Wirkung des Kongresses.

Aber auch in der christlichen Welt hatte der Kongreß lebhaften Eindruck hervorgerufen. Insbesondere die englische Presse ging mit der Unbefangenheit an die Diskussion des Problems, die man in diesem Lande der Freiheit und des weiten politischen Horizontes voraussetzen konnte. Während die Juden gehörige „Neue Freie Presse“ den Kongreß totzuschweigen sich bemühte, forderten die konservative „Pall Mall Gazette“ und der radikale „Daily Chronicle“ fast gleichzeitig, später Arnold White in der „Contemporary Review“, eine europäische Konferenz zur Lösung der Judenfrage. So erfreulich dieser Widerhall der zionistischen Forderungen in England war, so wenig erbaulich war die Wirkung an anderen politischen Stellen. Es wurden lebhafte Versuche gemacht, verschiedene Mächte zu Protesten gegen die jüdischen Forderungen in Konstantinopel zu veranlassen. Wenn auch solche Tatsachen bewiesen, daß man in politischen Kreisen die Kraft der Bewegung und vielleicht noch mehr die ihres neuen Führers verstand, so bedurften diese Vorgänge doch ernster Sorge und Abwehr. Die „Welt“ und die „Correspondence de l'Est“, die Michael von Newlinski leitete, haben Herzl dabei große Dienste geleistet*).

*) Herzl wurde glücklicherweise rechtzeitig über die Gefahren, die insbesondere von kirchlicher Seite drohten, informiert und vermochte ihnen zu begegnen. Immerhin bedurfte es für ihn außerordentlicher Anstrengungen, um Herr der Situation zu bleiben. „In Konstantinopel wird gearbeitet. Aber ich bin ein einzelner Mann und die Arbeit ist enorm.“ Brief vom 28. September 1897 an Cohen.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Leben Theodor Herzls