„Protestrabbiner“ – Weitere Proteste.

Die Rabbiner Maybaum, Guttmann, Horowitz, Auerbach und Werner erließen im Berliner Tageblatt und anderen Zeitungen als geschäftsführender Vorstand des deutschen Rabbinerverbandes eine Erklärung. Sie behaupteten darin, die Bestrebungen der „sogenannten“ Zionisten widersprächen den messianischen Verheißungen; das Judentum verpflichte seine Bekenner, dem Vaterland, „dem sie angehören“, mit allen Kräften zu dienen.

Nach einer kurzen Verbeugung vor den Kolonisationsbestrebungen wird dann „aus Gründen der Religion wie der Vaterlandsliebe . . . vor den vorerwähnten zionistischen Bestrebungen und ganz besonders vor dem trotz aller Abmahnungen noch immer geplanten Kongreß“ eindringlich gewarnt.


Diese vielerörterte Erklärung hat der Bewegung nicht nur nichts geschadet, sondern ihr sehr genützt. Die Entrüstung über die in der Erklärung liegende Denunziation der Vaterlandslosigkeit reizte die Anhänger des Kongreßplanes zu verdoppelten Anstrengungen. Zurückgehalten hat die Erklärung wohl niemand. Die Unterzeichner aber haben viel Peinliches hören müssen — vor allem von Herzl selbst, der für sie in seinem glänzend geschriebenen Leitartikel der „Welt“ vom 10. Juli 1897 das Wort „Protestrabbiner“ prägte. „Damit sie fürder nicht mit den guten Rabbinern verwechselt werden, wollen wir die Angestellten der Synagoge, die sich gegen die Erlösung ihres Volkes verwahren, die Protestrabbiner nennen.“

Von den Unterzeichnern des Protestes hat mindestens einer später der zionistischen Sache recht nahe gestanden, und auch andere würden sich schwerlich später noch zur Unterschrift verstanden haben. Aber die Erregung der jüdischen Öffentlichkeit gegen die angebliche Friedensstörung, die Furcht der maßgebenden Kreise, war so groß, daß sie sonst klugen und wohlwollenden Leuten die ruhige Überlegung nahm.

Auch die amerikanische Rabbinerkonferenz motivierte ihre Ablehnung mit einer Erklärung, mehr offen als klug: „Der Kongreß und der Judenstaat beabsichtigen, verfolgten und bedrückten Juden eine Heimatsstätte zu schaffen. Wir Juden in Amerika leben so frei, daß auch ein jüdischer Staat keine größere Freiheit gewähren kann, folglich (!) geht uns der Judenstaat nichts an.“ Es war eine Äußerung jener Menschenklasse, die Nordau mit dem Worte gebrandmarkt hat: sie sitzen im sicheren Boot und schlagen den Ertrinkenden, die sich an den Bootsrand klammern, mit dem Ruder auf die Köpfe.

Das alles waren offene Gegner. Und wieviel ist noch hinter den Kulissen gegen den Kongreß und gegen Herzl gewühlt und intrigiert worden!


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Leben Theodor Herzls