Das Lamboifest zu Hanau

Aus: Deutsche Volksfeste im 19. Jahrhundert
Autor: Reimann, Friedrich August (?) Herausgeber, Erscheinungsjahr: 1839
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deutschland, Sittengeschichte, Gebräuche, Volksfeste, Hanau, Dreißigjähriger Krieg, Belagerung
Seht, welch’ ein Fest! des Tages werden sich
Die Kinder spät als Greise noch erinnern.
Schiller.

In dem Jahr 1630 bekam die Stadt Hanau, auf Befehl des Generals Wallenstein, österreichische Besatzung, unter Anführung des Obersten Brandis, ob sich gleich damals der regierende Graf von Hanau, Philipp Moritz, dagegen widersetzte; er ward gezwungen, sie aufzunehmen, und in seinem Schloss als Staatsgefangener bewacht. Nach der Schlacht bei Leipzig, den 7. September 1631, zog der König von Schweden mit seinem Heere nach dem südlichen Deutschland und detaschierte von Würzburg aus ein kleines fliegendes Korps nach Hanau, um diese Festung durch einen unerwarteten Angriff zu nehmen, welcher auch vollkommen gelang. In einem Zeitraume von 24 Stunden hatte der schwedische Oberst Hubald, mit 6 Eskadronen Reiter und einigen Hundert Dragonern, den Weg von Würzburg bis nach Hanau zurückgelegt und kam hinter dem Schloss, jenseits der Kinzig an. Hier wurden über diese und den Stadtgraben in aller Eile Brücken geschlagen, mit Hilfe von Seilen und Brettern, worauf die Schweden übersetzten, den Wall erstiegen, das hintere Schlosstor sprengten, und so durch das Schloss in die Altstadt eindrangen. Von hier aus ließ der Oberst Hubald eine Aufforderung an den Obersten Brandis ergehen, welcher in dem hohen Turm auf dem Markte wohnte, und da dieser keine Vorkehrung zur Verteidigung getroffen hatte, sie auch nicht mehr treffen konnte, indem die Schweden schon im Besitze der Altstadt waren, so sah er sich genötigt, die Stadt zu übergeben.

Den 15. November 1631 kam der König von Schweden, Gustav Adolph, selbst nach Hanau und es trat nunmehr der Graf Philipp Moritz unter seinen Schutz. Das war denn die Ursache, dass Hanau von nun an eine schwedische Besatzung erhielt. Die gräfliche Familie hatte sich der Gnade des Königs in einem hohen Grade zu erfreuen, denn derselbe machte dem regierenden Grafen mehrere Ämter zum Geschenke, wie Orb, Rineck, Bartenstein, Lohrhaupten, den Biebergrund und das Freigericht; seinen Brüdern, Heinrich Ludwig und Jacob Johann, das ganze Amt Steinheim, worüber noch eine Urkunde vorhanden ist.

Nach der Schlacht bei Lützen, den 16. November 1632, in welcher der große König sein Leben verlor, übernahm der schwedische Reichskanzler Oxenstierna die Verwaltung und setzte in der Person des Herzogs Bernhard von Sachsen-Weimar einen erfahrenen Feldherrn an die Spitze der Armee, um in Baiern, Franken und den Rheingegenden den Oberbefehl zu führen. Fast zwei Jahre lang hatte Bernhard von Sachsen-Weimar durch kluge, wohlberechnete Märsche und glückliche Gefechte das in ihn gesetzte Vertrauen gerechtfertigt, bis den 4. September 1634 die unglückliche Schlacht bei Nördlingen am Eger alle seine Anstrengungen wieder vereitelte. Von nun an mussten die Schweden das Feld räumen und konnten lange nichts mehr gegen die Österreicher unternehmen. Die einzelnen zersprengten Korps, ungefähr 8.000 Mann, größtenteils Reiterei, sammelten sich erst wieder in der Gegend von Frankfurt. Der Graf von Hanau, da er einsehen musste, dass die Stadt leicht unter diesen Umstanden belagert werden könnte, floh mit seiner Familie nach Metz und von da nach Holland.

Der schwedische Oberst Hubald war, seit dem 1. September 1634, durch den Generalmajor Jacob Ramsai ersetzt worden. Dieser, ein sehr tapferer Mann, traf sogleich Anstalten, die Stadt in einen nachdrücklichen Verteidigungsstand zu setzen. Er ließ die Vorstadt befestigen, verstärkte seine Garnison, teils durch hessische, teils durch weimarische Truppen, und vermehrte die Anzahl der bewaffneten Bürger, trug Sorge, dass die Stadt mit Lebensmitteln hinlänglich versehen wurde und gestattete den hilflosen Landleuten eine Zufluchtsstätte in der Stadt. Im Jahr 1635 sah Ramsai ein, dass es wohl zu einer Belagerung kommen werde, denn der kaiserliche Oberst Götz streifte schon bis in die Nähe der Stadt und hinderte dadurch die Landleute am Einernten; ja im September dieses Jahres erschien er mit 10 Regimentern Und umzingelte dieselbe. Zu diesen brachte der General Lamboi gegen das Ende November das nötige Material, um die Belagerung der Stadt nun förmlich unternehmen zu können

Die Österreicher suchten auf drei verschiedenen Punkten Schanzen aufzuwerfen, welches General Ramsai nicht geradezu geschehen ließ, sondern häufige Ausfälle machte; indessen konnte er es doch nicht verhindern, dass die Stadt ringsum mit Schanzen umgeben wurde. Im Monate Dezember des Jahres 1635 fing die Beschießung der Stadt an und der Feind setzte ihr mit Kugeln und sogenannten Bettelsäcken sehr zu; aber die geringe Kenntnis der Belagerer in der Belagerungskunst, und namentlich im Dirigieren des Geschützes, war Ursache, dass viele Kugeln ihr Ziel gänzlich verfehlten. In dem Jahr 1636, und besonders seit dem Monat März, betrieb der General Lamboi die Belagerung mit mehr Nachdruck. Er hatte bis um diese Zeit seine Stellung durch Tranchéen und Redouten gedeckt, so dass er glaubte, weder die Belagerten noch eine Hilfe von Außen könne ihm schaden.

Der General Ramsai, da es ihm an Munition gebrach, sah sehr gut ein, dass, wenn keine Hilfe von Außen käme, er sich am Ende ergeben müsste. Aber auf diese hatte die bedrängte Stadt gerechnet; auch als die Not auf das Höchste gestiegen war, als man schon das Fleisch von Pferden, Eseln, Katzen und Hunden aß, als die große Sterblichkeit durch Anfälle von der Pest noch vermehrt wurde, da erschien die so sehnlichst erwartete Hilfe.

Amalia Elisabeth, Gemahlin des Landgrafen Wilhelm V., eine geborene Gräfin von Hanau und Schwester des damals regierenden Grafen von Hanau, hatte besonderen Anteil an dem Schicksal ihrer Geburtsstadt genommen, daher von Zeit zu Zeit Boten aus der Stadt an sie abgesendet wurden, welche mit Gefahr ihres Lebens sich durch die Feinde stahlen. Die Fürstin wurde aufgefordert, ihre hohe Fürsprache bei dem fürstlichen Gemahl einzulegen, damit er der bedrängten Stadt Hilfe werde. Es konnte diese Hilfe aber nicht eher eintreten, als gegen das Ende Mai 1636, weil der Landgraf früher, auf ein erhaltenes Schreiben des Kaisers, versprochen hatte, sich dem sächsischen Frieden anzuschließen, worauf von beiden Seiten ein Waffenstillstand eingetreten war. Als aber der Landgraf einsah, dass man sich weigere, die freie Religionsübung der Protestanten in den hessischen Landen zu gestatten, dass man ihm wegen der Entschädigung, welche Darmstadt verlangte und die er verworfen hatte, weiter kein Gehör gab, so brach er im Monat Mai 1636 alle Verbindungen ab und verband sich auf’s Neue mit den Schweden. Als daher abermals ein Bote, unter dem Namen der kleine Heinrich, nach Kassel gesendet wurde, mit Briefen an die Landgräfin, worin ihr der bejammernswürdige Zustand der Stadt geschildert und zugleich auch hinzugefügt wurde, dass Lamboi nur noch seine Verstärkung erwarte, um die Stadt mit Sturm zu nehmen, da wandte sie sich abermals an ihren Gemahl. Dieser säumte nun nicht, der Stadt mit möglichster Schnelle Hilfe zuzuführen. In der Nacht vom 11. auf den 12. Juni 1636 kam der Landgraf, in Begleitung des schwedischen Generals Lesle, mit etwa 6.000 Mann zu Windecken an und ließ noch in derselben Nacht die Höhe an dem sogenannten Wartbäumchen besetzen.

Der Tag der Entscheidung, der 13. Juni, erschien. Das Heer bewegte sich auf der Bruchköbler Straße gegen Hanau, nachdem es zuvor die Vorposten des Feindes aus dem Walde vertrieben hatte. Die Schanzen an der Lamboibrücke wurden genommen und um 12 Uhr des Mittags war der Feind schon von dieser Seite bis Auheim hinaus geworfen und der Landgraf hielt durch das Nürnberger Tor seinen feierlichen Einzug unter dem Geläute der Glocken der Stadt; ihn begleitete der schwedische General Lesle und viele hohe Offiziere seines Heeres. Der Jubel war sehr groß und es soll einem damaligen Ratsgliede, Namens de Lattre, als dieses die Feinde weichen sah, vor Freude das Leben gekostet haben. Die Einwohner erkannten in dem Landgrafen einzig ihren Retter und nachdem die Sieger Gott für den erfochtenen Sieg in der Kirche gedankt hatten, wurde der Nachmittag dazu verwendet, den Feind, welcher noch auf der andern Seite der Stadt im Besitze der Schanzen war, daraus zu vertreiben. Der von Schrecken ergriffene Feind hielt nicht lange Widerstand und so war auch bald von dieser Seite die Stadt wieder frei.

Von dieser Zeit an war der 13. Juni, als der Tag der Errettung Hanaus von der fürchterlichen Belagerung des Generals Lamboi, ein Fast- und Danktag. Er wurde still durch Gottesdienst in den Kirchen gefeiert, bis nach dem Jahre 1806, wo er immer mehr an Lebendigkeit gewann. Man freute sich, ein Ereignis feiern zu können, an das sich so schöne Erinnerungen knüpften, indem man hoffte, auch bald von dem drückenden Joche der Franzosen befreit zu werden. Und so ist denn dieser Tag ein Tag der Freude und das Fest im Walde ein allgemeines Volksfest geworden, an dem viele tausend Ausländer Anteil nehmen.

Lamboy, Wilhelm Graf von (1590-1659) General, kaiserlicher Heerführer im Dreißigjährigen Krieg_-

Lamboy, Wilhelm Graf von (1590-1659) General, kaiserlicher Heerführer im Dreißigjährigen Krieg_-

Schlacht bei Hanau 13. Juni 1636

Schlacht bei Hanau 13. Juni 1636

Lamboy, Wilhelm Graf von (1590-1659) General, kaiserlicher Heerführer im Dreißigjährigen Krieg_

Lamboy, Wilhelm Graf von (1590-1659) General, kaiserlicher Heerführer im Dreißigjährigen Krieg_

Hanau, Stadtwappen

Hanau, Stadtwappen

Hanau, Rathaus

Hanau, Rathaus

Hanau, Denkmal der Gebrüder Grimm

Hanau, Denkmal der Gebrüder Grimm