Krankheit — Franzensbad.

Wenige Tage vor den Besprechungen hatte Herzl noch von Edlach aus 1½ Stunden zur Rax emporsteigen können. Am Morgen der Tagung erschreckt er die Freunde durch sein Aussehen*). Unmittelbar nach dem Schluß konstatieren die Arzte eine schwer beunruhigende Veränderung des Herzmuskels. Trotzdem will er noch am 27. April nach London reisen, aber es ist unmöglich. Am 3. Mai geht er zu einer Herzkur nach Franzensbad. Das durch übermenschliche Anstrengungen und die Erregungen von Jahren schonungslos geplagte Herz versagt immer mehr den Dienst. Heftige Anfälle von Atemnot und Schwäche kehren immer wieder. Dabei schont er sich auch jetzt nicht, sobald es sich um mögliche Erfolge zionistischer Arbeit handelt.

*) „Ich bin in diesen Monaten ein müder Mann geworden,“ klagt er dem Verfasser am 11. April morgens unter vier Augen, während er in der Sitzung unverändert erscheint.


Am 9. Mai besucht ihn Katzenelsohn, den er mit einer Mission zur Gewinnung einer bekannten Persönlichkeit nach London gesandt hat, und der von dort nach Petersburg fahren soll. „Wozu sollen wir uns täuschen“, sagt er ihm, „es ist bei mir nach dem dritten Läuten. Ich bin kein Feigling und sehe dem Tode sehr ruhig entgegen, um so mehr ... ich habe die letzten Jahre meines Lebens nicht nutzlos verbracht. Ich war doch kein allzu schlechter Diener der Bewegung, meinen Sie nicht? ... Es ist keine Zeit mehr zum Scherzen. Es ist bitterer Ernst“*).

*)Nach mündlichen Mitteilungen Katzenelsons hat Herzl in dem Gespräch Nordau als seinen Nachfolger bezeichnet.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Leben Theodor Herzls