Vorwort

Die Verantwortung für das Entstehen des vorliegenden Buches trägt der Herr Verleger. Dieser äußerte, sofort nach dem erscheinen des „Lehrprinzen“, den Wunsch nach einer Jugendschrift, welche geeignet erschiene, „die Liebe zur Natur und ihren wilden Kindern in die Brust des Knaben zu pflanzen und großzuziehen“, junge Leute in belletristischer Form zu einer sittlichen Auffassung des Waidwerkes und zum Studium der Jagdwissenschaft hinzuleiten.
Zunächst vermochte ich dem Plane keinen Geschmack abzugewinnen und lehnte ab, unter dem Hinweise, daß ich zur Verfassung von „Kinderfibeln“ nicht das Zeug besitze. Trotz dieser tief wurzelnden Abneigung vermochte ich aber nicht zu leugnen, daß der Wunsch des Herrn Verlegers nach einer jagdlichen Jugendschrift um so berechtigter sei, als einige in den letzten Jahren erschienene Bücher dieser Art, weil von jagdlichen Laien verfaßt, vom jägerischen Standpunkt aus, als völlig ungenießbar betrachtet werden müssen.
- - Es war vergangenen Herbst, an einem nebligen Oktobertag, als ich auf der Hühnerjagd an einer ins Feld eingesprengten Wiese vorüberkam, auf der mich etwas in heutiger Zeit höchst Merkwürdiges fesselte. Eine leibhaftige Hürde mit Samenhanf, umschwärmt von zahllosen Distelfinken, stand dort. Merkwürdig erschien mir diese sonst wenig auffällige Anlage deshalb, weil, mit dem früher ausgedehnten Hanfbau, auch die Samenhürden in meiner Heimat völlig verschwunden sind.
In einer geistvollen philosophischen Abhandlung las ich einst, daß kein anderer Sinn alte Erinnerungen in gleicher Lebendigkeit wachzurufen vermöge, als der Geruchsinn. Und diese Behauptung fand ich bestätigt, als der Herbstwind den eigenartigen, scharfen Hanfgeruch zu mir herübertrug. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, eine der Hanfstauden aufzunehmen und ihr Aroma einzuziehen. Fröhlich zwitschernd umschwärmten die aufgescheuchten Stieglitze ihren Futterplatz. Und vor meinem geistigen Auge stiegen Erinnerungen empor an längst geschwundene Zeiten! Ich sah mich auf der gleichen Wiese als Knabe beim Vogelsang, und Bild reihte sich an Bild - alle der sonnigen, fröhlichen Jugendzeit angehörend!
Die Lehrjahre meiner Jägerlaufbahn sah ich vorüberziehen mit allen jenen Erinnerungen, welche uns die Jugendzeit so teuer machen und sie uns, im reifen Alter noch, als den glücklichsten Abschnitt des Lebens erscheinen lassen, dessen wir nie ohne das Gefühl stiller Wehmut zu gedenken vermögen!
- - Und auf einmal war ich mir klar über den Plan der zu verfassenden ,,Jugendschrift“! Jawohl - ,,Jugenderinnerungen“ sollten es sein - Erinnerungen aus der Jugendzeit, wie sie das Gedächtnis festgehalten hatte - sie sollten Gestalt und Leben gewinnen, mit Hilfe der Feder und des Malerstiftes, auf daß nicht allein die Jungen sich an ihnen zu ergötzen Gelegenheit finden, sondern auch die Alten beim Lesen sich zurückversetzt fühlen in die Zeit, da sie selbst einmal jung waren und die später so schal und feindlich erscheinende Welt mit den Augen des jugendlichen Frohsinnes ansahen!
- - So ist dieses Buch entstanden, das ich meinen alten und jungen Freunden überreiche in der Hoffnung, daß es mir gelungen sein möge, seine erzieherische Richtung in richtigen Einklang zu setzen mit den Rechten des Humors und der Unterhaltung.

Kehl a. Rhein, Pfingsten 1903.
Waidmannsheil!
Der Verfasser.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Jägerhaus am Rhein