Das Leben der Sprache und ihre Weltstellung. 1. Band

Sprache ohne Worte – Idee einer allgemeinen Wissenschaft der Sprache.
Autor: Kleinpaul, Rudolf Dr. (1845-1918) deutscher Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1893
Themenbereiche
Da ich aus dem Schlaf erwachte,
Noch nicht wusste, dass ich dachte,
Gabest du mich selber mir;
Liessest mich die Welt erbeuten,
Lehrtest mich die Rätsel deuten,
Und mich spielen selbst mit dir.


Friedrich Rückert. An die Sprache.
Inhaltsverzeichnis
  1. Erstes Buch. Ohne Absicht der Mitteilung und ohne Gedankenaustausch.
  2. Erstes Kapitel. Die Sprache im allgemeinsten Sinne.
    I. Die Weltsprache. Einleitung
    II. Die Symbolik
    III. Die Divination
    IV. Die Traumsprache
    V. Schottisch
    Zweites Kapitel. Die Sprache des Angesichts.
    I. Allgemeines. Geschichte der Physiognomik
    II. Die leiblichen Analogien
    III. Leib und Seele
    IV. Nationalität und Rasse
    V. Stand und Profession
    VI. Erfahrung und Schicksal
    VII. Die Kleidung
    Drittes Kapitel. Die Sprache der Mienen und Geberden.
    I. Die gelegentlichen Äußerungen. Interjektionen
    II. Lachen und Weinen.
    III. Der Kuss
    IV. Die Selbstbeherrschung
  3. Zweites Buch. Mit Absicht der Mitteilung, aber ohne Gedankenaustausch.
  4. Erstes Kapitel. Ein Schritt vorwärts. Die Reveille
    Zweites Kapitel. Offizielle Wiederholung natürlicher Geberden.
    I. Die Beredsamkeit des Marmors
    II. Plastische Zeichen der Gesinnungen
    Drittes Kapitel. Die Beibringung von Tatsachen.
    I. Rhetorische Kunststückchen
    II. Populäre Argumente
    III. Offizielle Akte
    Viertes Kapitel. Die Wahl von Bildern. Blumensprache — Briefmarkensprache.
    I. Die Bildersprache des Volkes
    II. Die Bilder werden gewählt, um die Wahrheit eindringlich zu machen
    III. Die Bilder werden gewählt, um die Wahrheit nicht gerade herauszusagen
    Anhang. Die Blumensprache. Die Briefmarkensprache.
    Fünftes Kapitel. Significative Waffen und Kleidungsstücke.
    I. Fächer- und Handschuhsprache. Kleine Mitteilungen auf dem Wege der Toilette
    II. Stehende Abzeichen. Freiwillige — Aufgezwungene.
    III. Uniformen, Orden und Gradabzeichen
    IV. Wappen und Aushängeschilder
  5. Drittes Buch. Mit Absicht der Mitteilung und mit Gedankenaustausch.
  6. Erstes Kapitel. Die entwickelte Sprache. Pantomimen und Hieroglyphen des Volks
    Zweites Kapitel. Die vernünftige Geberdensprache. Wilde — Taubstumme — Mönche
    Drittes Kapitel. Wie so ich dieses schreibe
    I. Die alte Bilderschrift
    II. Übergang der Bilderschrift zur Buchstabenschrift
    III. Das griechisch-phönizische Alphabet
    IV. Die lateinische Schrift in Deutschland
    V. Tabelle
    Viertes Kapitel. Unsere angeborenen Ziffern
Die Idee einer Universalsprache — Versuche diese Idee zu verwirklichen — inwieweit die einzelnen Sprachen dem Ideal einer Weltsprache nahegekommen sind — das Volapük, seine Absurdität und Hoffnungslosigkeit — die Kraft eines Individuums wird mit der Kraft eines Volkes verwechselt — eine Sprache kann überhaupt nicht erfunden werden — das Volapük selbst ein Beispiel für diese Unmöglichkeit — es ist ein Jargon, wie die Lingua Franca oder wie das Pigeon English — wir sehen uns nach einer andern Art Weltsprache um — nach einer Sprache, die diesen Namen verdient — wie uns dieselbe aufgegangen ist: persönliche Erinnerungen — die sprechende Nachtigall aus Tausendundeine Nacht — die Sprache, welche sie kann, ist nicht die einzige, es gibt auch eine Sprache ohne Worte — die ganze Welt ist Sprache — die Himmel erzählen die Ehre Gottes, die Ruinen predigen laut, Falstaff hat eine ganze Schule von Zungen in seinem Bauch — die Welt, wie sie uns erscheint, redet von einer höheren Welt, die hinter der Welterscheinung steht — dies die erste und älteste, von den Menschen selber vor jeder andern gesprochene Sprache.

Abermals in Florenz: siehst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel streifen? — wenn wir die Welt mit den Augen des Eingeweihten ansehen — die Nachtigall und die Rose — jedes Bild als solches sprechend ähnlich — natürliche Abbilder — die Lotosblume, die Passionsblume, die Signatur der Pflanzen — Beziehungen der Blumen zu den Geschlechtsteilen — das Sinnbild — das Ei, die Kugel, das Sistrum: Weltsymbole — das sehende Dreieck; die Schlange, die sich in den Schwanz beißt — das Pentagramm, das Ypsilon — das Stehaufchen, Symbol des Eigensinns — Tiere und Pflanzen, alte Sinnbilder für gewisse Eigenschaften — der Granatapfel und das Mohnhaupt, der Hase und der Karpfen — warum die Rose und die Myrte der Venus heilig sind — die Weide und das Keuschlamm — das Sieb, das Einhorn und das Hermelin — der Elefant — drei Bäume mit dauerhaftem Holze: die Akazie, die Zypresse und die Zeder — der Lorbeerbaum und die Palme — der unsterbliche Pfau — die christliche Symbolik — Christus, das Licht der Welt — irdische Symbole Christi — der Weinstock — das Schiff — der Fisch, das Lamm und die Taube, Hauptsymbole des christlichen Altertums — die heidnischen und die christlichen Symbole sind Worte einer Weltsprache, die vor Jahrtausenden gesprochen worden ist.

Drei Träume — wenn wir unter dem Lebensbaume der Welt sitzen, ist es uns auch als ob wir träumten — Platos Erklärung von der Gabe der Weissagung — die Leber nicht bloß ein subjektives Organ der Divination — Vorbilder des Kommenden — Eingeweideschau und Vogelflug — Spinnen und Schafherden, Raben und Krähen, Hornissen und Hasen — persönliche Erlebnisse sind bildlich und vorbedeutend — die Salisation, das Niesen — Omina, die auf die letzte Mahlzeit Christi und den Karfreitag zurückgehen — das Verschütten des Salzes, die Zahl Dreizehn, der Freitag — die Menschen bauen den Anzeichen des Unglücks vor — deuten sie um — Bischof Otto in Pommern — Vorbilder Christi im alten Testament — heidnische Vorbilder — die Welt, ein Signum, quod a Deo hominibus portenditur.

Auffassung der Träume im Altertum — der Morpheus des Ovid — die Träume eine Art selbständiger Geister, die von den Göttern auf die Erde gesendet werden — die zwei Pforten, aus denen sie kommen — die Sprache des Traumes, eine vierte göttliche Offenbarung — die Träume Augurien, die Traumdeutung Divination — die Bildlichkeit des Traumes — sie erinnert an die Ausdrücke der Dichter und Propheten — Parallelen, die man zwischen den Träumen profaner Personen und den Visionen alttestamentlicher Propheten ziehen kann — zwei von Fredegar mitgeteilte Träume fränkischer Könige — die Seele und die Maus — die Bildersprache des Traumes ist oft abhängig von der Zeit, der Nation und dem Lande des Träumenden, sowie von persönlichen Zuständen — Idee einer allgemeinen Traumsprache und eines Wörterbuchs derselben — Proben: Redensarten des Traums, die durch die ganze Welt gehen — Verirrungen, Zahlensymbolik in Italien und in Wien.

Die Sprache der Hochschotten — das Zweite Gesicht — dasselbe eine allgemein menschliche Offenbarung und eine Sprache Gottes wie der Traum — Hans von Einsiedel und Apollonius von Tyana — Unterschied zwischen Träumen und Visionen — letztere erinnern an mythologische Schöpfungen — dämonische Kräfte, die hinter der Natur geahnt werden — die Schuld des Baron von Neuhof — die wahre Schuld — das weibliche Geschlecht das Leibgeschlecht ominöser Erscheinungen — Dion und Brutus — dämonische Weiber — nichts ist so dämonisch als das Weib — Flüche, Sünden, Krankheiten als Frauen angesehen — der Tod und die Weiße Frau — die vier Apokalyptischen Reiter — der Apostel Petrus als Todesbote — der Dämon in eigener Gestalt — Schutzengel und Genien — göttliche Stimmen im Leben religiöser Personen — der Dämon kann unsere eigene Gestalt annehmen und zum Doppelgänger werden — es sind entscheidende Momente, die den inneren Gott veranlassen zu sprechen — siete soddisfatto?

Die Quidproquos der Physiognomiker — Fronti nulla fides — der Schädel Rafaels — das ehrliche Gesicht des Evangelisten Marcus — der kleine Talbot — Uhland ein Papiermachergesell oder ein Uhrmacher — die Phrenologie — Lavater und Gall, verspottet und widerlegt — die Physiognomik immerhin eine sehr nützliche Kunst — und eine alte Kunst — Scriptores Physiognomoniae veteres — Hippokrates und Aristoteles — wie Sokrates von einem Physiognomiker für einen alten Wollüstling erklärt wird und er dieses Urteil bestätigt — der Physiognom kann nur die natürlichen Anlagen bestimmen — Tierähnlichkeiten — Vogelgesichter, Hundeköpfe, Wildprettypen und Haustiertypen — die Volksphysiognomie hat Beziehungen zur Fauna des Landes — Giambattista della Porta, sein geheimes Wissen und seine Analogien — er begründet nach der Meinung der Italiener die Wissenschaft der Physiognomik — sie ist eine Sprachwissenschaft — Animi imago vultus est — die Symbolik der menschlichen Gestalt — innere und äußere Bedingungen der Physiognomie — die Physiognomik nicht mit der Mimik zu vermengen — der menschliche Körper ist wie eine Porträtstatue des Geistes, der Modell gestanden hat.

Verhältnisse der einzelnen Körperteile zu einander — die ärztliche Semiotik — populäre Kennzeichen: der Harn, die Zunge, die Fingernägel — Bleichsucht, Gelbsucht, Blausucht — die Korpulenz, bedingt durch das Darniederliegen der Geschlechtstätigkeit — einzelne Naturfehler und ihre psychologischen Effekte — die Buckligen, die Schwerhörigen — Zeichen der Gesundheit: das Auge — die Temperamente, Formen der Gesundheit — stehende Korrelationen — die Symmetrie des Skelettes — Nase, Mund und Fuß haben am Körper ihre Korrespondenzen — männliche und weibliche Geschlechtseigentümlichkeiten — Vorderbacken und Hinterbacken — sogar die Muttermale und Leberflecken sollen sich wiederholen — Gibbon und die Marquise Du Deffand, die sein Gesicht befühlt.

Die Enthüllung der Mumie des König Ramses II. — seine mächtige Habichtsnase — die königliche Nase — die Nase das Aushängeschild des Charakters und immer vielsagend — Nasen, die bedeutende Männer gehabt haben — die Ohren und das Ohrläppchen — die Augen, ein Spiegel der Seele, ein Prüfstein der Gesundheit, ein Maßstab für das Alter — Taubstumme und Blinde — die Accessorien an den Augen: die Augenbrauen und der Hoffartsmuskel — die verschiedenen Formen der Hand: die sensible und die motorische, die weibliche und die männliche Hand — die psychische und die elementare Hand — die Handfläche — ex ungue leonem — die Handschriftendeutung — der Mund und die Lippen — hiermit sind die Sinnesorgane erledigt und wir sehen uns den ganzen Menschen an — die Statur — Homo longus raro sapiens, sed si sapiens sapientissimus Vorliebe großer und dicker Männer für kleine und zarte Frauen — Vir pilosus aut libidinosus aut fortis — der Herakles Melampygos — das Haar — alles ist in seiner Art charakteristisch: der Gang, das Lachen — die Hässlichen — sie haben häufig Glück in der Liebe — Krates und Hipparchia, der Herzog von Lauzun, Rizzio — Don Quixote und Matthias Claudius über die Schönheit.

Zur Beförderung der Menschenkenntnis — die Physiognomie nicht Seite bloß ein Protokoll des Charakters, sondern auch ein Geburtsschein — die ethnographischen Kenntnisse unserer Zeit, namentlich der Großstädter — woran die Florentinerin den Engländer erkennt — russische, römische, griechische, jüdische, deutsche Nasen — Familiennasen, die Kaisernase — il Labbro Austriaco — der Nacken des Polen, der Rücken des Friesen, die Steatopygie der Hottentottinnen — Rassenmerkmale: die Hottentottenschürze — Geschöpfe der Wüste und Geschöpfe des platten Landes — die Sitten und Gewohnheiten der Völker: Orient und Occident — die Sitten sind nicht bloß an sich charakteristisch, sie hinterlassen auch dauernde Spuren in der leiblichen Erscheinung — wie an der Nase, am Kopfe, an den Geschlechtsteilen, am ganzen Körper herumgebastelt wird — einseitige Tätigkeit und abnorme Lebensweise bei den Großen: Lappen und Tataren — sonstige Verunstaltungen durch unvernünftige Zierraten — Natur und Erziehung — das Bild des Volkes.

Die Hand steckt in einem Handschuh, den ihr das Leben übergezogen hat — der ganze Körper steckt im Mantel des Berufs, wie der Glaukos des Plato — durch einseitige Beschäftigung wird die Harmonie gestört, bei Individuen wie bei ganzen Völkern — jedes Handwerk hat seine besondere Missbildung — die krankhaften Beine, die sich die Menschen anstehen und ansitzen — Gewerbekrankheiten — das Bäckerbein — Habitus der Schneider, Schuster, Tischler, Leineweber — die letzteren meist gedrückt und furchtsam — der große Kopf des Gelehrten, der kleine Kopf des Maurers — Gastwirte und Kellner, Soldaten und Seeleute — der protestantische Geistliche und die katholischen Pfaffen — die Bewegungen des Handwerks werden zur Gewohnheit: Schneider, Schuster, Musikanten, Studenten — Kennzeichen der Erziehung — quo semel est imbuta recens, servabit odorem testa diu.

Vier Brüder — das Leben und das Schicksal zeichnet die Menschen ins Angesicht — die Abenteuer, die Gil Blas erlebt hat, sind auf seiner Stirne zu lesen — die wahre Chiromantie — man sieht es dem Menschen gleich an, was er für Tage gesehen hat, ob er reich oder arm ist, ob er tausend oder zweitausend Mark zu verzehren hat — wie der reiche Mann spuckt und wie der arme Mann spuckt: Lesefrucht aus Labruyère — Schicksale und Erfahrungen gelangen nur durch Vermittelung der Affekte zum Ausdruck im Gesicht — die Objektivität muss durch die Subjektivität hindurchgehen — nur das dauernde Bild der Seele, an dem Vaterland, Geschlecht und Stand ein für allemal mitgearbeitet haben, ist der Vorwurf des Physiognomikers.

Die künstliche Haut des Menschen — weite Ausdehnung ihres Begriffs, die jedoch hier nur angedeutet wird — an der Kleidung nach Jesus Sirach der Geist des Mannes zu erkennen — zunächst erkennt man an ihr Stand und Nationalität — die Nationaltrachten vermischen sich, die Standesunterschiede verwischen sich — der nivellierenden Mode zum Trotz bleiben immer noch genug Nuancen übrig, die den Beobachter leiten können — auch bringt nicht selten der Beruf eine bestimmte Tracht mit sich — wie die römische Polizei mit Hilfe kupferner Stifte eine unbekannte männliche Leiche rekognosziert — innerhalb der durch Nationalität und Stand gezogenen Grenzen macht sich der Charakter des Individuums geltend — moralische Eigenschaften, die sich in der Kleidung spiegeln — die Eitelkeit, die aus den Löchern im Mantel des Antisthenes hervorguckt — wie sich der Weltmann kleidet — Vergleich zwischen der physiognomischen Prognose und der Bestimmung von antiken Marmorbildern, bei welchen ebenfalls auf die Kleidung zu achten ist — wie jene auf den dargestellten Gott, leitet diese auf den Geist, dessen Ebenbild der menschliche Körper ist.

Niemand badet zweimal in demselben Flusse — umsoweniger als sich der Badende selbst verändert — dennoch bleibt die Form des Organismus bis zu einem gewissen Grade stationär — dieselbe wird nur vorübergehend gestört, indem Reize an den Organismus herantreten und er auf die Reize reagiert — der Spiegel des menschlichen Angesichts zerbricht einmal über das andere und stellt sich dann von selber wieder her — zum Beispiel bei Aufregungen, im Zorne — der Kardinal Wolsey, der rasende Ajax, Othello, Hamlet — das Spiel der Mienen macht von der stehenden Physiognomie eine Diversion — die Reflexbewegungen sprechende Symptome, sie reden von den Affekten, die sie hervorgerufen haben, und mittelbar von den entsprechenden Reizen — alle Geheimnisse seines Haushalts schwatzt der Organismus, aus — das Tier selbst hat diese Sprache — die Ohren der Pferde, der Schwanz des Hundes, das Erwachen der Harpyie — Theoderich, durch einen Fischkopf an das Gesicht des Symmachus erinnert — die Reaktionen teils sichtbar, teils hörbar — Begriff der Interjektionen — dieselben sind bei den verschiedensten Völkern gleich, gehen von Volk zu Volk — wie der polnische Jude macht, wenn man ihm auf den Fuß tritt — sie werden gern verdoppelt und untereinander verbunden — Ergänzungen des Naturlautes durch Pronomina und andere Worte — Gewohnheit, im Schmerz das höchste Wesen anzurufen — der Name Linos, ein semitischer Klageruf — es läuft vieles unter dem Namen Interjektion, was nichts damit zu thun hat — O, bald Ausruf, bald Zuruf — inwiefern Flüche und Schwüre die Funktion von Interjektionen erfüllen — sie werden oft absichtlich verstümmelt und verdunkelt — Missbrauch des Begriffes Interjektion — Lockrufe, Scheuchrufe und andere Weisungen, so man den Tieren angedeihen lässt, dürfen nicht mit Naturlauten in einen Topf zusammengeworfen werden — die Lockrufe bestehen in den Namen der Tiere — wie Gänse, Hühner, Enten, Tauben, Schweine, Ziegen, Katzen gerufen werden — in Interjektionen reden ist ein Widerspruch — auch die Wörtchen, die man Menschen zuruft, keine Interjektionen, sie haben vielmehr Beziehungen zu Sprachwurzeln — Holla! zu holen, Hip! zu hüpfen, St! zu stehen — Theorie, wonach die Sprache überhaupt aus Interjektionen hervorgegangen sein soll — uns genügt es zu konstatieren, dass einzelne Interjektionen zu Substantiven und umfangreichen Begriffen erhoben worden sind, denn wir können die Interjektionen in unserem Buch nur brauchen, nicht sofern sie Worte sind, sondern sofern sie keine Worte sind.

Darwins Prinzip der Antithese — noch wichtiger ist das Prinzip der natürlichen Übertragungen oder der psychologischen Metaphern — die ganze Psychologie steckt voll bildlicher und indirekter Ausdrücke, voll volksmäßiger Gleichnisse — strenggenommen ist sie die Lehre vom Atem — alle Sprachen leiten die Vorstellung des Geistes und der Seele aus dem Begriffe des Atmens her — anderemale wird die Seele als eine Art zweiter Leib oder als ein Tierchen vorgestellt — das Zeugen und das Erkennen — äußerliche Vorarbeiten werden für die nachkommende Seelentätigkeit genommen — die Menge geht über die äußerlichsten und unwesentlichsten Erscheinungen des Seelenlebens nicht hinaus — hiernach begreifen wir, wie die Natur selbst geistige Zustände als solche nicht begreift — alle Geheimnisse seines Haushalts schwatzt der Organismus nach Einer Leier aus — erste Stufe: die Reaktion erfolgt auf einen sinnlichen Reiz — zweite Stufe: die Reaktion erfolgt auf die bloße Vorstellung des Reizes, zum Beispiel bei der Furcht — dritte Stufe: die Reaktion erfolgt auf allgemeine Störungen hin, welche unter dem Bilde eines lokalen Reizes angeschaut werden — die physischen Reize liefern das Tertium Comparationis — das Weinen und das Lachen: handgreifliche psychologische Metaphern — selbige Metaphern sind neue, aber unbewusste Kundgebungen der Natur und Elemente der Sprache ohne Worte.

Wie Lude sich die Weltsprache denkt — er kann sich auf Shakespeare berufen — nachdem wir gesehen haben, dass dienatürlichen Mienen und Geberden auf bestimmte Reize hin erfolgen, müssen wir nach dem Grunde fragen, der uns treibt, diese Reize hervorzubringen — dieser Grund ist das Gefühl, das uns eine Person einflösst — jedes Gefühl hat wieder seine spezifischen Geberden, zum Beispiel die Liebe den Kuss — das Präludium des Beischlafs — die geschlechtliche Liebe ist egoistisch und hat wenig von der wahren Liebe, die selbstlos und nur auf das Wohl des andern bedacht ist — der Kuss ein Vorgeschmack und eine Probe des Beischlafs und wie dieser ein egoistisches Vergnügen — der Küssende küsst sich gleichsam selber, wie Philine, die Kusshändchen austeilt — Übertragung des Liebeskusses auf Freunde und Verwandte — der Kuss von dem Mund auf untergeordnete Teile übertragen — seit den ältesten Zeiten grüßte man die Gestirne durch einen Kuss auf die eigene Hand — die Kusshand bei der Adoratio der Römer — den Göttern und Kaisern werden die Knie, die Füße, die Kleider, die Schuhe geküsst — die drei Stufen des Kusses: der Liebeskuss der geschlechtlichen Liebe, der der Ekel; der Kuss der wahren Liebe, der der Hass; der Kuss der Hochachtung, der der Stolz und die Verachtung entgegengesetzt ist — alle drei Stufen in Christus vereinigt — eine vierte Stufe: das Küssen der Verstorbenen.

Die diplomatische Miene des Tiberius, die unveränderte Miene des Marc Aurel — die Apathie der Stoiker — die alten Germanen sinken lachend in die Arme des Todes, die Indianer singen am Marterpfahle lustige Lieder — wir kaufen das Lachen und bestellen die Heiterkeit: die Sandwichmänner in Paris — im Dreißigjährigen Kriege lacht der Hauptmann mir am Sonntag, der Weltumsegler Cook lacht nur Sonnabend abends — Krokodilstränen — die Welt ein großes Schauspielhaus, die ganze Natur auf den Kopf gestellt — die Gewalt, welche wir über unsere Mienen und Geberden haben, äußert sich bald in negativer, bald in positiver Weise, jenachdem wir sie unterdrücken oder reproduzieren — das Reich Monomotapa niest — Unterschied zwischen dem falschen Geberdenspiel in der Gesellschaft und dem Spiel des Mimen im Theater — die Frauen überschauspielern Adrienne Lecouvreur und Rachel Félix — die Menschen wollen beobachtet werden, tuen aber so als ob sie nicht beobachtet werden wollten — wenn die Absicht, eine künstlich reproduzierte Miene sehen zu lassen, eingestanden wird, entsteht eine höhere Form der Sprache ohne Worte — Schluss des ersten Buches.

Der Stein der Weisen — es scheint, wir haben ein Pulver gefunden, das die Kraft hat, die ganze Welt in Sprache zu verwandeln — warum die Weltsprache noch keine rechte Sprache ist — der Zweck macht das Wesen der Tätigkeit aus, die Absicht der Mitteilung ist es, was eigentlich Sprache macht — das animalische Leben der Boden, in welchem die eigentliche Sprache keimt — indessen der Gedanke, der mitgeteilt werden soll, ist vorerst noch nicht entwickelt — es kann sich fügen, dass nur die Absicht der Mitteilung allein zum Ausdruck kommt, der Gedanke im Hintergrunde bleibt — die Weckstimmen, die Reveille in der Sprache — das Anklopfen — wie man in England klopfen muss — diese Verständigung eine Vorstufe des Verkehrs — ausgestellte Wachen bei Gemsen, Affen, Kranichen — Unterhaltungen zwischen Insekten — der Krokodilwächter — Krebs und Muschel — es fragt sich, inwieweit die Signale der Tiere bewusst erfolgen — die Zeichen, welche sich die Menschen untereinander geben — der Pfiff des Odysseus und die Pfeifsprache auf Gomera — die Trommelsprache in Kamerun — das Klatschen in der Diamantenwäscherei — das Zeichen wird konventionell und verschieden gestaltet, um seine Ausdrucksfähigkeit zu steigern — Kanonenschüsse, Glockengeläute, das Tamtam oder Gonggong — die Flaggensprache — wie die Wenden zur Gemeindeversammlung eingeladen werden, wie der oberösterreichische Bauer Gevatter bitten geht — der Zeremonienmeister, der Droschkenkutscher, der Schutzmann, wie sie sich bemerkbar machen — die Klingeljungen der Bolleschen Milchwagen, die seltsamen Weckapparate der Hausierer — diese Reveille nur eine Vorstufe der Sprache — wir können damit nur den schlafenden Verstand aufwecken.

Die Marmorstatue des Philosophen Condillac — Statuen, Typen der Kälte und Empfindungslosigkeit — sich in eine Statue verwandeln heißt zur Leiche werden — die Elfenbeinstatue Pygmalions macht eine Ausnahme hiervon — die griechische Bildhauerkunst hat eine Entwickelung durchgemacht, die an das allmähliche Auftauen und Erwärmen der schönen Galatea erinnert — versteinerte Geberden: der Zeus des Phidias, der trunkene Satyr, Harpokrates, Narciss — Vergleich zwischen Statuen und den Denkmälern Verstorbener — die ersteren beleben sich allmählich mit dem Fortschreiten der Kunst und fangen an zu reden — der Wunderglaube des Volkes verleiht den Statuen häufig eine phänomenale Beweglichkeit und schreibt ihnen die Geberden lebender Wesen zu — die klingenden Statuen auf dem Kapitol, das wiehernde Pferd des heiligen Georg in Konstantinopel — Don Juan und der Steinerne Gast — aber die Statuen leben und sprechen schon als solche — wir selbst gleichen Marmorstatuen, die mit Geberden sprechen — Unterschied zwischen unserer Geberdensprache und der Beredsamkeit des Marmors — die gesprächigen Statuen gleichen Modellen, an denen wir uns die Sprache ohne Worte deutlich machen, wie sich das Volk die Weisheit gelehrter Männer an bronzenen Köpfen deutlich macht — jedermann stellt die beste Bildsäule von sich dar — die neunte Statue in dem Märchen aus Tausendundeine Nacht.

Die systematische Darstellung — Zeichen der Liebe: der Kuss, die Umarmung und der Händedruck — letzterer aus dem Handschlag hervorgegangen — Hand in Hand — im Mittelalter reichte der Ritter der Dame nicht den Arm, sondern die Hand — der Nasenkuss der Fidschiinsulaner — Zeichen der Verehrung — sie laufen auf eine Selbsterniedrigung hinaus — Grade der letzteren: die Niederwerfung, das Niederknien, die Verneigung, das Hutabnehmen, das Ausziehen der Schuhe, das Ausweichen und Platzmachen — wir verfolgen diese Geberden durch Altertum, Mittelalter und Neuzeit — Beispiele aus der Bibel, historische Belege, Beobachtungen, die auf Reisen gesammelt sind — Stellungen beim Gebet — die Adoratio — Abraham und die drei Engel — Herzog Rollo und Karl der Einfältige — der Selam der Türken — Zeichen der Dankbarkeit: sie fallen vielfach mit den Geberden der Liebe und Verehrung zusammen — Zeichen des Beifalls: das Klatschen — die Nachsicht: durch die Finger sehen — Zeichen des Missfallens: sie sehen den Zeichen des Beifalls oft sehr ähnlich — der Zorn: die Ohrfeige — der Verweis: die Nase — Zeichen des Spottes: der Storch, das Eselbohren, das Herausstrecken der Zunge, Hörner machen, Rübchen schaben, eine lange Nase machen, ein Schnippchen schlagen — Zeichen der Verachtung: das Ausspeien, das Entblößen des Gesäßes, das Bieten der Feige, das Ausstrecken des Mittelfingers — die Feige ein Bild der Gebärmutter, die Geberde ein Bild des Colins.

Die lakonische Kürze, deren sich die Engländer in der Sprache befleißen — sie sprechen oft gar nicht, sondern argumentieren mit Thatsachen, zum Beispiel die Temperanzler — Facta loqtuuntur — faktische Beweise, die der Redner beibringt — er lässt die Dinge reden, wie Cid mit seinem Degen redet — Edmund Burke schleudert einen Dolch ins Parlament — dieser praktische Tropus ist verfehlt — Burke hätte sich die Alten zum Muster nehmen sollen — Cato wirft frische Feigen in den Senat — der Sack ist leer — Lebende und Tote werden zu Zeugen angerufen: Hyperides und Phryne, Antonius und Cäsar — der Levit, der Stücke seiner Frau an die zwölf Stämme Israels versendet — das sind praktische Tropen und die gewaltigsten Redefiguren unter allen.

Wie die Bettler reden — wie der Kaiser Augustus die Hand aufhält — wie Not und Unglück für sich selber sprechen — Graf Eberhard der Rauschebart schneidet das Tischtuch entzwei — der Mönch bittet um Verzeihung mit einem Stricke um den Hals — der Besiegte übergibt dem Sieger seinen Degen — das Abschneiden des Haares — Diogenes beweist dem Philosophen Zeno die Bewegung, indem er geht — der alte Graf geht dem neuen Fürsten, Frau von Pfaffenrath geht der Frau von Gleichen vor.

Wie Herzog Anton Ulrich von seinem Lehen Besitz ergreift — moderne Formen der Besitzergreifung — der Bräutigam tritt der Braut auf den Fuss, Beispiel im Meier Helmbrecht — warum der Verlobungs- und der Trauring an den Goldfinger der linken Hand gesteckt wird — Absprechen des Besitzes — wie der alte Mieter herausgetrieben wird — Lauzun zerbricht sein Schwert vor den Augen des Monarchen — St. Dominicus zerreißt eine Urkunde vor den Augen des Bischofs, Capponi eine vor dem französischen König — eine Drohung ausführen ist besser als drohen, ein Versprechen erfüllen ist besser, als versprechen — das Ei des Kolumbus — die faktischen Beweise sind zweckmäßig gewählte Experimente — Schluss.

Philomela stickt Bilder, da sie nicht mehr sprechen kann — wie sie, geht die Sprache von schlichten Worten zu poetischen Bildern über — in Bildern zu reden scheint eine Sache der Dichter und der Redner zu sein — aber Männer jeden Schlages wählen gern Bilder, um ihre Gedanken kurz und treffend auszudrücken — das Volk selbst ist an dichterischen Anschauungen reich, das Volksgemüt die große Quelle der poetischen Metaphern — die Bilder wechseln von Land zu Land und von Nation zu Nation — die Sprache eine phantasievolle Dichterin — das Volk wählt gelegentlich noch greifbarere Bilder — es wird etwas gezeigt, geschickt, getan, was ins Auge fällt — sind die Dinge in natura nicht zur Hand, so nimmt man Symbole der Dinge — Beispiele werden aufgesucht und Fabeln in Szene gesetzt — die Wirkung einer solchen Demonstration eine außerordentliche — wie ein Pastor zwei bissige Hunde eine philosophische Disputation vornehmen lässt — zwei prozessierende Bauern, die eine fette Kuh auseinanderreißen, während sie der Advokat melkt — wie Sancho Panza als Gouverneur eine Frau, die über Notzucht klagt, ad absurdum führt.

Das eiserne Schloss und die Leimrute beim Eidschwur Don Alfonsos des Tapferen — symbolische Gebräuche und Handlungen — Napoleon zertrümmert das Papsttum — er wird von Pius VII. ein Komödiant genannt — Gelimer, der letzte König der Vandalen, bittet in seiner höchsten Not um ein Brot, einen Schwamm und eine Harfe — die Botschaft der Scythen an Darius: ein Vogel, eine Maus, ein Frosch und fünf Pfeile — der heilige Bernhard steckt seinem Vater das Haus an, um ihm die Hölle anschaulich zu machen — Franklin schickt dem englischen Minister Klapperschlangen — Aristodicus jagt die Sperlinge aus dem Tempel des Apollo — die Bienen in der Bildersprache — wie ein Pädagog die abstrakten und die konkreten Begriffe bezeichnet — der rote und der schwarze Stiefel Roskowskis — die Verhaltungsmaßregeln, die Justinus Kerner seinen Kranken mit verschiedenfarbigen Fahnen gibt — das Bild liegt auf der Straße — die Aufnahme des Prinzen Aureng-Zeyb in die Schweigende Akademie.

Die Bildersprache ist ebenso undeutlich wie deutlich — es gibt Dinge, die man nicht gern mit Worten sagt — die Engländerin und die Türkin, beide geben den Grund, warum sie sich von ihrem Manne scheiden lassen wollen, bildlich an — der Schuh ein Symbol der weiblichen Scham — die schamhaften Frauen sprechen überhaupt von geschlechtlichen Dingen nicht gern direkt — die Männer bedienen sich der Bilder aus Furcht oder aus Vorsicht — Thrasybulus, der Ähren, Tarquinius Superbus, der Mohnköpfe abhaut — Commodus tritt mit einem Straußenkopfe in der Hand unter die Senatoren — die Bildersprache besonders für Schimpf und Spott geeignet — die Belagerung von Kufstein — das Hundetragen — anzügliche Zusendungen: Hunde, Federbälle, Plätteisen, Kastanien, Hirsekörner, Wassermelonen — zu den anzüglichen und bedeutsamen Sendungen gehören auch die Blumen und die frankierten Briefe — der Selam der Türken — die goldne Rose, die Lutherrose, die geheime Gesellschaft der Rosenkreuzer — die Art, die Freimarken aufzukleben — das Häckselstreuen und der Strohkranz, Andeutungen, dass das Mädchen ein Kind bekommen habe — der Messerschmied und der Advokat, Typen für die Bildersprache des Volkes.

Die Blumensprache. — Die Briefmarkensprache.

Ergänzung der Geberdensprache durch Toilettengegenstände — die Spielhahnfedern am Hute der jungen Burschen in Tirol und Oberbayern — die Stocksprache, die Handschuhsprache — was eine schöne Frau mit ihren Handschuhen und ihrem Fächer alles sagt — die Akademie, auf welcher junge Damen im Gebrauch des Fächers unterrichtet werden — Spanien, das klassische Land der Fächersprache — die Kleidungsstücke sind an sich significativ — Frauen ziehen sich anders an als Männer, verheiratete Frauen anders als Jungfrauen — erstere haben Hauben, die letzteren gehen im Haar — die Schwestern der Brüdergemeinde zeigen ihren Rang durch die Farbe der Haubenbänder an, ebenso die Mädchen auf den florentiner Fastenmarkten — in der Bretagne verraten sie ihre Mitgift durch die Streifen ihrer Röcke — das Signal der Frau von Soubise: ein Paar smaragdene Ohrgehänge.

Die vorübergehenden Mitteilungen auf dem Wege der Toilette gleichen schwarzen und weißen Segeln, die aufgezogen werden — uns kommt es auf stehende Signale und dauernde Abzeichen an — auf Abzeichen, wie der Pantoffel, den der Ritter Polyphem auf seinen Helm steckt — auch die Frauen tragen politische Abzeichen: die Damenhüte in England, die Spanierinnen bei den Stiergefechten — in erster Linie sind es die Männer, die Farbe bekennen sollen — Farben sind an sich oft Abzeichen politischer Parteien — anderemale haften sie an bestimmten Blumen, welche die Abzeichen bilden — das Geranium, das Veilchen, die weiße und die rote Rose — andere Abzeichen: der Bundschuh, der Bettelsack — Erkennungszeichen, die gewissen verfemten Menschenklassen, wie Sträflingen, vom Staate aufgezwungen werden — Tracht der Juden und der prostituierten Frauenzimmer — die Brandmarkung — der Strick um den Hals.

Abzeichen dienen auch dazu, die Lebensstellung, den Rang und das Dienstverhältnis zu charakterisieren — sie greifen nicht selten auf die gesamte Tracht über — Uniformen, durch die der Staat einzelne Stände und Volksklassen auseinander hält — ihre Supplemente, Orden und Gradabzeichen — der Ornat — die Uniformierung arbeitet der nivellierenden Tendenz entgegen — der doppelte Naturzustand des Menschen — Proben der Art, wie die Kleidung in verschiedenen Kreisen geregelt wird — in Konstantinopel: Kopfbedeckungen, Beinkleider, Pantoffel sind vorgeschrieben — die Jäger und Kutscher der Gesandten in Petersburg — die Eisenbahnbeamten — das Militär: nationale Farben und Montierungsstücke, Unterscheidungsmerkmale der einzelnen Truppenteile und Truppengattungen, Rangabzeichen — der Tigerpelz Zietens — nirgends ist das Uniformwesen so sorgfältig ausgebildet und so systematisch durchgeführt als wie beim Militär — Feldzeichen und Feldbinden im Dreißigjährigen Kriege — die Montierungsstücke wandern von Land zu Land und kommen von Nation zu Nation in Aufnahme, zum Beispiel der Tschako, der Dolman, der Attila — Husaren, Dragoner, Ulanen, von den Franzosen alle als Ulans bezeichnet.

Ein Brief des Herrn von Hopfgarten — sein Wappen ist überall angebracht, zuerst auf seinem Schilde — die Malereien auf den Schilden der alten Deutschen — Wappen sind Waffen — die Wappen aus Schildbildern und Helmkleinoden hervorgegangen — sie sind ein sprechendes Accidens der Rüstung — nicht alle redend, aber alle sprechend — sie erzählen von dem Geschlecht und, da sie im Laufe der Zeit darauf übergehen, von dem Besitz, der Herrschaft, dem Amt des Trägers — der deutsche Adler — der zweiköpfige Adler — die Wappenschau der Herolde bei den Turnieren: Blason, Heraldik — die Wappen werden von Schild und Helm auf alles übertragen, was zur Familie gehört — Gesellschaftswappen, Klosterwappen — Herrschafts- und Länderwappen sind dem Geschlechtswappen des Herrn entnommen — die Fahnen der Innungen — der gekrönte Brezel — Aushängeschilder der Handwerker — eine mittelalterliche Bildersprache und Bilderschrift — Auslese von Wappen und Aushängeschildern in tabellarischer Form.

Was ist besser, ein Feuerzeug oder ein brennendes Licht? — bisher hat man uns nur das Feuerzeug gereicht — Entwickelung des Gedankens aus dem Dinge — Wirklichkeit und Wahrheit — was geschieht eigentlich in uns, wenn wir denken? — der denkende Mensch gleicht dem Hirten im Evangelium, der das verlorene Schaf in seinen Stall zurückbringt — gleich ihm bringt er das Individuum in der Art vermöge des Urteils unter — in der Sprache wird das Individuum zum Subjekt, die Art zum Prädikat, das Urteil zum Satz — der Satz wird wiederum in vierter Reihe zur Verknüpfung eines Substantivs mit einem Verbum — alle Sprache dreht sich um den einfachen Satz — die Realisierung des Satzes in der Lautsprache und in der Sprache ohne Worte — die Darstellungsmittel der letzteren sind die Geberde und die Schrift — der Klub des Stillschweigens in London, seine seltsamen Gebräuche und Satzungen — er übersieht nur, dass sein Stillschweigen kein absolutes und dass die Geberdensprache auch eine Sprache ist — die Kunst der Pantomime — der pontische König erbittet von Nero einen Schauspieler, der ihm helfen soll, sich mit Barbaren zu verständigen — die Chironomia der Alten: Beispiel an einer antiken Vase — die Finger kleine alpartige Geister — was man mit ihnen alles zu wege bringt — die Geberdensprache und der plastische Sinn der Neapolitaner — jeder Neapolitaner vom Lazzarone bis zum König spricht mit seinen Händen — die Rede des Re Bomba — die Finger als Geschwister, als Sekretäre — die Bilderschrift des Volkes in Wirtshäusern und Schaubuden — Theaterzettel und andere Anzeigen in Bildern — Hier wird nicht gepumpt — Schimpf und Spott greifen zur Bilderschrift — die Geige, ein volksmäßiges Sinnbild für das Weib — wie sie gefallenen Mädchen angehängt und zu einem allgemeinen Ausdrucke des Spottes erhoben wurde — in Tirol wird sie an die Wand gemalt — Korrespondenz per Postkarten zwischen einem Westfalen und seinem Stammtisch in Leipzig — die Bilderschrift dient gelegentlich dazu, die Gedanken des Schreibers zu verhüllen — Gaunerzinken und Spitzbubenzinken — Zeichen der Fahrenden Leute: der Pfeil — zum Teil sind diese Zeichen uralte deutsche Personenbezeichnungen — Pfeile, Herzen, Fackeln auf Liebesbriefen des 16. Jahrhunderts — erotische Wandmalereien — die griechische Drei und die polnische Fünf.

Der Mensch ein Baldanders und ein Proteus — Kunststücke des Arabers Abdallah an Bord eines Nilschiffes — an Proteussen fehlt es nicht — wir haben alle etwas von einem Proteus und ahmen gleich ihm sichtbare Gegenstände mit unserm ganzen Körper nach — anderemale bilden wir die Gegenstände nur plastisch mit Händen und Füssen ab — noch anderemale begnügen wir uns damit, sie in der Luft zu zeichnen oder nur darauf hinzuweisen — Gespräch zwischen der Bella Maddalena und einem Dienstmädchen im fünften Stocke — Disputation eines Pfarrers und eines Schuhmachers in der Fastenzeit auf der Kanzel — während wir nur unter besonderen Umständen und aus Not zur Geberdensprache greifen, ist sie bei gewissen Menschenklassen, die entweder immer in der Not sind oder sich die Not grundsätzlich selber machen, das stehende und regelmäßige Mittel der Verständigung — dergleichen Menschenklassen sind: einzelne wilde Völker, die Taubstummen und die Zisterzienser Mönche — natürliche Übereinstimmung dieser drei Klassen in ihren Geberden — merkwürdiges Gespräch zwischen einem Donimus Reverendus von Clairvaux, einem Indianer vom Lorenzbusen und einem Zögling des Berliner Taubstummeninstituts — wie sie Feuer und Wasser, Regen und Hagel, Gott und Seele, sehen und geheimhalten zum Ausdruck bringen — Idiotismen der einzelnen Klassen — das Zeichen für die Stadt Charlottenburg in dem Berliner Taubstummeninstitut — wie die Trappisten leben und sterben — wie die Indianer den Hund, die Taubstummen das Brot, die Milch und das Kind in der Geberdensprache nennen — das Brot in der Lautsprache das Gebraute oder das Gebrochene, in der Geberdensprache das Geschnittene — Abbildungen gleicher Gegenstände müssen sich ähnlich sehen — wie der liebe Gott nach Eckermann Goethe die Schöpfung hätte überlassen können, so kann auch der Lehrer der Geberdensprache seine Schüler nur machen lassen.

Die Nachbildung der Dinge auf Flächen mittels Linien und Farben noch ergiebiger als die plastische Nachbildung — unsere eigene Schrift beruht darauf — wie ein Taubstummer rotes Zelt schreibt — die Figuren eines Zeltes und einer Zelttüre gehen durch die Jahrtausende — was heißt schreiben? — schreiben heißt kleine Bilder zeichnen, denn Hieroglyphen und Sinogramme, Keile und Runen waren von Haus aus Bilder sichtbarer Gegenstände — Bilder wie die Sudeleien der Schuljungen, die Kritzeleien der Hinterwäldler in Amerika, die Schmierereien unserer Narren — es kam nicht darauf an, ob diese Bilder gut waren — die roheste Nachbildung genügte, wie sie bei den Croquis der Einjährig-Freiwilligen und beim Situationszeichnen genügt — auch unsere Kalenderzeichen sind nicht viel besser, im Gegenteil sie stimmen mit den Hieroglyphen und Sinogrammen auf das genaueste überein — Zeichen für Sonne und Mond, Planetenzeichen, Apothekerzeichen — wie Feuer und Wasser, ein Tier und ein Baum, unten und oben ausgedrückt wird — der Buchstabe H ein Gitter, O ein Auge — die ägyptischen Hieroglyphen und die chinesischen Sinogramme sind nichts, was nicht täglich auch bei uns vorkäme — wir alle malen Quadrate, Kreuze, Sterne, Pfeile, Hände, Donnerkeile, Spieße und haben für Begriffe, die häufig vorkommen, konventionelle Bilder — wie in Norwegen Kristiania geschrieben wird — Fruchtbarkeit dieser einfachen Bilder: sie drücken nicht bloß die Gegenstände selbst sondern auch alles das aus, was dieselben begrifflich einschließen oder symbolisch darstellen — Götter und Naturkräfte profane Dinge — sie vertreten leider auch alle Dinge, deren Namen dem Namen des Originals gleichlauten, das heißt alle Homonymen.

Die phonetische Krankheit — Wort und Sache wird nicht auseinandergehalten und infolgedessen das Bild nicht bloss für das Ding, sondern auch für das Wort genommen — diese Methode ist uns nicht fremd, auf ihr beruhen die sogenannten Rebusse — historische Beispiele aus Frankreich, Spanien und Italien — Charaden, wie sie in Deutschland aufgeführt zu werden pflegen — die Ägypter haben auch Rebusse gemacht und Bilderrätsel erfunden — wie das Bild des Löwen für den Begriff Wasser verwendet wird und wie darauf die Sitte zurückzuführen ist, bei Öffentlichen Brunnen das Wasser aus Löwenrachen quellen zu lassen — die Hinzufügung der Determinativa — derselbe Entwickelungsgang in der chinesischen Bilderschrift und in der Keilschrift, aber in der ägyptischen Schrift ist er am deutlichsten — nachdem das Bild auf das Wort übertragen worden ist, schreitet das Volk dazu, das Bild auf den Anlaut des Wortes zu übertragen — so gelangte es zu einem System der Laute überhaupt für das Ding, das bisher mit einem einzigen Bilde bezeichnet ward, brauchte man nun so viele Bilder als sein Name Laute enthielt — die ideographischen Zeichen verschwanden damit nicht ganz, aber das frühere System war überwunden, das Volk hatte Buchstaben gewonnen — Vergleich mit den Taubstummen, welche die Buchstaben des Alphabets erlernen.

Die Schritt tritt in den Dienst der Lautsprache — die Phönizier bekommen die ägyptischen Buchstaben in die Hände und geben ihnen neue, aber gleich anlautende Namen — das Beth und das Gimel in den Schulen Karthagos zur Zeit der Vandalenherrschaft — aus dem phönizischen Alphabet gehen die verbreitetsten Schriftarten der Erde, die arabische und die lateinische hervor — Kadmus bringt sechzehn Buchstaben nach Griechenland — die Figuren werden umgekehrt und die Zeichen für Hauchlaute in Zeichen für Vokale verwandelt — durch die Griechen Siziliens und Unteritaliens wird das phönizische Alphabet den Römern übermittelt — H wird wieder Zeichen der Aspiration — Geschichte der Buchstaben F, Y, Z — Verhältnis der beiden Buchstaben C und G — Aussprache des C im alten Rom — Cicero und die Kichererbsen — Erinnerung an die Sizilianische Vesper.

Durch Ulfilas und Cyrillus kommt die griechische Schrift zu den Germanen und zu den Slawen — die Cyrillica bildet die Grundlage der russischen Schrift — die ältesten Schriftzeichen der Germanen waren die Runen — sie sind aus dem lateinischen Alphabet hervorgegangen — das Futhark — jede Rune hatte einen bestimmten Namen, der bald aus der Mythologie, bald aus dem Leben genommen war — die Runen wurden auf Buchstaben eingeritzt, welche man zur Losung und Weissagung benutzte — sie galten als Zauberzeichen — allmählich fingen die Runen an, nur den Anlaut ihres Namens zu vertreten und wurden schließlich zu Lautzeichen überhaupt — seit dem V. Jahrhundert wird das Runenalphabet, als ein deutsches und heidnisches, durch das lateinische Alphabet verdrängt — die Mönche, die lange im alleinigen Besitze der Schreibkunst waren, machten eine ganz neue Schriftart daraus, die deutsche oder gotische — dieselbe ist jedoch nichts Deutsches — von den Klöstern ist auch der Missbrauch ausgegangen, die Hauptwörter groß zu schreiben — die phonetische und die historische Schreibweise — man soll nicht dieselben Laute durch verschiedene Zeichen, noch verschiedene Laute durch dieselben Zeichen wiedergeben — was dasselbe ist: jeder Laut soll nur einunddasselbe Zeichen und jedes Zeichen nur einenunddenselben Laut haben — wie viel ein deutsches Kind Unterrichtsstunden braucht, um fest in der Orthographie zu werden — Vereinfachung der Zeichen — mit allen ihren Mängeln ist doch auch unsere Schrift ein Erbteil uralter Weisheit — jedes geschriebene Wort ein optisches Vexierbild — dieses Buch, welches die Schrift als einen Ableger der Sprache ohne Worte zu erweisen sucht, wäre selbst ohne die Schrift nicht denkbar.

Die Ziffern ein Rest der alten Bilderschrift — ihr Ursprung dunkel — Erinnerung an einen Professor der Mathematik, der die Revolution der Zahlen predigte — er behauptete, jede Ziffer müsse so viel Striche haben als Einheiten, danach restaurierte er die Ziffern — wie er die Null geschrieben wissen wollte — alle Ziffern sind gewissermaßen Nullen — der arabische Ursprung unserer Ziffern — Unterschied zwischen einfachen und zusammengesetzten Ziffern — nur um die ersteren handelt es sich; auf welchem Wege gewannen die Völker einfache Ziffern? — erstens auf dem ebenangegebenen: soviel Striche zu machen als Einheiten vorhanden sind — zweitens dadurch, dass sie die Anfangsbuchstaben der Zahlwörter zu Ziffern erhoben — drittens, indem sie die Buchstaben des Alphabets zu Zahlzeichen benutzten und dieselben die ihrer Stelle entsprechende Zahl vertreten ließen — an diese Methode, erinnert der Ausdruck Kümmelblättchen, eigentlich Gimelblättchen — viertens, indem sie die Ziffern durch Dinge ausdrückten, welche erfahrungsgemäß eine bestimmte Anzahl von Einheiten enthalten — die römische Ziffer V hat die Form einer Hand, X ist eine doppelte Hand — es gibt Dinge, welche zufällig die Gestalt von Ziffern haben, sie gehen uns nichts an, ebensowenig die Ziffern, welche mit den Fingern nachgemacht werden — dagegen besteht bei der Hand und der Fünf ein innerer Zusammenhang, denn die Hand ist eine lebendige Fünf, die Finger sind lebendige Einheiten — die italienische Einheit in Neapel — die Dreieinigkeit mit den Fingern dargestellt — Hand und Fünf sind in der Sprache des Volkes geradezu gleichbedeutend, wie bei den modernen Römern die Beine der Frau die Zahl Zwei bedeuten — wie, wenn alle Ziffern aus solchen natürlichen Zahlen hervorgegangen wären?