Frau Julie Herzl, Wien. 1904

3. Mai 1904. Franzensbad, Villa Impériale.

Ich bin hier soeben wohlbehalten angelangt, natürlich der einzige Passagier. Man war auf der Station auf einen so lebhaften Fremdenverkehr so wenig vorbereitet, daß man meine Koffer nicht ablud, und sie gingen nach Elster weiter. Ich will hoffen, daß ich sie zurückbekomme.


In dem Hause, wo ich wohne, bin ich der einzige Gast und es ist noch kein Bett in meinem Zimmer. Die Wirthin war über mein Erscheinen sprachlos. Überhaupt bin ich hier derzeit nicht nur der einzige Mann, sondern auch die einzige Frau. Die Kurmusik spielt zwar schon, aber, da es nicht sicher war, daß ich kommen würde, hörten sie schon um ½5 auf.

Ich umarme Dich und die geliebten schönen Kinder

Euer treuer Papa

Theodor.


*) Aus den Familienbriefen sind einige intime Stellen gestrichen.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Leben Theodor Herzls