Herzls Tod.

Am 3. Juli in der Frühe treten Anzeichen beginnenden Kollapses auf. Er fordert von dem Arzt das Ehrenwort, daß er ihn nicht vor der Ankunft der Seinen sterben lasse. Und nun beginnt zwischen ihm und dem Bezwinger aller Menschen ein verzweifeltes Ringen. Trotz der Julihitze in Decken und Tücher gepackt, erhält er unaufhörlich Stärkungsmittel und Kampferinjektionen. Dabei kommt kein Laut der Klage über seine Lippen; trotz Schmerzen und Atemnot ist er heiter; sein eiserner Wille hält selbst den Tod auf. Als endlich die Mutter eintrifft, richtet er sich mit übermenschlicher Energie kerzengerade auf und ruft ihr zu: „Das ist schön, liebe Mutter, daß du schon da bist. Du siehst gut aus; ich sehe nicht so gut aus, aber das wird schon besser werden“. Nachdem er Mutter und Kinder geküßt, schickt er sie hinaus — und sinkt völlig erschöpft zusammen. Selbst in diesem Augenblick war er ganz Rücksicht, Zartgefühl, Selbstbeherrschung gewesen. Noch einmal sieht er die Lebensgefährtin und einige Freunde. Um fünf Uhr nachmittags hört der um ihn beschäftigte Dr. Werner, als er sich einen Augenblick abgewendet hat, einen tiefen Seufzer. Theodor Herzls Haupt sinkt nieder auf die Brust — der größte und edelste Sohn unseres Volkes ist schmerzlos hinübergeglitten in das Land des Friedens, wo es keine Kämpfe und Nöte, nicht Bedränger und nicht Bedrängte gibt. „Gott zerbricht die Werkzeuge, deren er sich bedient hat“, so hatte er einst geschrieben. Und es war in Erfüllung gegangen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Leben Theodor Herzls