Das Hambacher Fest am 27. Mai 1832

Aus: Die deutschen Einheitsbestrebungen in Ihrem Geschichtlichen Zusammenhange.
Autor: Klüpfel, Karl August Dr. (1810-1894) deutscher Bibliothekar, Historiker und Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1853
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Hambacher Fest, deutsche Einheit, Freiheit, Reformen, schwarz-rot-gold, deutsches Vaterland
Vorwort

Der Gedanke vorliegenden Werkes entstand schon vor dem Jahre 1848, indem ich bei dem Studium der deutschen Geschichte mein Augenmerk schon längst auf die Entwicklung der Einheitsidee gerichtet hatte. Als nun die Einheitsbewegung der Jahre 1848 und 1849 so kläglich gescheitert war, drang sich mir das Bedürfnis auf, die Ursachen des Misslingens in der Vergangenheit aufzusuchen und nachzuweisen, wie die Schwierigkeiten der Aufgabe nicht bloß in den Verhältnissen der Gegenwart lagen, sondern dag Ergebnis; einer vielhundertjährigen Entwicklung sind, und dass man sich deshalb nicht entmutigen lassen darf, wenn sie sich nicht mit einem Male haben überwinden lassen. Andererseits wollte ich aber auch zeigen, wie die Einheitsidee keineswegs das Erzeugnis einer plötzlichen revolutionären Aufregung, sondern so alt als die deutsche Geschichte ist, wie sie von jeher Gegenstand des Kampfes gewesen und in den wichtigsten Wendepunkten unseres Volkslebens mit immer neuer Macht hervorgetreten ist. Bei der Ausführung der Aufgabe konnte es sich nicht um neue Einzelforschungen handeln, sondern um eine klare, übersichtliche, zusammenfassende Darstellung der deutschen Geschichte vom Standpunkt der nationalen Einheitsidee aus. Sie beruht, wie jeder aufmerksame, mit dem Stoff vertraute Leser finden wird, keineswegs auf bloßer Leetüre neuerer Geschichtsdarstellungen, sondern auf einer sorgfältigen selbständigen Durchforschung des geschichtlichen Materials. Dass ich diejenigen neueren Werke, welche die nationale Entwicklung vorzugsweise behandeln und mit meiner Auffassungsweise zusammenstimmten, wie Rankes deutsche Geschichte während der Reformation, Perthes' deutsches Staatsleben vor der Revolution, Pertz' Leben des Freiherrn von Stein, und Radowitz' Reden und Betrachtungen, vielfach benützt habe, versteht sich von selbst. Auch in Biedermanns Artikel in der Germania, über die Versuche zur Einigung Deutschlands seit der Auflösung des Reiches, fand ich eine erwünschte Vorarbeit, die ich jedoch erst benützen konnte, nachdem die betreffenden Abschnitte meiner Darstellung bereits geschrieben waren.
Tübingen, am 18. Oktober 1852.
Der Verfasser.
Der Gipfelpunkt der radikalen Richtung war das Hambacher Fest, das am 27. Mai 1832 auf dem Schlosse Hambach bei Neustadt in Rheinbayern gehalten wurde. Siebenpfeiffer hatte in Verbindung mit einer Anzahl Bürger von Neustadt einen Aufruf an alle deutschen Stämme zur Feier eines großen Nationalfestes erlassen, das ein Verbrüderungsfest für alle die werden sollte, die nach der Wiedergeburt des deutschen Vaterlands streben.

Ein von der Regierung gemachter Versuch, das Fest zu verbieten, wurde wegen der darüber sich kund gebenden Erbitterung, vielleicht auch in der Hoffnung, daß die Exzesse des Festes Gelegenheit zum Einschreiten geben würden, zurückgenommen und das Fest fand ungehindert statt.

Aus beinahe allen deutschen Landschaften, selbst aus dem Elsaß fanden sich Teilnehmer ein, auch Franzosen und Polen kamen als Gäste; die Zahl der Teilnehmer wurde auf mindestens 30.000 geschätzt; alle waren mit schwarz-rot-goldenen Bändern und Kokarden geschmückt, auch Fahnen von derselben Farbe wurden vorausgetragen. Der ganze Charakter des Festes zeugte von leidenschaftlicher Erregtheit, wobei wahre Begeisterung für die nationale Sache mit kosmopolitischem Fanatismus und radikaler Phrasenmacherei gemischt war. Es traten 25 Redner auf, die sich alle mehr oder minder stark über die Erniedrigung Deutschlands aussprachen, und die Schuld davon hauptsächlich auf die Fürsten wälzten.

Hervorragend waren die Reden Siebenpfeissers und Wirths, in welchen beiden die Wiedergeburt und Einheit Deutschlands als Hauptsache vorangestellt war. Wirth warnte dringend vor einer Verbindung mit den Franzosen,, die doch nur das linke Rheinufer als Preis ihrer Hilfe fordern würden. Eher müsse man mit dem Absolutismus fechten, als den kleinsten Teil von Deutschland an Frankreich opfern.

Ein Teil der Festführer sah diese Protestation wegen der anwesenden Franzosen ungern, doch wagte keiner dagegen aufzutreten. Neben der würdigen Sprache der Führer machten sich aber auch unbesonnene, rohe und blutdürstige Reden breit, die dem Fest ein schlimmeres Gepräge aufdrückten, als die Absicht der Unternehmer gewesen war. Doch wurden keine bestimmten Beschlüsse gefasst oder Verabredungen zum Losschlagen getroffen, man begnügte sich, die revolutionäre Stimmung zu nähren. Gleichzeitig wurden an mehreren Orten ähnliche Versammlungen gehalten.

Bei einer solchen in Gaibach in Franken wurde der Bürgermeister Behr von Würzburg nach einer aufregenden Rede von dem Volke mit dem Ruf „das ist unser Frankenkönig“ auf den Schultern herumgetragen. Durch derlei Versammlungen suchte die am weitesten gehende Partei aufzuregen, um durch die gesteigerte Stimmung allmählich Taten anzubahnen. Aber die Verhältnisse wurden für erfolgreiche Taten immer ungünstiger; nicht nur traten die Regierungen immer planmäßiger und entschiedener auf, sondern in der Bewegungspartei vergrößerte sich die Spaltung immer mehr.

Die Konstitutionellen, die auf dem Wege der Reform, durch ihre Wirksamkeit in den Ständeversammlungen und durch die Presse ein neues Deutschland vorzubereiten gehofft hatten, fingen an einzusehen, daß alle ihre Arbeit fruchtlos sei, aber wollten darum doch den gesetzlichen Weg nicht verlassen; die Radikalen, welche sich durch den Widerstand der Regierungen immer mehr in der Überzeugung befestigt fanden, dass nur durch Revolution, durch Entthronung der Fürsten und Errichtung von Republiken zu helfen sei, verrannten sich immer mehr in extreme Richtungen, und je weiter sie darin fortgingen, desto mehr isolierten sie sich vom Volke und sahen sich bei den Franzosen um Hilfe um. Dabei täuschten sie sich sehr über die Größe ihres Anhangs, der sich zuletzt auf eine verhältnismäßig kleine Zahl von Advokaten, Literaten und Studenten beschränkte.

Bald nach dem Hambacher Fest begannen die Maßregeln der Regierungen. Wirth und Siebenpfeiffer und viele Andere wurden verhaftet; Schüler und Savoie, die ebenfalls eine hervorragende Rolle gespielt hatten, flohen nach Frankreich.

Der Zug zum Hambacher Schloss am 27. Mai 1832. Kolorierte Federlithographie, um 1832 von Erhard Joseph Brenzinger

Der Zug zum Hambacher Schloss am 27. Mai 1832. Kolorierte Federlithographie, um 1832 von Erhard Joseph Brenzinger

Brenzinger, Erhard Joseph (1804-1871) deutscher Historien- und Porträtmaler

Brenzinger, Erhard Joseph (1804-1871) deutscher Historien- und Porträtmaler