverhältnisse der sterblichen Menschen bekümmerten, und daß sie auch oft genug in das Land der Ehe eingriffen. Man war allerdings nicht der Ansicht daß diese Geister gute Absichten verfolgten, sondern traute ihnen alles böse zu und stellte sie sich als schändliche Dämonen vor. So waren selbst Völker, die nicht durch Eifersucht auf ihre Mitmenschen geplagt waren, doch auf die Dämonen stark eifersüchtig und wo in einer Ehe ein besonderes Unglück eintrat, da nahm man dies eben meistens für die Tat eines Ehedämonen an.




Wie es scheint, ist der Glaube an solche Eheteufel von Persien ausgegangen und hat sich von da aus den anderen Völkern erst mit der Zeit aufgedrängt, und man hält daran noch außerordentlich fest. Es ist eine echt orientalische Fantasie, die diese Teufelsgestalt geschaffen hat, deshalb hat man, wie ja auch den Göttern stets die Eigenschaften besonders angedichtet werden, die ihren Verehrern als groß und beachtenswert galten, auch diesen Teufel mit Charaktereigenschaften ausgestattet, die dem Orientalen selbst innewohnten und einen großen Teil seines Seelenlebens ausmachten. Der Eheteufel, den der Talmud Aschmedai nennt, war ein höhnischer Geselle, dem nichts heilig war, ganz besonders nicht die Ehe der Menschen, denn diese zu stören war ja seine vornehmste Aufgabe. Der Dämon war ein Wesen, das von einer unersättlichen Wollust erfüllt war, die dadurch ihre augenblickliche Befriedigung finden konnte, daß Asmodi wie wir ihn gewöhnlich genannt finden, sich an Ehefrauen heranschlich und diese zum Ehebruch verführte. Die innerliche Glut, mit der dieses dämonische Scheusal gedacht wurde, ist aber wohl dem Empfinden eines Erfinders angepasst, wie
die Götter, die Alles schaffenden, eigentlich doch auch nichts waren als in der regen Fantasie der Anbeter geschaffene Gestalten.

Ich finde übrigens eine recht nahe Beziehung zwischen dem Asmodi des Orients und dem Teufel, der in unseren Hexenprozessen eine so starke Rolle spielte. Es ist das ja freilich durchaus kein Wunder denn, wie ich noch zeigen werde, kennt auch die Bibel den Asmodi, und daß diese Erzählung von den findigen Geistern, die in Hexenverfolgungen sich her vortaten, aufgegriffen und mit ganz besonderer Vorliebe verwendet wurde, das versteht sich eigentlich von selbst. Der Asmodi des Orients, der eigentlich nur der Eheteufel war, ist allerdings in unserem Hexenwahn zum Verrückten verzerrt worden; er mußte eben für die deutschen Verhältnisse umgewandelt und den Zwecken der Hexenverfolgung besser angepasst werden. Für die deutsche Ehe brauchte man den Störer nicht aus dem Reiche der Dämonen herbeizuholen, denn da gab es auch einst Störer in Fleisch und Blut genug, die das Geschäft ohne Beihilfe eines Dämonen zuverlässig genug besorgten. Selbst die geistlichen Herren, die sich in der Verfolgung der Hexen nicht genug tun konnten, verstanden es recht gut, als Störenfriede in der Ehe ihre „Schäflein“ anzugreifen. Der Einfluß des Beichtstuhles und des geistlichen Amtes an sich war viel wertvoller, als es die Hilfe eines bösartigen Dämons hätte sein können. Man durfte also nicht gut dem lüsternen Asmodi bloß die frechen Ehebrüche, die man ihm nachsagte, in die Schuhe schieben, sondern mußte ihn auch einst die Hexen zu allerlei Scheußlichkeiten und bösen Zauberkünsten verleiten lassen, sonst hätten ja die Herren selbst zugeben müssen, daß sie dem Teufel, den sie verfolgten, mehr dienten, als dem Gott, dessen Diener sie sich nannten. Den Teufel, den man als Buhle der Hexen in Deutschland betrachtete, hielt man übrigens keineswegs für einen Dämon, der sich um die Ehen irdischer Weiber kümmerte, sondern man ließ ihn ebenso häufig mit ledigen Dirnen seine sündigen Verhältnisse anknüpfen, denn es kam, wie gesagt, nur auf den Teufelsbund als solchen an; das Sexuelle war nur Beiwerk, das zu verkneifen, den Herrn, die ja ohnehin an ihre Liebesabenteuer dachten, jedenfalls unmöglich schien, und es mußte dazu dienen, die Anbändeleien mit Frauen und Mädchen glaubwürdig und wahrscheinlich zu machen.

Anders im Orient. Da spielte der Asmodi eine gar gewaltige Rolle; er war der König unter den Dämonen, wie ja das Liebesleben die Krone des Lebens war, und zugleich rühmte man ihm nach, daß alles Wissen, alle Wissenschaft von ihm ausgehe. Es ist ja nun freilich schwer, zu sagen, wie man sich den Einfluss dieses Teufels auf die Ehe dachte. In der Regel stellte man sich Götter und Teufel durchaus persönlich vor, sie erschienen in Menschengestalt und handelten nach Menschenart. Auch als Ehestörer stellte man sich den alten Asmodi durchaus menschlich dar. Er erschien auch im wohlverwahrten Harem und verstand es, die Frauen sich dienstbar zu machen. Nicht selten wurde sein Erscheinen für den Ehemann sehr verhängnisvoll, denn der Gatte hatte mit dem dämonischen Ehebrecher richtige Kämpfe zu bestehen, und da der Dämon doch immer mächtiger und gewaltiger sein muss als der sterbliche Mensch, war ein solcher Kampf schon von vornherein zum Nachteil des Gatten entschieden, der dabei das Leben einbüßen und die Frau dem Teufel überlassen mußte.

Wie man darauf gekommen ist, diese Vorstellung zu gewinnen, das ist schwer zu sagen; die Mythe bildet sich eben mit der Zeit aus, nimmt immer festere Gestalt an, und schließlich kann man die Gottheit im Bilde bewundern, und alle Welt schwört darauf, so und nicht anders sehe die Gottheit aus. Man weiß das so genau, als begegne man der Gottheit tagtäglich auf dem Spaziergange. Warum sollte man sich nicht ebenso gut den Dämon schaffen können. Daß in Wirklichkeit Herr Asmodi niemals in das Schlafgemach eines Ehepaares oder in die diskreten Räume eines Harems eingedrungen ist, das ändert nichts an der Tatsache daß dieses Eindringen als sein beliebtestes Vergnügen dargestellt und behauptet ward, er drehe den Gatten die Hälse um, damit sie ihn nicht in seinem Dämonenlauf stören sollten. Vielleicht ist es ja auch vorgekommen, daß Gatten im Gemach ihrer Frau den Tod von Mörderhand fanden; vielleicht hat auch wirklich ein Dämon das Eheglück eines Mannes gestört und dem Ehemann das Lebenslicht ausgelöscht; es ist dann freilich wohl nicht Asmodi selbst gewesen, der so Schlimmes tat, sondern ein gewöhnlicher Sterblicher, der wohl vom Geiste des Asmodi beseelt sein mochte, aber nichts weniger als der König der Dämonen selbst war. Das gerade das Altertum außerordentlich viele solcher Gattenmorde erlebt hat, das ist bekannt genug. Wo uns solche Fälle berichtet werden, da nennt allerdings die Geschichte den Namen der Ehebrecherin und ihres Mitschuldigen in der Regel recht gerne, so daß dabei ein Verdacht gegen Asmodi völlig ausgeschlossen bleiben mußte. Aber die Geschichte erzählt uns doch nun die Gattenmorde von Personen, die in der Geschichte eine Rolle gespielt haben; die übrigen verschweigt sie und muß sie auch verschweigen, weil eben die Weltgeschichte keine Kriminalgeschichte ist.

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Freilich bedurfte es keineswegs immer so drastischer Mittel, um den Frieden und den Bestand einer Ehe zu stören und zu lösen. War der Mann geneigt, die Ehe zu lösen, so bot das durchaus keine Schwierigkeit. Er gab, wie bei den Israeliten, den Scheidebrief und die Sache war sang und klanglos erledigt. In anderen orientalischen Ländern hatte der Mann eine solche Formalität nicht einmal notwendig; er konnte die Frau, die er los sein wollte, einfach ins Meer stürzen lassen, und war er sie dann für alle Zeiten los. Daß die Frau mit Leib und Leben dem Manne gehört, daß dieser auch das Recht und die Macht hat sie zu töten, ohne daß er dazu eines besonderen Grundes bedurft hätte, ist bekannt, und war im Altertum allgemein und gebräuchlich, selbst in unserem Lande bestand dieses uneingeschränkte Recht des Mannes. Selbst nach dem römischen Rechte bestand, als die Gewalt des Mannes erheblich herabgemildert worden war, noch absolute Scheidungsfreiheit. Jeder Gatte konnte einseitig den Ehevertrag lösen und bedurfte dazu nicht einmal einer behördlichen Zustimmung. Sobald beiderseitige Übereinstimmung herrschte, daß die Gatten ihre Ehe lösen wollten, war sie eben schon durch diesen Wunsch gelöst. Ich möchte nicht behaupten, daß durch eine erhebliche Erschwerung der Scheidung der Moral ein Dienst erwiesen werden könnte, sondern nehme im Gegenteil an, daß die Moral durch nichts so schwer geschädigt werden kann, als durch das zwangsweise Bestehenlassen einer in sich schon gestörten Ehe. Es wird da der hässlichsten Leidenschaft, dem Haß, dem Ehebruch etc. geradezu geflissentlich Vorschub geleistet. Es ist damit natürlich nicht gesagt, daß die leichtfertige Scheidungslust so protegiert zu werden braucht, wie sie das römische Recht begünstigte.

Bei der untergeordneten Stellung, die der Frau im Orient zugewiesen war, konnte es natürlich nur dem Manne leicht sein, die Fesseln einer Ehe, sobald sie ihm lästig wurden, zu sprengen. Die Frau mußte das Joch geduldig weitertragen, wenn es ihr auch noch so lästig und unerträglich erschien. So finden wir denn auch meist die Frau als Gattenmörderin, und auch sie raffte sich zu einem solchen Schritte wohl nur äußerst selten aus eigener Initiative auf, sondern war in der Regel nur die Mitschuldige eines Mörders, um die sich zwischen ihr und diesem die Bande der Liebe geknüpft hatten. Es lohnt nicht, die historischen Beispiele, die ja alle mehr oder weniger bekannt sind, anzuführen, immer kommt es uns nur darauf an, das nachzuweisen, was bei der Verschiedenheit der Stellungen von Mann und Frau sich sachgemäß ergeben muß; daß nämlich die Möglichkeit, eine lästige Ehe aufzulösen, nur dem Manne zustand, daß die Frau bei der trägen Gleichgültigkeit, die ihr anerzogen war, sich höchstens zu einem lebhaften Wunsch, ihre Lage zu ändern, erst aufraffen konnte, wenn ihre Leidenschaft sich regte, wenn sie eben einen anderen Mann gesehen hatte, zu dem sie ernstlich in leidenschaftlicher Liebe entbrannte. Dann freilich konnte auch die Orientalin Taten begehen, die für alle Zeiten dem Gedächtnis der Menschheit aufbewahrt wurden, wie die grausige Tat der Judith, zu der diese sich von ihrer Leidenschaft hinreißen ließ.

Ich möchte nun noch auf die Asmodifabel zurückkommen. Selbst die Bibel erzählt, allerdings im Buche Tobias, das zu den Apokryphen gehört, allen Ernstes die siebenfache Mordtat des Eheteufels Asmodi. Bei der Wichtigkeit dieses Belegstückes lasse ich die Stelle wörtlich folgen: „Und es begab sich desselbigen Tages, daß Sara, die Tochter Raguels, in der Meder Stadt Ekbatana auch übel geschmähet und gescholten ward von einer Magd ihres Vaters. Man hatte ihr nämlich sieben Männer nach einander gegeben, und ein böser Geist, Asmodi genannt, hatte sie alle getötet, alsbald wenn sie sich zu ihr tun sollten. Da nun Sarah die Magd wegen eines Verschuldens schalt, antwortete diese und sprach: Gott gebe, daß wir nimmer einen Sohn oder Tochter von dir sehen auf Erden, du Männermörderin! Willst du mich auch töten, wie du die sieben Männer getötet hast? Auf solche Worte ging sie in eine Kammer oben im Haus, und aß noch trank nicht drei Tage und drei Nächte, und hielt an mit Beten und Weinen, und bat Gott, daß er sie von der Schmach erlösen wollte“. Weiter interessiert eine Stelle aus der Bibel: „Du weißt, Herr, daß ich keines Mannes begehrt habe, und meine Seele rein behalten von aller böser Lust. Und habe auch nie zu unzüchtiger und leichtfertiger Gesellschaft gehalten. Einen Mann aber zu nehmen, habe ich gewilligt in deine Furcht und nicht aus Vorwitz; und entweder bin ich ihrer, oder sie sind meiner nicht wert gewesen, und du hast mich vielleicht einem anderen Manne behalten“.

Daß diese Stelle den siebenfachen Mord des Asmodi als eine Tatsache erzählt und nicht etwa bloß als ein Geschwätz der scheltenden Magd, daß im Gegenteil die Magd nicht glaubt, der böse Geist Asmodi sei bei der Mordsache beteiligt, sondern vielmehr der näherliegende Verdacht liegt, Sarah habe die sieben Männer gemordet, weil sie ihr nicht genehm waren, und es für sie keine andere Möglichkeit gab, sich dieser unwillkommenen Freier zu entledigen, das ist besonders beachtenswert. Natürlich ist es wieder die ominöse Zahl sieben, die zunächst schon das Altertum herausfindet, und die ganze Geschichte als eine symbolische Erzählung erscheinen läßt. Da aber die Asmodi-Erzählung sich auch in die Bibel verirrt und dadurch erst gewonnen hat, das ist doch wohl der beste Beweis dafür, wie felsenfest das Altertum an den Geist Asmodi glaubte. Wäre da Asmodi von einem Schreiber erwähnt worden, der ihn für eine Märchensage gehalten hätte, so würde zweifellos die Erwähnung entweder ganz fortgeblieben sein, oder sie wäre viel heller ausgeführt worden, denn nur Dinge, die man trotz ihrer objektiven Unglaublichkeit doch für durchaus glaubhaft und selbstverständlich hält, tut man nicht in einigen Worten ab. Auffallend ist übrigens, daß in dem recht ausführlich wiedergegebenen Gebet der Sarah mit keiner Silbe gesagt ist, ob sie den Mord ihrer sieben Männer zugibt, oder ob sie dem Asmodi ebenfalls die Schuld beimessen will. Letzteres ist doch kaum anzunehmen, denn sonst würde sie wohl nicht um den rechten Mann gebeten haben, sie würde auch wohl kaum so kühl und gleichgiltig gesagt haben: „Entweder bin ich ihrer, oder sie sind meiner nicht wert gewesen“. So spricht doch kaum eine Frau, der nacheinander sieben Männer gerade jedesmal in der Brautnacht hingemordet worden sind, wenn sie die Tat so ganz frei gestanden hätte. Oder war das vielleicht gerade die Fügung des Schicksals, die den gewaltigen Geist Asmodi zum Mörder gewählt hatte? Die Sache mag sein, wie sie will. Daß die Bibel allen Ernstes den Asmodi anführt, das ist eine der interessantesten Feststellungen, die überhaupt getroffen werden kann. Ich erwähnte, daß die Erfindung des Ehedämons Asmodi jedenfalls jüdischen Ursprungs ist, daß die alten Israeliten zwar an Dämonen aber niemals an Asmodi geglaubt, so daß das Buch Tobias unbedingt erst viel später entstanden sein muß als die Geschichts- und Lehrbücher des Alten Testaments. Daß man nun aber gerade diese Stelle für so wichtig gehalten hat, um sie der Bibel einzuverleiben, das ist eine recht sonderbare Erscheinung. Genug — der Asmodi steht als männermordender Eheteufel auch in der Bibel; es fehlt nur, daß er die orientalische Wollust nicht gekannt hat, so daß man eigentlich nicht recht klug daraus wird, wann er die sieben Männer der Sarah in der Brautnacht gemordet haben soll.

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Da, wo Asmodi die Männermorde begangen haben sollte, sagte man ihm im Orient nach, daß er dies tue, weil er den Männern die Frauen nicht gönne; er gönne sie aber bloß deshalb ihren Männern nicht, weil er sie für sich selbst haben wolle. Das ist eines rechten Teufels durchaus würdig, und es ist zugleich eine Darstellung, die der orientalischen Frau keine besondere Ehre macht, weil sie eigentlich den logischen Schluß enthält, daß es der Frau im Grunde genommen gleich sei, ob ihr Mann oder der leibhaftige Teufel sich ihr zuwende. In vielen Fällen würde das wohl auch nicht allzu weit von der Wahrheit abgewichen sein. Die Frau, die nicht den mindesten Einfluß auf die Wahl ihres Gatten hatte, war ja ohnehin daraufhin erzogen, daß sie jedem beliebigen Manne, den man für gut befand ihr zu geben, angehören mußte. Sie hätte ja auch den Dämon Asmodi, wenn man ihn eben bestimmt hätte, ohne Widerrede für sich annehmen müssen. So nahm sie ihn eben etwas später, wenigstens nach der Meinung derer, die an den Dämon der Wollust glaubten. Daß man übrigens den Dämon der Wollust in der Fantasie schuf, war sicher viel zutreffender und richtiger, als wenn man einen Gott der Wollust sich dachte.





Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Liebesleben im Orient