Vorwort

Der hier mitgeteilte Lebensabriss Bugenhagens wurde zuerst in ein paar Abendstunden einem Vereine evangelischer Männer und Frauen vorgelegt, und wenn auch derselbe in der gegenwärtigen Gestalt manche Erweiterung erfahren hat, so will er doch seine ursprüngliche Absicht nicht verleugnen, eine allgemein fassliche Darstellung von dem Leben dieses ausgezeichneten Dieners der Kirche zu geben, ohne einen Anspruch aus das Verdienst neu aufgefundener geschichtlicher Tatsachen zu machen. Denn der Verfasser hat sich auch jetzt, nachdem ihm die Zeit zu dieser weiteren Mitteilung gegeben worden ist, seine Leser als solche Glieder der christlichen Gemeinde gedacht, die sich gern ein Bild aus unserm Reformationszeitalter vorhalten lassen, wie ja jedem evangelischen Christen, auch dem Ungelehrten, wohl geziemt, der ehrwürdigen Werkzeuge Gottes, durch welche uns so unendlich Großes und Heilsames bereitet worden ist, dankbar zu gedenken und an ihrem heiligen Eifer und ihrer Liebe zur Kirche Christi auch uns selbst zu gleicher Liebe und gleichem Eifer zu erwärmen.

Der Verfasser ist weit davon entfernt, sich oder seine Leser glauben machen zu wollen, dass er durch seine Arbeit ähnliche und zum Teil umfangreichere Biographien Bugenhagens, namentlich die neueste von Zieh, die er dankbar benutzt hat, entbehrlich gemacht zu haben. Er möchte vielmehr auf jene schon vorhandenen aufmerksam machen und zu immer neuem Studium jener großen Zeit und ihrer Helden mit anregen helfen.


Um aber seinem Büchlein auch ein besonderes Interesse und einen bleibenden Wert zu geben, hat er dieser Lebensskizze diejenige Schrift Bugenhagens, jenes treuen Arbeitsgenossen und Freundes Luthers, hinzugefügt, die seine reformatorische Tätigkeit zu zeigen besonders geeignet und sonnt der beste Beleg zu seiner Lebensbeschreibung ist. Dies ist die Kirchenordnung, welche jener, nach dem Vorgange von Melanchthons Unterricht der Visitatoren an die Pfarrherren von Sachsen, für die Stadt Braunschweig ausgearbeitet hat, die aber, wie alle nur im sechzehnten Jahrhundert gedruckte Schriften Bugenhagens, jetzt zu einer typographischen Seltenheit geworden ist. Keine seiner Schriften verdient wohl mehr als diese gekannt zu sein. Denn es knüpft sich an sie sogleich die Erinnerung an eine ganze Reihe seiner vorzüglichsten reformatorischen Schöpfungen; es sprechen sich in ihr auch besonders seine theologischen Anschauungen so wie seine ernsten Gesinnungen und sein treues Herz aus, welches nur für das Wohl der Gemeinde Christi schlug, und sie lässt uns zugleich einen lehrreichen Blick in das damalige kirchliche Leben und den Zustand der einzelnen Gemeinden tun.

Der Herausgeber hat sich beim Abdruck dieser Kirchenordnung der alten Ausgabe bedient, welche ihm allein zugänglich war, der zu Braunschweig im Jahre 1563 in hochdeutscher Sprache erschienenen, die ein genauer Abdruck der früheren vom Jahre 1531 ist, wie ihr Titel selbst diese Jahrzahl trägt, mir dass dieser späteren auch die Augsburgische Konfession, die Apologie derselben, die Schmalkaldischen Artikel nebst der Erklärung aus Gottes Wort und dem kurzen Bericht der sächsischen Theologen aus dem Lüneburger Konvent von 1561 beigefügt ist. Von dieser Ausgabe durfte der Herausgeber die beiden Exemplare aus längere Zeit benutzen, die aus der Königlichen Bibliothek zu Berlin und ans der Bibliothek der Marien-Kirche zu Halle sich befinden und er spricht den Herren Bibliothekaren beider Bibliotheken seinen aufrichtigen Dank dafür aus. Der neue Abdruck gibt vollständig und möglichst getreu die Schrift Bugenhagens, auch mit ihren Einseitigkeiten und Schroffheiten, die seiner Zeit angehören und die zum Glück jetzt größtenteils überwunden sind. Ein bloßer Auszug würde diese weggelassen haben. Aber es schien wichtig, die ganze Schrift, die den Verfasser ganz zeigt, wie er war, dem Leser vor Augen zu stellen. Nur die alte und sehr ungleiche Orthographie ist, um den Gebrauch zu erleichtern, weggefallen, auch sind einzelne kleine Veränderungen in der Wortstellung und im Gebrauch ganz veralteter Wörter und Redeweisen zur Beseitigung von Undeutlichkeiten für zweckmäßig gehalten worden. Endlich sind die alten vierzeiligen Noten bei den eingefügten liturgischen Gesängen auf das jetzige fünfzeilige Notensystem übertragen worden.

Und so möge diese alte Kirchenordnung, die zugleich ein Zeugnis mehr ist, wie die Reformatoren keinesweges mit der alten katholischen Kirche der ersten christlichen Jahrhunderte brechen wollten, und jenen ehrwürdigen Vätern der Kirche, einem Augustinus, Ambrosius, Chrysostomus u. A. alle verdiente Anerkennung gaben, und nur der späteren, mittelalterlichen Kirche und ihrer Entfernung von der evangelischen Wahrheit entgegentraten, — möge sie auch noch heutiges Tages mit dazu helfen, wozu sie der fromme und biederherzige Bugenhagen einst bestimmt hatte, nämlich „dem heiligen Evangelio und christlicher Liebe, Zucht, Friede und Einigkeit zum Dienste“ und zu einer christlichen Belehrung für Jedermann, damit das Reich Gottes aus Erden immer mehr ausgebaut werde. Denn hierzu bieten sich uns die Schriften unserer Reformatoren noch immer als reichströmende und erquickliche Quellen dar, wenn wir aus den frommen und sittlich ernsten Geist achten, von welchem sie ausgegangen sind und getragen werden; und wenn wir sie mit dem rechten Verstande gebrauchen, nicht zu einem knechtischen Buchstabendienste, der oft mit fanatischem Eifer jedes ihrer Worte und jede ihrer einzelnen Auslegungen der heiligen Schrift als untrüglich dieser selbst gleichgestellt, — wodurch wir, wenn die Reformatoren noch lebten, ihren Beifall und Dank wahrlich nicht verdienen würden, — auch nicht dazu, um eine einseitige Polemik, die nicht zum Ausbau der Kirche dient, fortzusetzen, sondern indem wir lernen, mit gleicher Gewissenhaftigkeit und Ehrlichkeit das edle Gold der evangelischen Wahrheit immer reiner aus dem unerschöpflichen Schatze der göttlichen Offenbarung zu gewinnen und dann nach solchem Gewinn auch mit ernster, an uns selbst geübter sittlicher Strenge und mit einer immer reineren schonenden und aushelfenden brüderlichen Liebe in Gehorsam und Demut vor Gott zu wandeln.
Halle a. S. in der Osterwoche 1859.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Leben des Johannes Bugenhagen