Herzls Familie, seine Jugend.

Als 1878 Pauline starb, zog die Familie nach Wien, wo Theodor Herzl juristischen und literarischen Studien oblag. Aber die Dichtung zog ihn mehr an, als das gemeine Recht. War doch schon in frühen Jahren eine außerordentliche Phantasie das hervorstechende Merkmal seines Charakters gewesen. Mit zehn Jahren beschloß er den Panamaisthmus zu durchstechen, mit vierzehn Jahren gründete er den belletristischen Verein „Wir“*), aus dessen uns erhaltenem Vortragsverzeichnis sich eine in diesem Alter ungewöhnliche Produktivität ergibt. Und bereits in der siebenten Klasse des Gymnasiums schrieb er den ersten Zeitungsartikel. „Natürlich ohne Namen; sonst würde ich vom Lehrer eingesperrt worden sein“**).

So war es natürlich, daß schon in der Studienzeit eine große Anzahl von literarischen Erzeugnissen entstand, und daß er seit 1884 nach dem Bestehen des ersten Examens sich fast ganz der Schriftstellerei widmete. Er war damals Rechtspraktikant in Salzburg, dessen schöne Lage ihn mit Begeisterung und neuer Arbeitsfreudigkeit erfüllte. „In Salzburg,“ schreibt er, „erschien mir die Arbeit anziehender; die Szenerie um die Stadt ist bekanntlich eine besonders schöne. Mein Arbeitszimmer war in einem alten Festungsturme gerade unter dem Glockenstuhle, und täglich dreimal tönte mir das Geläute recht hübsch in die Ohren.“***)


*) Vgl. S. 123. 125 — 127.
**) Selbstbiographie in der Sterbenummer der Welt.
***) Selbstbiographie a. a. O.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Leben Theodor Herzls