Beilegung des Streites.

So muß die Deputation Wien wieder verlassen. Endlich wird der traurige Innenstreit beigelegt auf der Sitzung des Großen AC. vom 11. bis 15. April 1904. Fünf Tage lang dauern heftige Auseinandersetzungen. Sie enden mit einem Friedensschluß. Wieder und wieder verlangt man von Herzl Versicherungen, daß er Palästina nicht aufgeben wolle, Beweise, daß er für Erez Israel arbeite. Er antwortet mit unbegrenzter Geduld, obwohl er weiß, daß er eine große Majorität hinter sich hat und in jener gütigen Art, die nur der überlegene kennt: „Ich bin stärker als Sie“, sagt er, „darum bin ich versöhnlich, weil ich weiß: wenn wir streiten werden, werde ich siegen“*).

*) Stenographisches Protokoll, S. 477.


Endlich sagt er ein Bekenntnis — doppelt wertvoll, weil es sein letztes ist: „Niemand könnte mir vorwerfen, daß ich dem Zionismus untreu geworden wäre, wenn ich sagen würde: Ich gehe nach Uganda. Als Judenstaatler habe ich mich Ihnen vorgestellt, ich habe Ihnen meine Karte abgegeben: , Herzl, Judenstaatler’. Im Verlaufe der Zeit habe ich viel gelernt, Juden kennen gelernt. Es war manchmal ein Vergnügen. Ich habe aber auch, meine Herren, einsehen gelernt, daß die Lösung für uns nur in Palästina liegt. In der Broschüre ,Der Judenstaat’ habe ich ein Stück Land haben wollen. Ich habe gesagt: ,Palästina oder Argentinien’. Glauben Sie nicht, daß es Opportunismus ist, wenn ich politisiere oder diplomatisiere: ich bin kein Opportunist! Ich hätte mich bei manchem viel populärer machen können, wenn ich gesagt hätte: ,Nicht Palästina, sondern ein anderes Land’. Ein reicher Jude sagte mir einmal: ,Ein Staat könnte mir gefallen. Aber warum sagen Sie Palästina? Das klingt so jüdisch'. Sie hätten mir den Sukkurs nicht leisten können, den ich oft bekommen konnte, wenn ich in den Ideen Opportunist wäre. Wenn ich Ihnen sage, ich bin Zionist geworden und bin es geblieben, und wenn alle meine Bestrebungen nach Palästina hingehen, so haben Sie alle Ursache, mir zu glauben“*). Er will den Frieden um jeden Preis, und er erreicht ihn. Es kommt eine versöhnende Resolution zustande, aber mehr als das: Tschlenow selbst erklärt sich für „glücklich, die Überzeugung gewonnen zu haben, daß das AC. und sein Vorsitzender sich bemühen, planmäßig, energisch und klug in Palästina zu arbeiten“. In warmen Worten begründet er den Antrag, dem AC. das volle Vertrauen auszusprechen.

Der Kampf ist aus und die Organisation neu geeinigt. Die Teilnehmer der Konferenz fahren beruhigten Gewissens heim zu neuer Arbeit. Für den Begründer und Einiger der Bewegung aber beginnt der letzte, schwere Kampf, in dem er zum ersten Male endgültig einem Stärkeren unterliegen soll.

*) Stenographisches Protokoll, S. 472/73.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Leben Theodor Herzls