Herzl als Schriftsteller.

Er war damals außerordentlich schöpferisch. Bis zu seinem dreißigsten Lebensjahre hat er — nach eigener Äußerung — siebzehn Theaterstücke, zahllose Reisefeuilletons, Studien und Kritiken geschrieben. Und dabei schrieb er nicht immer leicht. Denn jedes kleine Feuilleton war ihm ein Kunstwerk, an dessen Vollendung er die höchsten Ansprüche stellte, und das ihm nach eigener Überzeugung nie völlig gelang. Er wollte keine leeren Sätze, er formte die Funde seines grübelnden Sinnens zu nachdenklich-philosophischen Betrachtungen für den Alltag.

Durch alle die künstlerischen Arbeiten dieser etwa bis zum Jahre 1891 reichenden Epoche geht derselbe Zug: jene schmerzliche Resigniertheit, die in dieser Welt der Tatsachen kein Genüge findet, hoffnungslos vor dem letzten Grund der Dinge sich bescheidet und in wehmütigem Scherz das Leid überwindet. Das alles ist in seinen Bestandteilen nicht neu, in der Gesamtheit, besonders bei den Franzosen, dagewesen, deren Wesen und Kultur Herzl in jungen Jahren sehr geliebt hat. (In späteren Jahren trat an die Stelle dieser Jugendliebe die Verehrung der Engländer.) Und dennoch hat Herzl schon frühzeitig völlig den eigenen Charakter seines Stils, seine Eigenart, gefunden, die trotz vieler Nachahmungsversuche keinem anderen nachzubilden gelungen ist. In vielen seiner Essays tritt jener echt jüdische Zug hervor, die teleologische Betrachtungsweise, die der ganzen Denkart der Nation den Stempel aufgedrückt hat. Und dabei glitzern alle diese Arbeiten von geistvollen, oft scharfkantigen Bemerkungen. Wie blitzende Funken aus der Waffe eines Fechters, der weiß, daß er verlorenen Kampf kämpft.


Kein Wunder, daß Herzl bald als Feuilletonist einen wohlbegründeten Ruf genoss, daß seine Aufsätze ihm mehr eintrugen, als wenn er „einen wirklichen Beruf“ ergriffen hätte, wie er ironisch in seiner Selbstbiographie meint.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Leben Theodor Herzls