Das Fest des Ritters St. Georg in Mons (Belgien).

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1913
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Prozession, Drache, Schutzheiliger, St. Georg, Kampf mit dem Drachen
Mons, die schmucke Hauptstadt der belgischen Provinz Hennegau, begeht alljährlich das Fest ihres Schutzheiligen, des frommen, heldenmütigen Ritters und Drachentöters St. Georg, in höchst origineller Weise. Der Festtag fällt stets zusammen mit der Eröffnung der großen „Kermesse“ oder Kirmes, die im wallonischen Mons eine nicht geringere Bedeutung als echtes Volksfest hat wie in den Orten der flämischen Landesteile. Nach Beendigung der feierlichen Prozession formiert sich ein wunderlicher Zug, „la Parade du lumecon“ genannt, den unser interessantes Bild auf Seite 37 in eindrucksvoller Weise veranschaulicht.

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Es ist der Umzug des El Doudou, wie im wallonischen Dialekt der Drache heißt. Begleitet von seinen „Chinchins“, brillanten Reitern auf Kartonpferden, deren groteske Sprünge sehr zur Belustigung des Publikums beitragen, eröffnet der tapfere Ritter Georg den Zug, bejubelt und bewundert vom Volke, obgleich er in seinem Äußeren nichts weniger als eine historisch getreue Nachahmung seines heldenhaften Vorbildes ist. Wohl sitzt er hoch zu Ross — auf einem wirklichen Gaul — und schwingt stolz die Lanze, mit der der Sage nach St. Georg den grimmen Drachen erlegte, aber dabei steckt er in einer Uniform, die anscheinend aus der Zeit des großen Napoleon herrührt. Ihm folgt „El Doudou“, ein schrecklich Ungeheuer mit weitgeöffnetem, zahnstarrendem Rachen, gezacktem Rückgrat, Fledermausflügeln und einem riesigen Schwanze, der von Zeit zu Zeit bald nach links, bald nach rechts in die Menge hineinschlägt und den Leuten die Hüte von den Köpfen fegt, wenn sie sich nicht rechtzeitig ducken. Zwei Männer, von denen nur die Beine zu sehen sind, stecken im Bauche des Ungeheuers. Sie setzen den Schwanz in Bewegung und sind die Träger und Fortbeweger der ganzen monströsen Attrappe, wobei sie von zwei zipfelmützigen, weißgekleideten Burschen unterstützt werden, indem diese den schweren Kopf des Drachen halten. Teufel und mit Efeulaub über und über bedeckte, keulenschwingende wilde Männer sind des Drachen Hofstaat. Das Ganze wird begleitet von der städtischen Feuerwehr in ihren besten Uniformen. So geht es unter allerlei Späßen und Scherzen durch die mit Fahnen geschmückten Straßen zur Grand' Place, dem Markt. Vor dem Rathaus wird Haltgemacht, und sofort nimmt der „Kampf mit dem Drachen“ seinen Anfang. Er dauert geraume Zeit und zeigt verschiedene Phasen. Zuletzt bleibt St. Georg Sieger. Er versetzt dem Ungeheuer durch einen Lanzenstich die tödliche Wunde und macht ihm schließlich mit einer gewissen Feierlichkeit den Garaus durch einen wohlgezielten — Pistolenschuss.

Das Fest des Ritters St. Georg in Mons (Belgien)

Das Fest des Ritters St. Georg in Mons (Belgien)